Es gibt etwas, das mich besonders auf die Palme bringt: Wenn jemand meint, mich für dumm verkaufen - oder sollte ich besser sagen - dopen zu können. Dies ist derzeit ohne Zweifel der Fall. Es geht um den Ausschluss russischer Athleten von den Olympischen Spielen. Nicht, dass die mich sonderlich interessieren würden. Weder die Spiele, noch die russischen Athleten. Aber ich kann eins und eins zusammenzählen. Wir haben Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Wir wollen den Russen die Fußball-WM 2018 wegnehmen und jetzt sollen russische Sportler von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden und zwar alle, unabhängig davon, ob sie gedopt haben und ihnen dies nachgewiesen wurde oder ob sie völlig unbescholten sind. Ist Sippenhaft jetzt das Rechtsprinzip unserer Demokratie?
Ich habe mir die Mühe gemacht und im Netz nach wirklichen Beweisen für russisches Doping gesucht. Es gibt da nichts außer den Aussagen des ehemaligen Leiters eines russischen Dopinglabors, der sich in die USA abgesetzt hat oder einer Sportlerin, die gleiches getan hat. Es gibt ein paar zweifelhafte Tonbandaufnahmen, auf denen angeblich russische Sportler über ihr Doping reden. Nichts wirklich brauchbares. Ist das alles als Beweis nicht etwas dürftig? Anfang 2016 werden eine russische Tennisspielerin und einige andere russische Athleten positiv auf Meldonium getestet. Nicht erwähnt wird jedoch, dass diese Substanz bis Ende 2015 noch zulässig war. Hier kann man von Dummheit oder Nachlässigkeit sprechen, aber das soll Doping sein?
Fest steht, die Enthüllungen über russisches Doping beginnen genau mit dem Beginn des Ukraine-Konflikts. Früher hat das offenbar keine Sau interessiert. Ich will damit nicht sagen, dass in Russland nicht gedopt wurde oder noch wird, aber bitte, wo wird das im Leistungssport nicht getan? In manchen Ländern geschieht das weniger intensiv, in anderen stärker. Die USA gehören ohne Zweifel zu den Ländern mit besonders intensivem Doping. Erinnert sei etwa an Lance Armstrong oder die US-Superleichtathletin Marion Jones. Oder schauen wir auf Deutschland. 1987 starb die Mehrkämpferin Brigit Dressel an einem Dopingcocktail. Der deutsche Doping-Papst Armin Klümper hatte ihr in den 16 Monaten zuvor 400 Spritzen gesetzt. Unserem Saubermann Dieter Baumann dagegen hat man 1999 das Dopingmittel in die Zahnpasta getan. Alles klar.
Interessant ein Bericht des Spiegel aus dem Jahr 2001 über systematisches Doping in den USA. Hätte man damals die gleichen Maßstäbe angelegt wie jetzt an die Russen, hätten US-Sportler bei Olympia 2004 in Athen nicht antreten dürfen. Und irgendwie sollte doch wohl gleiches Recht für alle gelten, oder? Ach ja, und damit sind wir bei etwas, was mich noch auf die Palme bringt: Wenn mit unterschiedlich Maß gemessen wird.