Das waren noch Zeiten! Wer erinnert sich nicht an die Ausfälle von Herbert Wehner (SPD), wenn er im Bundestag CDU-Abgeordnete mit "Übelkrähe" (Wohlrabe) oder "Hodentöter" (Todenhöfer) titulierte. Gestört hat's damals kaum jemanden. Heute ist das anders. Obwohl da gewisse feine Unterschiede gemacht werden. Wenn Andrea Nahles gegenüber der CDU ankündigt, dass es ab sofort "was auf die Fresse" gibt, dann erregt das immerhin nur leichtes Entsetzen. Ganz im Gegensatz dazu, wenn AfD-Mann Gauland ankündigt, dass er ab sofort Merkel & Co im Bundestag jagen wird. Das hat allgemeines mediales Entsetzen ausgelöst, das schon groteske Züge annahm. Es hätte nicht schlimmer ausfallen können, wenn er die Wiedererrichtung von KZ in Deutschland befürwortet hätte. Das Scheinheilige dabei. Die Regierung jagen zu wollen, ist gängiger Jargon der Opposition, alle habe sich in der Vergangenheit dieser Formulierung bedient, von Linker über SPD und Grüne bis zur CDU und erst recht die Medien. Eine wunderbare Zusammenstellung dazu gibt es hier. Nur bei der AfD wird das Ganze zum Skandal. Da fühlt man sich als denkender Mensch denn doch für dumm verkauft.

Überhaupt - man kann den Eindruck gewinnen, mit dem bevorstehenden Einzug der AfD in den Bundestag kommen Gewaltverbrecher, zumindest aber Aussätzige in das Plenum. Niemand will neben denen sitzen, keiner mit ihnen ein Bier trinken und man kann fast meinen, die anderen Bundestagsabgeordneten wären nun ihres Lebens nicht mehr sicher. Was für ein unterbelichtetes Verständnis von Demokratie tritt da zutage. Was da, auch medial, an Panik verbreitet wird, scheint nur einen Zweck zu haben: Die AfD zu diskreditieren, sie schlimmer zu machen als sie ist. Wenn sie denn überhaupt schlimm ist. Denn von wem momentan eine größere Bedrohung der Demokratie in Deutschland ausgeht, der AfD oder den Wohlmeinenden in den etablierten Parteien und den Medien scheint mir noch nicht klar ausgemacht. Stichwort Netzwerkdurchsetzungsgesetz des Herrn Maas.

So ist man sich denn auch nicht zu schade, im Kampf gegen vermeintliche Ausgrenzung selber kräftig auszugrenzen und zu stigmatisieren. So wie jüngst der Intendant des jährlich mit 8 Mio. € aus Steuermitteln kräftig subventionierten Friedrichstadtpalastes in Berlin. Der erklärte nämlich kurzerhand die AfD-Mitglieder und die bis zu 25% AfD-Wähler im Osten Deutschlands in seinem Haus zu unerwünschten Personen. Auf deren Geld könne er verzichten. Was natürlich die Frage aufwirft, ob AfD-Wähler aus dem Westen weiter sein Etablissement besuchen dürfen und wie er denn die bösen AfD-Wähler aus dem Osten erkennen will, um ihnen das Haus zu verbieten. Sollen die vielleicht demnächst irgendwie offiziell gekennzeichnet werden? Und hatten wir das nicht schon mal in der deutschen Geschichte?

Merken diese Kämpfer gegen eine vermeintliche Ausgrenzung eigentlich, dass sie es sind, die ausgrenzen, stigmatisieren, Demokratie und Freiheit bedrohen? Wahrscheinlich nicht. Denn das zeichnete in der Geschichte alle vermeintlichen Kämpfer für das einzig Gute und Richtige aus, der Zweck heiligte für sie immer schon die Mittel. Und wenn's sein musste, hatten sie auch kein Problem damit, dass Köpfe rollten.

shutterstock/Durch Nomad_Soul

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