Die Zentralmatura - medial, möglicherweise ob der vielen Pannen, omnipräsent.

Doch nicht nur die Pannen sorgten für Schlagzeilen. Oft wurde auch darüber berichtet, dass sowohl LehrerInnen, als auch SchülerInnen, mit der Zentralmatura im Allgemeinen überfordert wären. Einmal waren es die Aufgabenstellungen bei den schriftlichen Klausuren, die die SchülerInnen an den Rand der Verzweiflung brachten, dann sorgte das schlechte Abschneiden bei einer standardisierten Testung für Aufregung.

Das Entsetzen war bei SchülernInnen und LehrerInnen gleichermaßen groß, als die zentrale Reifeprüfung endgültig für beschlossen erklärt wurde.

In der Folgezeit mussten viele LehrerInnen ihren Unterricht von Grund auf neu strukturieren, um die SchülerInnen auf "Zentralmatura-Niveau" zu bringen, nicht selten zum Missfallen der SchülerInnen.

Im Folgenden möchte ich, als Schüler einer fünften Klasse einer Grazer AHS, darüber berichten, was sich für mich persönlich durch das Herannahen der  Zentralmatura am Unterricht geändert hat.

Beginnen möchte ich mit dem Fach Bildnerische Erziehung, wie es an meiner Schule genannt wird. Es wird nicht mehr einfach irgendwie nach Lust und Laune gezeichnet, gemalt, skizziert, sondern nach genauen Vorschriften, in denen es beispielsweise heißt, dass in der neunten Schulstufe unter anderem die römische Kunst durchzunehmen ist. Und so werden im Zeichenunterricht eben römische Aquädukte gezeichnet, unnötig zu erwähnen, dass das Malen mit Acrylfarben und dergleichen keinen Platz mehr im Unterricht hat.

Auch der Geographieunterricht  ist nicht mit jenem der Unterstufe zu vergleichen. Jede Minute, in der der Unterricht nicht mit Geographie zu tun hat, ist, laut meinem Professor, „eine verschwendete Minute”. Auf mündliche Stundenwiederholungen wird gänzlich verzichtet (zu zeitintensiv), stattdessen zwei schriftliche Überprüfungen pro Semester. Für spannende Diskussionen fehlt die Zeit – die Demographie wartet darauf an die Frau und an den Mann gebracht zu werden!

Einen großen Veränderungsprozess machte der Geschichtsunterricht durch: Wir alle liebten die Art des Unterrichtens unserer Geschichtelehrerin. Mit großer Begeisterung erzählte sie uns von allen möglichen Kriegen, Schlachten, Erfindungen und Attentaten. Den neuen Vorschriften wegen diktiert sie die ganze Stunde Aufzuschreibendes, der aktuelle Unterricht ist das exakte Gegenteil zum früheren. Die Lehrerin selbst meint dazu übrigens, dass "die unmenschlichen Stoffenmengen sonst nicht bewältigbar wären". Aber – und da ist sich die ganze Klasse einig – dieser ist definitiv nicht der richtige Weg!

Außerdem kommt die politische Bildung eindeutig zu kurz, obwohl das Fach eigentlich Geschichte und politische Bildung heißt. Die Landtagswahlen in der Steiermark, beispielsweise, wurden fünf Minuten lang thematisiert, wobei es weitaus mehr Klärungsbedarf gegeben hätte.

In den naturwissenschaftlichen Fächern (Biologie, Chemie, Physik) hält sich der Unterschied in Grenzen. Vermehrt kommen Modelle, zum Beispiel ein Skelett, zum Einsatz. Ein Augenmerk wird seit Neuestem auch auf das Interpretieren von Grafiken gelegt.

Die sogenannten Grundkompetenzen spielen im Mathematikunterricht eine viel größere Rolle als zuvor. Dabei steht die Theorie im Vordergrund. Auch die Schularbeiten sind an die Maturaformate angelehnt, was uns optimal auf die Zentralmatura vorbereiten soll.

Die lebenden Fremdsprachen (in meinem Fall Englisch und Französisch) betreffend haben sich vor allem die Formate geändert. Die neue Reifeprüfung zielt darauf ab, Sprachgefühl zu entwickeln, was bei „Sprachverwendung im Kontext” abgeprüft wird. Auf Aufgaben dieser Art werden wir schon jetzt sehr gut eingestellt, sodass wir später damit keine Probleme haben sollten.

Vor Kurzem hatte meine Klasse die Möglichkeit sich an der zentralen Französisch-Matura zu versuchen, wobei besonders positiv war, dass mehr als 60% der SchülerInnen bestanden hätten, wohlgemerkt mit einem Lernrückstand von drei Jahren.

Am Ende des abgelaufenen Jahres wurde kritisiert, dass Literatur im Deutschunterricht, der Zentralmatura wegen, zu kurz käme, was natürlich auch stimmt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die schriftlichen Deutschklausuren die geringsten Probleme bereiten, was auch die Ergebnisse der diesjährigen Matura unterstreichen.

Die DeutschlehrerInnen meiner Schule raten allgemein von einer mündlichen Matura im Fach Deutsch ab, weil, wie auch in vielen anderen Fächern, der Stoffumfang entschieden zu groß ist. Im Gegensatz zu früheren Zeiten können die LehrerInnen den Stoff nicht mehr selbst einschränken, weil alles standardisiert und zentralisiert ist.

Der Druck, dem die LehrerInnen ausgesetzt sind, ist auch für uns SchülerInnen spürbar. Sie haben Angst ihren Job zu verlieren, sollten ihre SchülerInnen schlecht abschneiden. Auffallend ist auch, dass manche LehrerInnen versuchen gute SchülerInnen dafür zu gewinnen in ihrem Fach zu maturieren, wohingegen dieselben schlechteren SchülerInnen davon abraten, was dann mit einer solchen Aussage endet: "Du tritts eh nicht bei mir an, gel?" oder "Versprich mir, dass du nicht in Geographie maturierst!"

In der letzten Zeit habe ich oft gelesen, dass der Spaß aufgrund der Zentralmatura verloren ginge. Letzteres kann ich von meiner Klasse nicht behaupten. Wir haben trotzdem Spaß, wobei die Anspannung in Zeiten von Schularbeiten natürlich deutlich spürbar ist.

Meiner Meinung nach muss auch einmal allen LehrerInnen Respekt gezollt werden, denn sie bereiten die SchülerInnen dieses Landes mit großem Einsatz auf die neue Reifeprüfung vor, was vielerorts geringgeschätzt wird oder gar in einem „Teacher-Bashing” endet.

Abschließend wünsche ich allen diesjährigen MaturantInnen alles Gute für die anstehende mündliche Reifeprüfung!

Tom Gartner

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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