Manchmal ist der Blick zurück in die Geschichte ebenso erstaunlich wie amüsant. Kennen Sie Kleist? Ein ebenso genialer wie schwärmerisch-schwermütiger Autor zwischen Klassik und Romantik, der – im wahrsten Sinne des Wortes – mit einem lauten Knall von der Bühne dieser Welt abtrat: Er erschoss erst seine Geliebte, dann sich, mit nur 34 Jahren.
Wenige Jahre zuvor hat er einen sehr interessanten Aufsatz geschrieben; „Lehrbuch der französischen Journalistik“. Dort findet man folgenden bemerkenswerten Satz: „Die französische Journalistik ist die Kunst, das Volk glauben zu machen, was die Regierung für gut findet.“ Die obersten Grundsätze seien: "Was das Volk nicht weiß, macht das Volk nicht heiß." Sowie "Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr."
Mir scheint, die deutschen Journalisten sind gute Franzosen. Die Flüchtlingskrise hat dies mehr als deutlich werden lassen. Sie standen aber auch vor einem Dilemma. Da kommen mehr als eine Million Moslems ins Land. Und das innerhalb eines Jahres. Dies kann nicht ohne Probleme abgehen. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass hier ganz unterschiedliche Kulturen aufeinander prallen. Dennoch muss es so aussehen, als ob es keine Probleme gäbe, weil sonst die Willkommenskultur in Gefahr gerät. Also muss gegen die Versuchung des gemeinen Volkes angeschrieben werden. Schließlich muss unterstützt werden, was unsere Regierung in Gestalt unserer Kanzlerin gut findet.
Zuerst hat man nach dem kleistschen Grundsatz Nummer Eins gehandelt: „Was das Volk nicht weiß, macht das Volk nicht heiß.“ Soll heißen – über Straftaten von Ausländern zu berichten, verwirrt das Volk nur, bringt es vom rechten oder sagen wir besser linken Weg ab. Also hat man solche Nachrichten besser nicht gebracht in der Hoffnung, dass niemand es merkt. Oder man hat kurz berichtet, aber weder Ross noch Reiter genannt. Hilfreich war dabei der Pressekodex des Deutschen Presserates. Dort ist in der Richtlinie 12.1 formuliert, dass die Nationalität oder Herkunft von Straftätern nur genannt werden soll, wenn "für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."
Auch bei den Geschehnissen in der Silvesternacht in Köln wollte man so verfahren. Angesichts des schieren Ausmaßes des Geschehens konnte diese Taktik allerdings nicht mehr aufgehen. Ärgerlich, sehr, sehr ärgerlich, wenn einem das Handeln nach Lehrbuch so schwer gemacht wird.
Man ist danach zumindest ein wenig von der reinen Lehre abgewichen, doch im Grundsatz gibt es kein Wanken. So hat denn der Deutsche Presserat trotz Kritik das Festhalten an der Praxis nach 12.1 gerade erst wieder bestätigt.
Doch ohnehin scheinen sich die deutschen Medien nunmehr auf Grundsatz Zwei aus der kleistschen Abhandlung besonnen zu haben. "Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr." So werden wir nun schon seit Wochen und Monaten mit Wohl- und Rettungstaten unserer neuen Mitbürger geradezu bombardiert. Es kann in Deutschland praktisch kein Unglück mehr geschehen, keine Not mehr eintreten, kein Hilfegesuch gestellt werden, ohne dass nicht sofort ein Flüchtling bereit steht und alles wieder ins Lot bringt. Superman ist eine Null gegen Flüchtlingsman und Flüchtlingswoman.
Da retten Flüchtlinge einen NPD-Funktionär nach einem Autounfall. Sie retten die Feuerwehr vor der Vergreisung. Sie retten unsere Rente. Sie retten alte Omis und ganze Dörfer. Sie finden Geldbörsen und bringen diese zurück. Sie helfen in Altenheimen und bei Ausgrabungen. Schon toll. Gerade bei den gefundenen Geldbörsen gibt es geradezu eine wahre Invasion der Ehrlichkeit von Papenburg über Düsseldorf bis Landau.
Wie konnten wir nur die ganzen Jahre in Deutschland ohne diese Hilfe, die uns nun zuteil wird, überleben? Ich glaube, Grundsatz Nummer Zwei zeigt auch bei mir langsam Wirkung. Dennoch bin ich irgendwie irritiert. Was ist denn eigentlich mit der Richtlinie 12.1 aus dem Pressekodex? Gilt die in diesem Fall nicht? Hier wird schon erwähnt, dass es Syrer, Afghanen oder Iraker waren, die geholfen haben. Bei Straftaten sollte man die Nationalität aber besser doch unterschlagen? Hab ich das richtig verstanden?
Nun, ich werde mich wohl noch ein wenig mit dem Lehrbuch der deutschen Journalistik beschäftigen müssen und mit dem Pressekodex des Deutschen Presserates. Es ist halt noch kein Meister vom Himmel gefallen, wenn es darum geht zu vermitteln, was die Regierung gut findet.