Vor zwei Wochen stellte ich mir die Frage, wie es wohl wäre, wenn Zeit keine Rolle spielte. Und ich wollte das einmal ausprobieren. In einer normalen Arbeitswoche, unter normalen Umständen (was immer das auch ist). Die Idee war: sich einfach Zeit zu lassen, auf etwas eingehen und es so lange betreiben, bis es ausgeschöpft ist.
Es schien auf den ersten Blick nicht einfach: es lag viel Arbeit vor mir und eine unwiderrufliche Deadline. Ich hatte Termine wie jeder andere auch. Aber ich stellte fest, dass das eigentlich ein Vorteil war. So ergab es sich, dass alle Themen blockartiger wurden. Ich arbeitete lange und intensiv, und es war spannend zu sehen, wie breit die Themen mit einem Mal wurden. Es taten sich neue Aspekte auf. Manche davon sind interessant genug, um sie weiterzuverfolgen; andere waren bloße Gedankenspielereien.
Auch meine Beziehung erlebte ich intensiver – obwohl wir, d.h. meine Partnerin und ich, sie durchaus intensiv erleben. Aber es war, als kostete ich die gemeinsame Zeit noch mehr aus.
Auch schienen mir andere Menschen mehr Zeit zu lassen. Normalerweise scheint es immer so, dass unter Stress jedes Treffen, jede Besprechung, jede Absprache zu lange dauert. In dem Moment, da ich mir dafür Zeit nahm, war alles schnell und doch eindeutig erledigt.
Gleichzeitig nahm ich mir die Zeit um auszuspannen. Dinge tun, die einfach Spaß machen, aber nicht das Geringste mit Verantwortlichkeit oder Arbeit zu tun hatten. Ich genoss diese Zeit, ich hatte aber nie das Gefühl als fehlte sie mir später, um irgendwelche Aufgaben zu erledigen.
Mir fiel auf, dass, wenn ich mich durch die verfügbare Zeit – und diese Zeit schien endlos verfügbar – mit jemanden oder etwas in Beziehung setze, diese Zeit intensiver, fruchtbarer, produktiver wird, ohne dass dadurch eine erhöhte Anstrengung merkbar geworden wäre. Zeit, so will es mir scheinen, ermöglicht es mir mich mit dem, was ich tue, in Beziehung zu setzen. Und diese erlebte Zeit wird intensiver, jede Belanglosigkeit wird zunehmend weniger belanglos, das Wichtige wird wichtiger. Durch die Möglichkeit mich in Beziehung zu setzen gewinnen Erlebnisse an Bedeutung.
Mag Zeit an sich nun eine Illusion sein, mögen auch meine Eindrücke der erlebten Zeit Einbildung sein, die Ergebnisse sind es definitiv nicht. Die Arbeiten wurden vor der Deadline abgegeben, meine Beziehung empfinde ich nach wie vor intensiver, die neuen Aspekte kreisen als neue Ideen durch mein Denken, und es kommen von unerwarteter Seite Antworten zu diesen Ideen. Mag es auch vielleicht nicht immer möglich sein, diese Art des Zeitnehmens zu pflegen, so ist es zumindest für ein neuer Weg meine Zeit zu verbringen und zu sehen, wie ich mich mit all den Menschen und Dingen, die in meinem Leben sind, in Beziehung setzen kann.