Fuck the Russian natural gas – Mit der Leopoldina in eine glorreiche Zukunft!

Kürzlich hat der deutsche Bundespräsident die wegen vierfachen Mordes verurteilte Linksterroristin Gudrun Ensslin als eine bedeutende Frau der Weltgeschichte gewürdigt. Als es etwas irritierte Nachfragen gab, ruderte das Bundespräsidialamt zurück. Angesichts dieser kleinen, nichtsdestotrotz beispielhaften Episode: Haben Sie sich auch schon mal gefragt, auf welcher Basis Politiker ihre Entscheidungen treffen? Nun, wir wissen ja, dass in der Politik seit geraumer Zeit nicht die hellsten Kerzen auf der Torte leuchten. Wo aber die intellektuelle Not am größten ist, muss professionelle Hilfe her. Politikberatung nennt sich das. Wer sind solche Politikberater? Zum Beispiel die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale (Oh Gott, geht das denn noch?) Akademie der Wissenschaften, so der etwas sperrige Titel.

Allerdings weiß man spätestens seit Corona, dass die Leopoldina ihre Aufgabe vor allem darin sieht, der Politik zu Willen zu sein und nur zu gern manche geradezu grotesk anmutende Entscheidung der Politik (schein)wissenschaftlich untermauert. Nun haben die Damen und Herren Wissenschaftler vor dem Hintergrund des Ukrainekonflikts der deutschen Politik zur Sicherung der Energieversorgung wichtige Hinweise gegeben. Natürlich wollen sie an der Spitze marschieren und dem bösen Russen – zumindest solange er nicht vor ihrer Tür steht – die Zähne zeigen. So sieht, man höre und staune, die Leopoldina null Problem darin, auf russisches Gas und Öl zu verzichten. Machbar, so ihre Einschätzung. Dazu hat sie eine ihrer berühmt-berüchtigten Ad-hoc-Stellungnamen veröffentlicht und diese strotzt geradezu von „Kompetenz“. Empfindlichere Gemüter, die noch einen gewissen Glauben an „Wissenschaftler“ hegen, sollten nun besser nicht weiterlesen.

Ganz wichtig für die Leopoldina: Der Kohleausstieg 2030 darf nicht in Frage stehen, lässt sie verkünden. Kohleausstieg 2030? Vielleicht sollte man die ProfessorI*#nnen (wir wollen mit der Zeit gehen) einmal darauf hinweisen, dass es einen Kohleausstieg 2030 nicht gibt. Das Kohleausstiegsgesetz vom 8. August 2020, welches immer noch die gesetzliche Grundlage bildet, schreibt den Ausstieg für das Jahr 2038 fest. Die sich hochweise gebende Leopoldina glänzt (nicht nur) hier also mit Nichtwissen. Aber vielleicht meint sie auch nur, sich nicht an Recht und Gesetz halten zu müssen. Das wäre nichts neues im „besten Deutschland aller Zeiten“.

Aber es geht weiter mit dem Fabulieren. Man empfiehlt u. a. die Gasspeicher zu befüllen. Grandios, darauf, die Gasspeicher vor dem Winter zu befüllen, wäre sonst gewiss niemand gekommen. Da braucht es schon wissenschaftlichen Sachverstand. Und wenn alle Speicher prall gefüllt wären, würde das Gas sogar maximal drei Monate reichen, im Schnitt, im Sommer länger, aber im Winter leider kaum zwei Monate.

Überhaupt wimmelt es in der Stellungnahme nur so von genialen Vorschlägen: Ersatz des russischen Erdgases bei der Stromerzeugung? Kein Problem, wir bauen einfach 40% der bisher installierten Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien hinzu. Kleines Beispiel – Leopoldina-Expertix aufgepasst: Ende 2020 gab es in Deutschland genau 29.608 Windkraftanlagen. 2021 kamen 480 Anlagen hinzu. Anschaulicher wird es, wenn man die installierte Leistung betrachtet. Diese betrug Ende 2021 65.000 MW. Davon sind 2021 nur 1.700 MW neu hinzugekommen, weil auch alte Anlagen rückgebaut wurden. Wenn hier mal schnell 40% hinzugebaut werden sollen, dann wären das 26.000 MW, den Wegfall alter Anlagen noch nicht einmal eingerechnet. Beim derzeitigen Ausbautempo bräuchte man dafür - optimistisch betrachtet - mehr als 15 Jahre. Nun, so lange können wir gewiss kräftig Stromsparen. Kann doch kein Problem sein.

Sollte man die Damen und Herren von der Leopoldina noch darauf hinweisen, das installierte Leistung nicht gleichzusetzen ist mit Leistung, die auch anliegt? Sollte man sie darauf hinweisen, dass aus Erdgas immer Strom gewonnen werden kann, dass Windstrom aber nicht bei Schwachwind und Solarstrom nicht in der Nacht gewonnen werden kann? Lassen wir das besser, sie würden es nicht verstehen.

Russisches Erdgas, das als Heizgas oder als Prozessgas in der chemischen Industrie benötigt wird, will die Leopoldina u. a. durch mehr Flüssiggasimporte ersetzen. Der Markt ist dicht, das Gas zum größten Teil Frackinggas (waren die Grünen da nicht mal entsetzt?) und es fehlt bislang an Infrastruktur und Kapazitäten. Darüber hinaus wird auf Wasserstoffimporte und die Produktion von „grünem Wasserstoff“ gesetzt. Zeithorizont der Leopoldina-Geistesgrößen, zwei bis zehn Jahre. Schauen wir auch hier: Für Prozesswärme und die Heizung von Industriegebäuden, aber auch privaten Wohnungen, werden in Deutschland jährlich rund 573 TWh benötigt, davon kommen 300 TWh aus Russland. Wieviel grünen Wasserstoff produzieren wir derzeit industriell? Keinen! Es gibt bislang nur Forschungsanlagen und die produzieren drei Mal so teuer wie Anlagen, die aus Erdgas Wasserstoff gewinnen. Zudem: Was braucht man in Mengen, um grünen Wasserstoff zu produzieren? Genau, Strom. Und der soll ja künftig nur noch aus Windkraft und Photovoltaik gewonnen werden. Sie erinnern sich? Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie, Ausstieg aus der Kohle und auch kein Gas vom Russen mehr. Was heißt, dass die 40% Zubau bei den regenerativen Energien, sorry Leopoldina, nicht ansatzweise ausreichen.

Fazit: Nur für Zyniker ist es ein Vergnügen zuzusehen, wie die geballte Kompetenz in Politik und „Wissenschaft“ an der Zukunft Deutschlands werkelt. Also, liebe Leute, zieht Euch schon mal warm an. Und lasst Euch von Oma das Stricken beibringen. Das ist mal eine reelle Zukunftsplanung.

ri 3 Bilder / pixabay https://pixabay.com/de/photos/heizk%c3%b6rper-heizung-flachheizk%c3%b6rper-250558/

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