Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 meinten viele, jetzt würde ein Zeitalter des Friedens anbrechen. Man sprach gar vom „Ende der Geschichte“. Welche Täuschung. Diese Chance hat man kläglich vergeben, vor allem weil in den USA weiter in den Kategorien des Kalten Krieges gedacht wurde und wird.
Dort sah man 1990 eine gewaltige Chance: Und zugleich eine große Gefahr dieses neuen Zeitalters. Die Chance, die man unbedingt beim Schopfe packen wollte, war künftig die einzige Weltmacht zu sein. Die ganze Welt könnte künftig allein nach der Pfeife der USA tanzen. Welch berauschende Vorstellung. Zugleich sah man aber eine Gefahr: Ein geeintes Europa, das in gutem Einvernehmen mit Russland lebt und mit ihm Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil pflegt. Auf der einen Seite Geld und Know-how, auf der anderen Seite billige Rohstoffe in Hülle und Fülle und auch einiges an Know-how, z. B. in der Raumfahrt- und Militärtechnik.
Nachdem man den Russen 1990 im Zuge von deren Zustimmung zur deutschen Einheit und des Truppenabzuges der Russen aus Ostdeutschland und Osteuropa noch versprochen hatte, auf eine Ostausdehnung der NATO zu verzichten, taten die USA schon bald alles, um einen Keil zwischen Russland und Europa zu treiben. Statt ein neues, den USA durchaus ebenbürtiges Machtzentrum entstehen zu lassen, ging es den Amerikanern vielmehr darum, die EU als auch Russland entscheidend zu schwächen. So forcierten die USA sowohl die Osterweiterung der NATO, die Russland nur als Wortbruch und Gefahr betrachten konnte, als auch den Nationalismus in Osteuropa. Schikanen gegen die russischstämmige Bevölkerung in den baltischen Staaten wurden von den USA mit Wohlwollen gesehen und nicht verurteilt. Als wirklicher Keil zwischen Russland und Europa taugten die drei Zwergstaaten jedoch kaum, dazu waren sie zu unbedeutend und bevölkerungsschwach. Hier hatte man sich vor allem auf die Ukraine fokussiert. Ein Land, das sowohl von der Fläche, wie von der Bevölkerungszahl für die Pläne der USA geradezu ideal war. Ein Geheimnis aus diesen Plänen hat man nicht gemacht. Sie sind z. B. bei Zbigniew Brzezinski, US-Sicherheitsberater von Jimmy Carter, in „Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ nachzulesen.
Am Ziel meinte man 2013/14 mit dem von den USA inszenierten und finanzierten Regimechange gegen die Regierung Janukowitsch und den Ereignissen auf dem Maidan zu sein. Man tat alles, um die Russen in dieser Situation zu provozieren, indem man z. B. die Beteiligung des Westens an den Ereignissen kaum verheimlichte und westliche Regierungsvertreter wie Victoria Nuland („Fuck the EU“) oder der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle ganz offen auf dem Maidan Präsenz zeigten.
Russland hatte zwei Optionen: Entweder still halten und die Repressionen gegen die russische Bevölkerungsmehrheit auf der Krim und im Osten der Ukraine hinnehmen. In diesem Fall, wäre es dem Westen schwerer gefallen Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Aber man hätte binnen von vielleicht maximal zwei Jahrzehnten NATO-Raketen womöglich mit Atomsprengköpfen im Osten der Ukraine gehabt, nur einige hundert Kilometer von Moskau entfernt. Erinnert sei daran, dass, als die Russen (als Antwort auf NATO-Raketen in der Türkei) auf Kuba Raketen stationierten, die USA das gar nicht lustig fanden und die Welt am Rande eines atomaren Konflikts der beiden Weltmächte stand. Die andere Option war militärisch einzugreifen. Die Russen taten dies vorerst halbherzig mit der Rückgliederung der Krim, die, mit deutlicher Mehrheit von Russen bewohnt, bis 1954 immer Teil Russlands gewesen war.
