Vorneweg: Bekannt ist, dass Martin Sellner, der Sprecher der Identitären Bewegung Österreichs, 1.500 Euro vom Christchurch-Attentäter erhalten hat. Das mag - zu Recht - die Frage aufwerfen, was einem australischen Massenmörder an einer kleinen elitären Gruppe aus dem Burschenschaftermilieu Österreichs gefällt. Rechtlich ist es jedoch irrelevant.
Nicht Sellner hat dem Attentäter Geld geschickt
Nicht Sellner oder die Identitären haben dem Attentäter Geld zugesteckt, sondern umgekehrt. Solange es keine Kontakte gab, die mit dem Verbrechen des Attentäters in Zusammenhang zu bringen sind kann man Sellner und seinen Straßenkameraden daraus keinen Strick drehen. Das könnte man auch dann kaum, wenn Sellner den Attentäter in Österreich getroffen hätte und ihm beim Sobieski-Reiterstandbild einen Vortrag über den Abwehr gegen die osmanische Belagerung Wiens gehalten hätte oder mit ihm Döner geschmaust hätte im Kent oder mit ihm durch Rotlichtlokale gezogen wäre oder in der Lugner City Turnschuhe gekauft hätte. Eine schiefe Optik, ausgemacht, aber eine terroristische Vereinigung daraus zu konstruieren - das geht stafrechtlich in keinem Fall durch.
Was wäre, wenn Fritzl dem Roten Kreuz Geld gespendet hätt?
Nehmen wir ein anderes BeispieL: Sollte Herr Fritzl aus Amstetten dem Roten Kreuz je Geld gespendet haben - wäre dem Roten Kreuz dann Inzest, Vergewaltigung und Versklavung vorzuwerfen? Eben.
Der Rechtsstaat verlangt keine moralische Bewertung von Kontakten, sondern Beweise für Taten. Und mit denen schaut es - nach aktuellem Stand - schlecht aus. Ungefragt Geld geschenkt bekommen von einem Massenmörder, nein, das ist weder Beweis noch Indiz für eine Mittäterschaft und sicher nicht für eine "terroristische Vereinigung."
Sellner hält nicht viel vom Rechtstaat - gerade deswegen sollt er ihn kennenlernen
Das rechtsstaatliche Prinzip und seine Prämisse, wonach der Ankläger die Schuld eines Verdächtigen zweifelsfrei zu beweisen hat, steht auch ungustiösen Kerlen zu. Es steht sogar Personen oder Gruppen zu, die den Rechttstaat ihrerseits ablehnen.
Auch das trifft vermutlich auf Sellner und seien Kameraden zu. Vor einigen Wochen twitterte er im Zuge des Mordes eines Aslywerbers in Dornbirn - offenkundig unbedacht und etwas in Rage - die Forderung: Asylaberkennungsverfahren für Geflüchtete im Schnellmodus - und das Ganze ohne Berufungsmöglichkeit. Das ist alles andere als konform mit rechtsstaatlichen Verfahren. Wir sehen: Wir wollen Sellner etwas gönnen, dass er und seine Kameraden, wenn sie Macht hätten, niemandem gönnen würden - und nicht nur mutmaßlichen Verbrechern nicht.
Fair sein ist die chamanteste Form der Verachtung
Das faire Verfahren ist vermutlich die charmanteste Form des Umgangs mit Menschen, die offensichtlich von faschistischen Methoden träumen. Das gilt auch für Islamisten. Sie mögen - dort wo sie Macht haben - jeden, der nden Koran schief anschaut - mit einem hingerotzten Schariaurteil richten. Aber das ist nicht unser Maßstab. Wir stellen auch den blutrünstigsten Kopfabschneider vor ein Gericht, stellen ihm einen Verteidiger zur Seite und lassen ihn gegen ein Urteil berufen. Das tun wir nicht, weil wir dumm sind oder naiv, sondern weil wir zivilisiert sind. Der norwegische Massenmörder Breivik darf in Norwegen jederzeit vor Gericht klagen, dass die Kopfpolster in seiner Zelle zu hart sind - und er wird tatsächlich angegehört. Dass er mehr als 90 Jugendliche kaltblütig ermordet hat, spielt dabei keine Rolle.
Sowohl Sellner als auch Breivik oder der blutrünstige islamistische Kopfabschneider halten nichts von Demokratie, Menschenrechten und dem Rechtsstaat. Das ist eine gute Gelgenheit, es ihnen heimzuzahlen - mit fairen Verfahren. Wenn wir sie feisprechen. und sei es im Zweifel - ist es kein Sieg für sie, sondern eien Sieg für die Demokratie.