Was war das jetzt? Der Baum hat sich doch nicht bewegt, oder? Habe ich schon zu viel Prosecco intus, oder läuft mir da tatsächlich Pappel nach?
Doch. Das tut sie.
Wunderschön und bedrohlich zugleich muten die mobilen Bäume von Céleste Boursier-Mougenot an, die den französischen Pavillon bevölkern. Die Auflehnung der Natur ist ein Thema, das viele Künstler aufgegriffen haben, die hier auf der 56. Biennale in Venedig ausstellen. Es ist eine der wichtigsten Kunstmessen der Welt und das Motto „All the World's Futures“ ladet schließlich dazu ein, sich mit Umweltverschmutzung, globaler Erwärmung und Nachhaltigkeit auseinander zu setzen. Der Planet geht vor die Hunde, das können wir wenigstens noch kreativ ausschlachten, oder?
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Als weitere Leitmotive kristallisieren sich die Flüchtlingskatastrophe, Kapitalismus und Ausbeutung, Unterdrückung und Macht, sowie Massaker und Ausrottung heraus. Dazwischen bleibt noch viel Raum für Kitsch und altbewährte Provokationen, die neben den vielen aktivistisch anmutenden Beiträgen jedoch fast antiquiert wirken. Einmal ganz ehrlich: Wer verzieht angesichts von verstümmelten, menschlichen Skulpturen, denen Zigaretten in den Anus oder die Geschlechtsteile gesteckt wurden, noch eine Augenbraue (Sarah Lucas, englischer Pavillon)?
Doch auch wer auf aktuelle Themen setzt, wie eben das Massensterben im Mittelmeer, trifft damit nicht automatisch ins Schwarze. Die „Fabrik“ im deutschen Pavillon etwa lockt den Zuseher damit, einer Verwandlung oder zumindest einem künstlerischem Prozess beiwohnen zu dürfen. Doch die Erwartungshaltung wird enttäuscht – im Inneren verbirgt sich eine brave Fotoausstellung mit Portraits von afrikanischen Flüchtlingen. Mehr Beklemmung kommt da schon auf den überfüllten Fähren zu den Biennale-Veranstaltungsorten auf, die unfreiwillig an überfüllte Flüchtlingsboote erinnern, allerdings nicht Menschen in den Tod oder eine ungewisse Zukunft bringen, sondern von einer Eröffnungsparty zur nächsten schippert, wo Brötchen und Schampus in unendlichen Mengen warten. Damit werden wir alle unabsichtlich zu einer Real Life-Installation.
Die Welt ist wirklich nicht gerecht. Da stehe ich nun, blicke auf die Kunst, seufze einmal kräftig durch und eile dann zum nächsten Schiffernakel, das mich schleunigst zur nächsten Eröffnungsfeier bringen soll. Die Kehle ist schließlich schon ausgetrocknet. Also: Saluté auf uns, die wir ständig nach mehr dürsten dürfen.
Meine persönlichen Top Five Biennale-Empfehlungen:
1. AES+F, 001 Inverso Mundus, Palazzo Nani Mocenigo
Menschen, wie wir sie sonst nur aus Modegazetten und Illustrierten kennen und die irgendwie vertraut und entfremdet zugleich sind, agieren in dieser Videoinstallation in einer Welt, die Traum und Alptraum zugleich ist.
2. Adrian Piper, The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1–3, Arsenale
Dieser Beitrag wurde mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet, obwohl sogar viele Kunstkritiker und Galleristen auf den ersten Blick dachten, dass es sich hier nur um gewöhnliche Informationsschalter handelt. Es braucht einen zweiten Blick um die Sätze zu sehen, die hinter den Rezeptionistinnen an der Wand zu lesen sind, wie etwa: „Ich werde mich niemals so billig hergeben, dass ich gekauft werden kann.“ Wer will, kann bei jedem Schalter mit sich selbst einen Vertrag abschließen, der den jeweiligen Satz zum Inhalt hat.
3. Alfons Hug, Lateinamerikanischer Pavillon im Arsenale, Indigene Stimmen – Voces Indígenas
Soundinstallation mit indigenen Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind. Eine erschütternde Dokumentation des Vergessens. Sehr schlicht und auf das wesentliche Medium beschränkt.
4. Chiharu Shiota, Japanischer Pavillon im Giardini, The Key in the Hand
Auf den ersten Blick sieht die Installation aus wie ein Boot, aus dem Blut quillt – wobei sich sofort Bilder von ertrunkenen Flüchtlingen aus dem Mittelmeer aufdrängen. Erst bei näherer Betrachtung werden die vielen roten Einzelfäden erkennbar, an denen Schlüssel hängen und die sinnbildlich für die Geheimnisse und unendlichen Möglichkeiten der Zukunft stehen.
5. Fiona Hall, Wrong Way Time, Australischer Pavillon im Giardini
Ja, die Menschheit hat wahrlich schon oftmals den falschen Weg eingeschlagen. In diesem Pavillon werden Relikte aus der Vergangenheit gesammelt. Die Wände sind schwarz gestrichen und es wirkt alles wie ein Gruselkabinett – tot und irgendwie verstaubt. Hätten wir einen anderen Weg eingeschlagen, so hätten sie vielleicht überlebt.
Werde auch Du Teil unserer Community und nimm Kontakt zu Journalisten und anderen Bloggern auf. Registrier dich kostenlosund begeistere unsere Community mit deinen Kommentaren oder eigenen Texten/Blogbeiträgen.