Es reicht nicht aus, Kriege zu verurteilen, man muss auch versuchen zu verstehen, warum es zu Kriegen kommt, welche Fehler im Vorfeld gemacht wurden. Eine Aufgabe, an der Politiker und Historiker, das zeigt die Geschichte, zu 90% scheitern. So auch im aktuellen Ukrainekrieg. Putin und die Russen, das sind blutrünstige Monster, die nach der Weltherrschaft streben. So einfach ist die Erklärung, die fast jeden bei uns zufriedenstellt. Wenn jemand wie Altkanzler Schröder auf die Fehler des Westens im Vorfeld des Krieges hinweist, so ist das nur ein weiterer Grund, ihn aus der SPD auszuschließen. Basta.
Natürlich ist der Krieg in der Ukraine zu verurteilen, wie unzählige Kriege zuvor. Und natürlich muss man sich fragen, was Putin mit diesem Krieg erreichen will, in dem er und Russland nur verlieren können. Jedoch nicht nur er.
Es soll hier nicht um die Ursachen des Krieges gehen, sondern um seine Folgen, daher nur eine Anmerkung. In Deutschland widmet sich die Politik mit großer Begeisterung dem durchaus löblichen Schutz von Minderheiten. So spricht im Osten Brandenburgs und Sachsens zwar kaum noch jemand sorbisch. Die sorbische Sprache wird aber staatlicherseits mit wahrer Innbrunst gepflegt und so müssen z. B. die Ortschilder von Bautzen oder Lübbenau selbstverständlich auch den sorbischen Ortsnamen tragen.
In den von Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unabhängigen Gebieten hat man dagegen die Rechte der russischstämmigen Bevölkerung massiv eingeschränkt, im Baltikum z. B. und besonders in der Ukraine. Dort soll selbst in Gebieten mit mehrheitlich russischer Bevölkerung russisch keine offizielle Sprache mehr sein. Dies alles mit ausdrücklicher Billigung der USA und der in ihrem Fahrwasser schwimmenden EU. Sehr schön hat dies die FAZ analysiert, noch kann man den Beitrag lesen. Hier wurde - neben anderen - ein Grundstein für den Konflikt um die Krim und die Ostukraine gelegt. Was sonst bei uns als Idealbild gepflegt wird, eine buntes Miteinander verschiedener Völker unter einem Dach mit gleichen Rechten und Pflichten für alle, das durfte für die Russen in der Ukraine nicht gelten. Welche Scheinheiligkeit westlicher Politik.
Nun haben wir einen sinnlosen Krieg in der Ukraine, der (fast) niemandem nutzt. Es ist nicht zu erkennen, was Putin glaubt, mit diesem Krieg gewinnen zu können. Natürlich war es Bestreben der USA und der ihr treu ergebenen EU, die Ukraine zu einem starken Gegenspieler Russlands aufzubauen, mit der perspektivischen Aufnahme in NATO und EU, mit Hochrüstung und der Aufstellung von Raketen, die natürlich nur der Verteidigung dienen sollen. Und selbstverständlich ging es den USA darum, Russland nachhaltig zu schwächen, um ein weiteres wirtschaftliches Erstarken des Landes und eine stärkere Anbindung an die EU zum gegenseitigen Vorteil beider zu verhindern. Und gewiss war es das Ziel der USA ebenso wie der Ukraine, Krim und Donbass einmal militärisch zurückzugewinnen.
Womöglich glaubte Putin all dem mit seinem Einmarsch in die Ukraine einen Riegel vorzuschieben. Doch das ist eine Milchmädchenrechnung. Um die Ukraine zu einem Puffer zwischen der NATO und Russland zu machen, müsste er sie komplett besetzen. Das wird ihm kaum gelingen, zudem er das Land dann auch kontrollieren müsste. Das ist kaum zu bewerkstelligen. Friedensverhandlungen mit einem im Ergebnis neutralen Status der Ukraine sind ebenso unrealistisch. Abgesehen davon, dass die USA an einem schnellen Frieden ganz bestimmt nicht interessiert sind, nach einem Rückzug der russischen Truppen würde die sofortige und nachdrücklichere Bewaffnung der Ukraine durch den Westen beginnen und die Sanktionen des Westens gegen Russland würden ohne jeden Zweifel auch nach einem Frieden weiterbestehen. Schließlich geht es weniger um Frieden, sondern vor allem um wirtschaftliche Interessen (der USA).
So ist leider kein wirkliches Ende des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine in Sicht. Selbst wenn es zu einem Friedensschluss kommen sollte, sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf Jahrzehnte zerstört. Eine vom Westen massiv aufgerüstete Ukraine würde zudem nun erst recht das Ziel haben, Donbass und Krim zurückzugewinnen. Und niemand im Westen, schon gar nicht die USA, würde die Ukraine von einem Marsch auf die Krim abhalten. Dann, jede Wette, spielten auch zivile Opfer, da Russen, keine Rolle.
Putin hat sich mit seinem Krieg also in eine schlechte Lage gebracht. Was er als Präventivschlag ansah, wird sich für ihn zum Bumerang erweisen. Hätte eine militärisch aufgerüstete Ukraine, so wie vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj postuliert, in einigen Jahren versucht, die Krim zurückzugewinnen, wie soll das anders gehen als militärisch, hätte es schon einiger Verrenkungen des Westens bedurft, um dies als berechtigten Krieg darzustellen. Nun ist dies eine leichte Übung. Zudem ist nicht auszuschließen, dass sich schon jetzt, auch dank steigender Militärhilfe aus dem Westen, das Blatt wendet. Sollten ukrainische Truppen in den Donbas und auf die Krim vorrücken, gäbe es dort ohne Zweifel Massaker an der russischstämmigen Bevölkerung, die alles, was wir bislang in diesem Krieg gesehen haben, weit in den Schatten stellen. Und ebenso, dazu braucht man kein Prophet sein, würde das dann bei uns im Westen niemanden interessieren. So wenig wie das Verbot Selenskyjs in mehrheitlich russischsprachigen Teilen der Ukraine russisch zu sprechen uns interessiert hat.
Abgesehen vom Potential, dass dieser Krieg weiter eskaliert und zu einem globalen Konflikt wird, wird er für Europa verheerend sein. Nur den USA kommt dieser Konflikt, Putin sei Dank, mehr als gelegen. Die EU, die ohnehin schon jetzt nicht mehr als ein ziemlich willenloses Anhängsel der USA ist, wird noch enger an die Vereinigten Staaten gebunden. Europa kauft dort nun noch mehr Waffen und (Fracking)Gas und Öl zu Fantasiepreisen, ein wahres Konjunkturprogramm für die USA. Auf der anderen Seite muss sich Russland zwangsläufig Richtung China orientieren und wird vom Wohlwollen der Chinesen abhängig sein. Europa wird so vollends zum Spielball der beiden einzigen Weltmächte USA und China. Die Chance von 1990 hat Europa, die EU wie die Russen, kläglich vertan, auch weil man weiter Kalter Krieg spielte. In den USA (und China) lacht man sich kaputt.
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