Ja, es gibt einen ganz, ganz schlimmen "Rechtsruck" in Deutschland. Man kann kaum noch eine Zeitung aufschlagen oder eine Internetseite öffnen, schon begegnet er einem, der "Rechtsruck" und natürlich Aufrufe, diesem entschieden entgegenzutreten. Mal ist es einfach nur die nachdrückliche Bitte, dass z. B. endlich auch die Profifußballer gegen "rechts" kicken - vielleicht sollte man da vor allem die Linksfüßer ansprechen, das wäre überzeugend. Mal ist es eine passgenaue Anleitung zur Denunziation beim Arbeitgeber. Hätte das doch der Genosse Mielke noch erleben können, er wäre begeistert gewesen. Mal wird freilich auch übers Ziel hinaus geschossen, doch das sind Kollateralschäden, die im Kampf gegen den "Rechtsruck" einfach ausgehalten werden müssen.
Doch gehen wir dem "Rechtsruck" einmal auf den Grund. Wo ist er zu greifen? Vielleicht anhand von Sätzen wie diesen? "Zusammengehörigkeitsgefühl und ein aufgeklärter Patriotismus, also ein positives Verhältnis zur Nation, sind eine Grundlage, auf die für die gemeinsame Gestaltung einer guten Zukunft nicht verzichtet werden kann... Die Zuwanderung erfolgte ... überwiegend nicht in Arbeitsplätze, sondern in die sozialen Sicherungssysteme ... Deutschland muss Zuwanderung stärker steuern und begrenzen als bisher. Zuwanderung kann kein Ausweg aus den demografischen Veränderungen in Deutschland sein. Wir erteilen einer Ausweitung der Zuwanderung aus Drittstaaten eine klare Absage, denn sie würde die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft überfordern... Wir wollen Zuwanderungsanreize für nicht anerkennungsfähige Asylbewerber weiter einschränken."
Wirklich schlimm, ganz, ganz schlimm, was die CDU da 2002 in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl formuliert hat. Oder ein Satz wie: "Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein bei ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: Raus, und zwar schnell." Aber nein, das war ja bereits 1997 der Kanzlerkandidat der SPD, Gerhard Schröder.
Ja, es hat wirklich einen Ruck in Deutschland gegeben. Denn, was die CDU heute in ihren Programmen schreibt, klingt völlig anders, als das, was noch vor gut einem Jahrzehnt formuliert wurde. Und das nicht nur im Hinblick auf die Asylpolitik. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass eine Mehrheit der Deutschen die CDU heute als linke Partei wahrnimmt.
Und wer den Talk bei Anne Will im Nachgang zu den Landtagswahlen gesehen hat, der konnte sich nur wundern, wie sich Ursula von der Leyen über das gute Abschneiden der SPD in Rheinland-Pfalz und der Grünen in Baden-Württemberg gefreut hat und dies als Bestätigung der Politik Angela Merkels interpretiert hat. Da scheint es kaum noch Unterschiede zu geben.
Eigentlich sind CDU, SPD und Grüne längst eine große deutsche Einheitspartei. Wenn aber alles nach links rückt, ist rechts Platz. Wer kennt nicht das alte Kinderspiel: "Mein rechter, rechter Platz ist leer, ich wünsche mir...". So hat sich denn ein nicht unbedeutender Teil der Deutschen die AfD auf den rechten Platz gewünscht. Und damit ist es auch Zeit, mit einem Missverständnis aufzuräumen. Es hat keinen "Rechtsruck" gegeben. Die AfD hat nur den Platz eingenommen, den die CDU einst inne hatte. Und das ist für das Funktionieren der Demokratie nicht schlecht, sondern unabdingbar.
Stellen wir uns die Demokratie und Deutschland einmal - wie könnte es anders sein - als Biertischgarnitur vor mit langen Holzbänken. Wenn man da auf der Bank immer weiter und weiter nach einer Seite, sagen wir mal nach links, rutscht und in der Mitte und rechts ist niemand mehr, kommt alles ins Kippen und man fällt ordentlich auf die Nase. Wenn also die etablierten Parteien sich - aus welchen Gründen auch immer - dazu entschlossen haben, immer weiter an den äußeren linken Rand zu rutschen, so ist es vielleicht gut, wenn ein klein wenig rechts der Mitte auch noch jemand sitzt, damit wir nicht alle, auch die CDU, eines Tages am Boden liegen.