Nach offiziellen Angaben kamen 2015 rd. 1,1 Mio. Flüchtlinge nach Deutschland, für 2016 wird mit rd. 1,5 Mio. Flüchtlingen gerechnet, auch wenn die Bundesregierung die Zahl nicht bestätigen mochte. Bayerns Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner rechnet in den kommenden Jahren mit einem Zuzug von „bis zu sieben Millionen Menschen, sobald anerkannte Flüchtlinge ihre Familien nachgeholt haben“.
Was kosten 1,5 Millionen beziehungsweise sieben Millionen Asylbewerber?
Für das Jahr 2015 errechnete das Ifo-Institut Kosten in Höhe von rd. 20,0 Mrd. Euro (Welt vom 10.11.2015). Die pauschalen Kosten beziffern sich dabei auf rd. € 12.000 bis € 13.000 pro Jahr und Asylbewerber. „Die Pauschale stellt aber die untere Grenze für die gesamte fiskalische Belastung dar“, sagt Ökonom Sinn. Denn viele Mehrkosten sind nicht abgedeckt, etwa erhöhte Ausgaben für Bildung oder Betreuung oder Teilhabe an den Gemeinschaftsgütern (sog. “Klubgüter“). Immerhin spricht allein NRW davon, für die Betreuung der Flüchtlingskinder bis zu 5.000 (neue) Lehrer einzustellen. Zum Vergleich: Das Budget des Familienministeriums beträgt 8,5 Milliarden Euro, das des Bildungsministeriums 15 Milliarden Euro. Bei sieben Millionen Asylbewerbern, wie es Ilse Aigner prognostizierte, ergäbe sich die Summe von 91 Milliarden Euro. Das entspricht den Etats der Ministerien Verteidigung, Verkehr und Infrastruktur, Bildung, Familie und Gesundheit zusammen – oder fast einem Drittel des Bundeshaushalts.
Was bringen die Flüchtlinge der Wirtschaft kurzfristig?
Der Bundesverband deutscher Banken rechnet in diesem Jahr mit einem „positiven Konjunktureffekt“ durch die Flüchtlinge. Dies besonders durch gestiegene staatliche Nachfrage nach Dienstleistungen. Hinzu kommt noch ein Anstieg des privaten Konsums, da die Flüchtlinge einen großen Teil ihrer Finanzhilfen verkonsumieren. Damit wirken die Flüchtlinge also wie ein kleines Konjunkturprogramm. Allerdings: Ebenso gut könnte der Staat auch die Hartz-IV-Sätze verdoppeln, die Steuern ermäßigen oder Geld mit Hubschraubern abwerfen, was wohl kurzfristig den gleichen Effekt haben würde. Der Staat gibt Geld, dieses wird ausgegeben und die Konjunktur angekurbelt. Das Ganze bleibt aber letztlich ein Strohfeuer.
Was bringen Deutschland die Migranten langfristig?
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sorgte Ende vergangenen Jahres für Schlagzeilen. Zu den Ergebnissen des ZEW gibt es reichlich Widerspruch. „Dass die Anwesenheit der Flüchtlinge ein Plus für den Staat ergibt, ist absoluter Unsinn“, sagt Hans Werner Sinn (vormals Ifo Institut). Werden ausschließlich die Sozialausgaben im engeren Sinn berücksichtigt, kann es sein, dass irgendwann ein leichtes Plus herauskomme, „aber das greift deutlich zu kurz. Quintessenz. „So wie die Migration derzeit läuft, läuft sie falsch“, sagt Top-Ökonom Sinn. „Der Sozialstaat wirkt wie ein Magnet auf unqualifizierte Migranten.“
Letztlich kommen auch die ZEW-Experten zu einem ähnlichen Schluss: „Stellt man alle allgemeinen Staatsausgaben (. . .) mit in Rechnung, schlägt für jeden lebenden Ausländer ein langfristiges Staatsdefizit von 79.100 Euro (…) zu Buche“. Im Vergleich: Das (durchschnittliche) Staatsdefizit für einen Nicht-Migranten beträgt rd. € 3.000. Entscheidend ist und bleibt der zeitnah erreichbare Umfang der Einbindung in den Arbeitsmarkt.
Der Ökonom Bernd Raffelhüschen (Universität Freiburg/Generational Accounting) hat abseits dessen eine andere Rechnung aufgemacht: Danach kostet eine Million Flüchtlinge den deutschen Staat auf Dauer 450 Mrd. Euro (Hans Werner Sinn in Welt vom 01.02.16). Dabei wird in der Berechnung unterstellt, dass die Flüchtlinge nach sechs Jahren so integriert sind, wie die bereits in Deutschland anwesenden Alt-Migranten im Durchschnitt. Bereits Alt-Migranten kosten den Staat per Saldo viel Geld, weil sie unterdurchschnittliche Markteinkommen haben und daher von der Umverteilung des Sozialstaates profitieren. Die neuen Migranten würden noch teurer als die alten, weil sie erst noch integriert werden müssen. Eine frühere Erhebung für die „Stiftung Marktwirtschaft“ ergab einen noch höheren Betrag, nämlich eine Summe von knapp 1 Billion Euro für die langfristigen Zusatzkosten.
Wie sind die Bedingungen ?
Sämtliche Berechnungen hängen ganz entscheidend davon ab, ob und inwieweit die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt funktioniert. Selbst die Bundesagentur (BA) für Arbeit dämpft dabei allzu optimistische Erwartungen: So erklärte Detlef Scheele als neues BA Vorstandsmitglied: „Wenn es gut läuft, werden im ersten Jahr nach der Einreise vielleicht 10% eine Arbeit haben, nach fünf Jahren ist es die Hälfte, nach 15 Jahren 70%.“ Die Bundesagentur für Arbeit kalkuliert nach Scheeles Angaben für 2016 mit 350.000 Flüchtlingen, die auf Hartz IV angewiesen sein werden. Die Flüchtlinge sollen bekanntlich aus der „echten“ Arbeitslosigkeitsstatistik herausgehalten werden. Das passt auch zu einer Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, einer Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Das Institut stellte in jüngsten Erhebungen (Deutschlandfunk 14.01.2016) fest: Es „kann davon ausgegangen werden, dass die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge nicht nur deutlich geringer ist als die des Durchschnitts der Deutschen, sondern auch anderer Ausländer oder Migrantengruppen.“ Es bleibe hier bei der Integration einiges zu tun, folgert das Institut.
Weiterer Wermutstropfen: Die genannten – moderaten – Angaben zur Möglichkeit der Einbindung der Neu Migranten fußen dabei selbstverständlich sämtlich auf der Annahme einer sich weiterhin positiv entwickelnden bzw. haltenden wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Der Ökonom Raffelhüschen spricht spricht diesbezüglich allerdings von einem „unrealistisch positiven Szenario“. („Welt vom 25.11.2015).
Und was tut die Regierung ?
Auch der Finanzminister scheint für seinen Teil schon mal vorzubauen: So zeigt er sich aktuell angesichts der Flüchtlingskrise anlässlich eines Treffens der EURO-Gruppe in Luxemburg vom Montag für eine „flexible Anwendung der EU-Stabilitätsregeln offen.“ Damit wird allmählich deutlich, woher das erforderliche Geld letztlich kommen wird. Auch hier fallen also die Grenzen. (O.Griebsch: erstmals erschienen auf "Votum1.de")