Es ist ein eigen Ding mit der Kunst. Sie erschließt sich oft nicht jedem. Und im Prinzip will sie das auch nicht. Denn wenn jeder sie verstünde, wäre sie doch irgendwie ordinär. Und Kunst will vieles sein, aber nicht ordinär. Kunst und besonders der Künstler, sie wollen vor allem gut sein, also sagen wir mal besser, für das Gute sein. Und in diesem Fall kann Kunst auch banal, wir wollen nicht sagen schlecht sein. Also bei gut gemeinter Kunst, auch wenn es mit dem künstlerischen Anspruch streng genommen nicht weit her ist, drücken wir schon mal die Augen zu, z. B. bei Kunst für den Weltfrieden, sozusagen Weltfriedenskunst. Am besten Weltfriedenskunst für Weltoffenheit, gegen Rechts und Hass und Diktatoren und gegen den Klimawandel und die Gentechnik und für den Erhalt der Feldhamster, zum Beispiel.
Apropos Beispiel: Ein gutes Beispiel für diese hohe Form der Kunst wurde im Februar in Dresden installiert. Also eine Installation sozusagen. Das Rezept - man nehme drei ausrangierte Busse, stelle sie hochkant vor die Frauenkirche, darf in diesem Fall auch gern ein wenig Öl auslaufen, und schon ist das Mahnmal gegen den Krieg fertig. Eine tolle Sache, was da der deutsch-syrische Künstler Manaf Halbouni zuwege gebracht hat. So geriet auch der sächsische SPD-Chef Dulig ins Schwärmen. Das Monument sei ein "Hoffnungszeichen", eine "Friedensbotschaft", wer nicht dieser Meinung sei, wolle nur "Hass säen". Ja, der schlimme Hass, er findet sich heute scheinbar überall. Das ist nicht fein. Inspiriert wurde der Bus-Künstler übrigens von einem Foto aus Aleppo. Da wurden drei Busse als Straßensperre und Schutz gegen Heckenschützen errichtet. Dumm nur, dass es offensichtlich eine ziemlich militante Miliz war, die die Busse in Aleppo aufstellte. Das muss selbst Bild zugeben. Doch Schwamm drüber, über solche Petitessen sollte man nicht streiten.
Das sagten sich auch die Berliner, die die Busse nun nach Berlin holten, um sie dort ebenfalls als Mahnmal zu installieren. Und besonders nett, die Bundeswehr übernimmt den Transport. Ein bisschen warten müssen die Berliner jedoch noch, bis sie das Kunstwerk besichtigen können. Es soll dort erst ab November zu sehen sein. Aber immerhin, das ist gerade noch rechtzeitig zum Jahrestag des Anschlags des islamistischen Attentäters Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche, der 12 Menschen das Leben kostete und 50 verletzte. So können die Berliner denn ab November darüber sinnieren, was ihnen der Künstler damit sagen will. Drei aufrecht stehende Busse in ihrer Ursprungsversion von islamistischen Kämpfern in Aleppo errichtet, mahnen nun zum Frieden in einer Stadt in der ein islamistischer Attentäter mit einem LKW ein Dutzend Menschen tötete. Ich das nicht eine wunderschöne Form spezifisch deutschen Gedenkens? Hätte man aber nicht vielleicht besser drei LKW nehmen sollen? Aber nein. Das ist ein zu verwegener Gedanke und könnte womöglich den Hass beflügeln, den wir so ächten. Und den Anschlag in Berlin sollten wir besser schnell vergessen. So wie die Probleme des polnischen Spediteurs, dessen LKW die deutschen Behörden noch immer gründlich untersuchen. Was man bei Amri versäumte, wird nun beim LKW halt nachgeholt. Dumm nur, dass der Spediteur ohne LKW und Entschädigung dabei auf der Strecke bleibt. Aber - Opfer müssen gebracht werden.
Opfer und Berlin, das ist ein gutes Stichwort. Ist es nicht rührend, wie die Berliner der Opfer der islamistischen Anschläge z. B. von Paris und London gedachten, indem sie das Brandenburger Tor in den Landesfarben Frankreichs und Großbritanniens illuminierten? Im Falle des Anschlages von St. Petersburg hat man sich das in Berlin jedoch gespart. Schließlich sei St. Petersburg keine Partnerstadt von Berlin und es gebe auch sonst kaum Verbindungen zwischen den beiden Städten, so der pfiffige Regierende Bürgermeister Müller. Nun, auch ich finde, gewisse Unterschiede müssen schon gemacht werden: Bei Bussen und ihrer Deutung, in der Kunst und natürlich bei Opfern. Wer freiwillig in Putin-Russland lebt, ist selber dran schuld und irgendwie nur ein Opfer zweiter Klasse, auf das wir unser Licht nicht fallen lassen können. Hoch lebe die Kunst!