Es ist nun eine Woche her, dass in Deutschland 60 Wohnungen durchsucht wurden, um gegen Hasskriminalität, gegen sogenannte Hasspostings im Internet, vorzugehen. Zeit, mit gebührendem Abstand sich dieser Sache noch einmal anzunehmen, die inzwischen - nach Nizza und dem Putschversuch in der Türkei - scheinbar dem Vergessen anheim fällt.

Ohne Zweifel haben dort einige Leute Dinge geäußert, die weit unterhalb der Gürtellinie lagen. Und es wäre völlig abwegig, dies gutzuheißen. Doch in einer Zeit, wo jeder zum Nazi erklärt wird, der nur leise Kritik an der völlig unkritischen, willkommensbesoffenen deutschen Politik äußert, steht zu befürchten, dass sehr bald auch der normale kritische Bürger ins Fadenkreuz der Ermittler gerät. An dieser Razzia ist nämlich etwas sehr bemerkenswert. Und erstaunlicherweise wurde eben dies bisher nicht hinterfragt.

Denjenigen, die unerwartet "Besuch" von den Einsatzkräften bekamen, werden Verstöße gegen die Paragraphen 86a und 130 des Deutschen Strafgesetzbuches vorgeworfen. Was bedeutet dies? Nach § 86a macht sich strafbar, wer Symbole verfassungswidriger Organisationen "verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften ... verwendet". §130 regelt zusammengefasst all das, was unter die sogenannte Volksverhetzung fällt. Ein entscheidendes Kriterium ist auch hier die Öffentlichkeit.

Nun ist in den Berichten über die Razzia folgendes zu lesen: "Anlass für die Durchsuchungen sollen bei rund 40 Beschuldigten Äußerungen in einer geheimen, also nichtöffentlichen Facebook-Gruppe, sein." Das ist hochinteressant.

Zum einen kann natürlich gefragt werden, wie die Ermittlungsbehörden Kenntnis davon gewinnen konnten, was in einer geheimen, nichtöffentlichen Gruppe geäußert wurde. Die Erklärung kann hier ja nur sein, dass entweder die Internetüberwachung deutscher und ausländischer Geheimdienste so weit vorangeschritten ist, dass es quasi keine nichtöffentlichen Gruppen bei Facebook oder sonstwo mehr gibt oder aber die Geheimdienste inzwischen ein so umfassendes Spitzelnetz aufgebaut haben, dass auch in nichtöffentlichen Gruppen - die ja ein gleiches Ansinnen verbindet - nichts mehr geheim ist, weil genügend Zuträger installiert sind.

Zum anderen steht die Frage, wie denn den Beschuldigten vorgeworfen werden kann, dass sie öffentlich Hass schürten (Grundlage für § 86a und 130), wenn dies in einer nichtöffentlichen Gruppe geschieht. Nach dieser Logik kann mich also z. B. jede abfällige Äußerung über die deutsche Kanzlerin, die ich vertraulich bei einem Kneipengespräch nur gegenüber einem Freund mache, wegen Volksverhetzung oder Majestätsbeleidigung vor Gericht bringen. Alleinige Voraussetzung ist, dass sich ein Denunziant findet, der mitgehört hat. Dann sind wir wieder da, wo wir 1933 in Deutschland und nach 1945 in der DDR waren. Schöne Aussichten, doch offensichtlich stört es keinen.

A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Heiko_Maas_Berlin_2015-08-29.jpg

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