Über die Gründe, warum die Russen am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierten und was sie sich davon versprachen, kann nur spekuliert werden. Die USA waren mit diesem Einmarsch aber scheinbar vollends am Ziel ihrer Wünsche. Der Keil zwischen Europa und Russland war endgültig eingetrieben, Europa in neuer Abhängigkeit von den USA, auch wirtschaftlich, und die Russen, so dachte man, würden in wenigen Monaten durch die Sanktionen wirtschaftlich am Boden sein und kollabieren.
Abgesehen davon, dass die USA ohne Zweifel von diesem Krieg profitieren, u. a. durch den Verkauf von Frackinggas und Rüstungsgütern, zeigt sich aber auch hier wieder einmal, dass US-Außenpolitik nicht nur äußerst aggressiv, sondern auch kurzsichtig ist (Vietnam, Afghanistan, Irak, Libyen). Denn indem man alle Lösungsvorschläge Russlands vor dem Februar 2022 hintertrieben und allein auf einen möglichen Krieg gesetzt hat, befindet man sich nun in einem Dilemma. Führt dieser Krieg nicht bald zu einem Erfolg der Ukraine und des Westens, könnten viele Länder der Welt dies als eine Schwäche der USA interpretieren, als der Anfang vom Ende von deren Hegemonie. Es könnten sich - und das geschieht schon - neue Allianzen bilden. Es könnte die Abhängigkeit vom Dollar verringert werden, der von den USA immer auch als Druckmittel eingesetzt wird. Mit dem Keil, den man nun zwischen Russland und Europa getrieben hat, hat man zudem die weitere Annährung Russlands an China gefördert, ein Land, das die USA als Billiglohnland lange unterschätzt haben, aber man hat auch eine notgedrungene Annährung Russlands an den Iran erreicht, die es sonst so nicht gegeben hätte.
Die USA sind nun ohne Gesichtsverlust nicht nur gezwungen, den Krieg in der Ukraine weiterzuführen mit immer mehr Waffen (von der EU bezahlt) - nach den Panzern werden deshalb ganz sicher bald auch Kampfflugzeuge und Raketen kommen - sie werden sich auch einer anderen Gefahr bewusst. Während in der Ukraine Selenskyi als treuer Gefolgsmann der USA weiter gegen Russland kämpfen lässt und koste es Millionen Ukrainer das Leben - einen Frieden darf es nicht geben - werden sich die USA noch stärker um den Iran „kümmern“ müssen. Die große Angst der USA ist nämlich, dass Russland über den Iran Zugang zum Persischen Golf gewinnt.
So läuft im Iran nun schon seit Monaten das von den USA gesteuerte - da sollte man sich keine Illusionen machen - Projekt Maidan2, also die vorgeblichen Demonstrationen für Frauenrechte, deren wahres Ziel es jedoch ist, die iranische Regierung zu schwächen bzw. zu stürzen. Oder hat man schon mal erlebt, dass sich die USA mit der gleichen Vehemenz für die Frauenrechte in Saudi-Arabien oder Katar einsetzen, ihren (Noch)Verbündeten? Da die Demonstrationen bislang nicht zum Ziel geführt haben, wird jetzt der Ton gegen Iran verschärft. Erste Drohnenangriffe - wie bei der Zerstörung von Nordstream ist auch hier der Täter seltsamerweise unbekannt - hat es gegeben, und es ist womöglich nur noch eine Frage der Zeit, bis die USA den Iran so wie 2003 den Irak angreifen. Werden wir das dann auch als Angriffskrieg brandmarken? Aber nein, denn „Gründe“ wird man uns mannigfach liefern. Dieser Krieg wird aber weniger ein Krieg gegen den Iran als vielmehr ein Krieg gegen Russland sein und er hat das Zeug, gemeinsam mit der Lieferung von Kampfflugzeugen und Langstreckenraketen an die Ukraine einen Dritten Weltkrieg zu entfachen. Man darf leider davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Deutschen wie der Westeuropäer den USA mit lautem Hurra in diesen Krieg folgen werden. Dann „erleben“ wir nun wirklich das „Ende der Geschichte“.
pixabay/fotshot hhttps://pixabay.com/photos/tank-war-battlefield-army-shells-449772/