Neuwahlen: wegen ein paar Hakenkreuzen an der Synagoge?

Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht erneut und nachdrücklich eine rote Linie zum Rechtsextremismus. Das ist schön, aber sie geht halt mitten durch seinen Koalitionspartner. Wir werden uns auf Neuwahlen im Herbst einstellen müssen. Die FPÖ wird den Spagat nicht schaffen, sich von den Identitären gleichzeitig abzugrenzen und das Burschenschafter-Soziotop, das in der Partei mittlerweile den Ton angibt, ruhig zu halten.

Distanz und Sympathie - das FPÖ-Politkneippbad

Distanzierungen (zum Beispiel von Haimbuchner in Oberösterreich) und Sympathieerklärungen (zum Beispiel von Eustacchio in Graz) wechselen sich im Stundentakt ab. Strache steht indes mit großen traurigen Augen da. Wie soll er das seinen Burschen erklären, die ihn groß gemacht haben und die er an die Futtertröge der Republik geführt hat? Eine klassische Doppelmühle, die Kurz da im richtigen Moment gegen die FPÖ aufgebaut hat. Mühle auf- "Widerlich", Mühle zu - "keine schwammige Distanz". Steinchen für Steinchen nimmt Kurz dem glücklosen Strache vom Brett.

Das Faß zum Überlaufen brachte eine gar nicht so erstaunliche Meldung der Kleinen Zeitung von gestern abend. Martin Sellner, das Gesicht der Identitären, habe vor rund 13 Jahren Aufkleber mit Hakenkreuzen an eine Synagoge geklebt. Kurz twitterte prompt: "Die Enthüllungen über den Chef der Identitären sind widerlich." Das Wort "widerlich" wird wohl eine Rolle spielen bei der nächsten Wahl zum Wort des Jahre.

Ein lustiger Thread des Herrn Sellner

Ist es lustig oder traurig? Martin Sellner, der Hakenkreuz-Street-Artist von Baden, könnte der Mann sein, der Strache und die erste Regierung, in die er es geschafft hat, zum Fallen bringt. Was sagt er eigentlich zu der Sache mit den Hakenkreuzen? Auf Twitter lässt er die Hose runter in einem langen Thread. Der ist einwenig weinerlich, aber Wert, gelesen zu werden:

Sellner: " 1. Diese Pickerl wurden nicht gezielt auf ein bestimmtes Gebäude geklebt..."

Ja, manchmal hat man richtig Pech beim Hakenkreuzpickerl-Picken und man erwischt just eine Synagoge. Und daraus wollen ihm ein paar Linksextremisten jahre später eine Strick drehen. Wie erbärmlich ist das denn?

Sellner: "2. Wegen dieser Pickerl gab es ein Verfahren, eine Diversion & ich habe meine Lektion gelernt. Jahre später setze ich mich mit neurechtem Denken auseinander und brach klar mit jedem Antisemitismus und Rassismus..."

Martin Sellner ist jetzt Ethnopluralist, muss man wissen! Und das "neurechte Denken" hat mit Rassismus nichts am Hut und alle Katzen fressen gerne Salat.

Sellner "3. Die Sache war natürlich ein totaler Schwachsinn. Wir waren jung, deppat und wollten einfach provozieren, also möglichst radikal sein und das total verbotene tun. Dabei gerieten wir unweigerlich in die NS-Szene. Ähnlich wie andere Spitzenpolitiker heute."

Martin, wir wissen schon, dass Du Strache meinst. Der kann Dir aber jetzt auch nicht mehr helfen und Du ihm auch nicht.

Sellner: "4. Keiner wird als Nazi geboren. Junge Patrioten geraten in diese extremistische Subkultur, weil es keine Alternative gibt. Genau deswegen gibt es die IB als erste neurechte, aktivistische Bewegung. Ich bin froh dass ich all diese Erfahrungen gemacht & daraus gelernt habe."

Wie wahr, wie wahr, keiner wird als Nazi geboren! Aber wenn man ein schlechtes Elternhaus erwischt und ein Charakterschwein ist, dann wird man einer.

Und das hängt einem lange selber nach und manchmal stolpern andere auch darüber.

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