Ja, Propaganda kommt oft furchtbar platt daher. Im Nationalsozialismus war das so oder unter kommunistischen Diktaturen wie in der DDR. Das Neue Deutschland zu lesen war eine Qual. Jeder halbwegs Vernünftige fragte sich, wie kann man nur so etwas schreiben? Aber man wusste auch, etwas anderes würde man nicht zu lesen bekommen. Selbst wenn ein Autor den Versuch unternommen hätte, nichts davon wäre erschienen, nur er wäre erschienen: in Bautzen oder im Roten Ochsen in Halle, zumindest wäre er seinen Job los gewesen.

Heute ist das anders. Jeder Journalist ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Es herrscht Meinungsfreiheit, jeder kann schreiben, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Theoretisch zumindest. Doch beim Lesen von FAZ, Spiegel, Bild & Co überkommt einen heute oft ein heftiger Ekel wie weiland in der DDR. Und dabei - das ist das Frappierende - heute wird das alles freiwillig abgeliefert.

Doch da sind nicht nur die Medien, man wird geradezu überzogen mit Kampagnen für das Gute und einzig Wahre und Richtige. Natürlich ist das notwendig, weil die tumbe Masse immer noch nicht begriffen zu haben scheint, was gut und richtig ist. Da muss nachgeholfen werden, notfalls etwas nachdrücklicher. Und da kann dann auch schon mal kräftig bloß gestellt werden. Da müssen notfalls auch Köpfe rollen, wenn auch vorerst nur symbolisch. Noch dürfen die Leute ihr Leben behalten, aber ihren Job sollen sie bitte schön schon los werden und ausgegrenzt müssen sie auch werden.

So hat die FAZ endlich den üblen Hetzer enttarnt, der Josef Sieferles "Finis Germania" auf die Sachbuch-Bestsellerliste von NDR und Süddeutscher gevotet hat. Die FAZ triumphiert: "Nun gibt ein Redakteur zu, dass er den Tipp verantwortet." Gut so, der Mann wird genannt. An den Pranger mit ihm! Es ist der Spiegel-Redakteur Johannes Saltzwedel. So enttarnt, trat er aus der Jury zurück. Nun wird es nur noch Zeit, dass er auch beim Spiegel fliegt. Wie kann es sein, dass ein Jury-Mitglied einfach von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch macht? Dass es ein Buch empfiehlt, welches es für lesenswert hält?

Der FAZ-Redakteur, der Saltzwedel an den Pranger stellt, ist übrigens Jan Grossarth. Ob er das Buch von Sieferle wirklich gelesen hat, kann bezweifelt werden. Zitate aus dem Zusammenhang reißen, kann er jedenfalls, wenn es der guten Sache dient. So macht der Querleser Grossarth Sieferle zum Nazi, dabei hat der in "Finis Germania" doch z. B. auch geschrieben: "Mit Hitler und seinen Komparsen sind der säkularisierte Teufel und das Personal der Hölle leibhaftig auf der Erde erschienen." Schreibt so ein Nazi? Aber das ist Grossarth egal, wenn es darum geht, Menschen zu diskreditieren und das Recht auf Meinungsfreiheit zu beschneiden.

Überhaupt, Meinungsfreiheit heißt doch nicht, dass man seine Meinung frei sagen kann. Wo kämen wir denn da hin? Das macht uns nun sogar eine Kampagne der Bundesregierung deutlich: Das rote (sic) Doppeleinhorn. Es tönt nämlich laut: "Es heißt Grundrecht auf Meinungsfreiheit und nicht Grundrecht auf Scheißelabern!" Was ja übersetzt nichts anderes heißt: Was gut und richtig ist, entscheiden wir, wer anderer Meinung ist, soll die Fresse halten und kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen! Kritische Nachfragen bügelt das Doppeleinhorn ab und macht noch mal deutlich "Scheißelabern ist nicht von Meinungsfreiheit gedeckt." Komisch, davon steht nichts im Grundgesetz - ok, noch nicht, wird wohl bald kommen.

Derweil sollten wir uns besser an den wirklich positiven Beispielen aus der Medienbranche orientieren. An Herrn Wagner z. B. von der Bild. Der hat heute unter "Post von Wagner" einen Liebesbrief an Frau Merkel geschrieben. Darin finden sich so wundervolle Sätze wie:

"Liebe Angela Merkel, als 'Führerin der freien Welt' werden sie gefeiert".

"Sie wollen keine Göttin sein."

"Sie sind die Mutter gegen die Ängste. In der Flüchtlingskrise haben Sie gezeigt, was für ein großes Herz Sie haben. Sonst verbergen sie es."

"Ich würde gerne alles wissen über das Leben der 'Führerin der freien Welt“.

Ist das nicht wunderschön geschrieben? Ich war den Tränen nahe. Ich vermute mal, sowas Wunderbares liest man sonst nur in nordkoreanischen Zeitungen über den großen Führer Kim Jong-un.

Apropos Führer, nun haben wir Deutschen also sogar wieder eine "Führerin". Ein bisschen ziere ich mich ja noch, aber wenn der gute Herr Wagner das schreibt, muss es ja wohl wieder erlaubt sein. Verwirrende Zeiten!

Shutterstock/Nomad_Soul

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