Warum Russlands Panzer von Bauern entführt werden

Vorab: Was ihr hier lesen werdet, ist das Wissen von einem "Panzerfan"

Es gibt einen Unterschied zwischen Panzerfan und Panzerkenner: Der Panzerkenner glänzt mit Wissen. Ich mit gefährlichem Halbwissen. Also ist alles, was ich hier schreibe, mit Vorsicht zu genießen. Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum so viele russische Panzer liegen bleiben, aufgegeben oder von ukrainischen Traktoren entführt wurden und warum das nichts ist, worüber man sich lustig machen sollte (Sofern man in dem Krieg überhaupt über irgendwas lachen kann)

Zuerst müssen wir etwas in die Vergangenheit schauen. Und zwar nach dem zweiten Weltkrieg. Russland hatte das dritte Reich niedergeworfen. Mit horrenden Verlusten, aber eben gewonnen. Dieses Bild wird die Panzerdoktrin des Warschauer Pakts ab jetzt bestimmen.

Der kalte Krieg - NATO

Wir haben zwei komplett unterschiedliche Systeme, die sich einander gegenüber stehen: Die NATO-Streitkräfte waren Russland in der Anzahl der Soldaten, die sie in den Krieg schicken können, massivst unterlegen. Die NATO konnte also nicht auf zahlenmäßige Überlegenheit bauen. Stattdessen wurden NATO-Panzer immer leistungsstärker, besser gepanzert, größer und geschützter. Man ging davon aus, dass auf einen NATO-Panzer wenigstens 5 sowjetische Panzer kamen. Die Besatzung eines Panzers ist ein wertvolles Asset, das man nicht einfach ersetzen kann.

Entsprechend ist ein westlicher Panzer extrem teuer zu bauen aber, sofern die Ersatzteile vorhanden sind, binnen kürzester Zeit zu reparieren und überaus robust und lange einsatzfähig. Ein Motor in einem Leopard lässt sich in wenigen Stunden austauschen. In einem russischen Panzer dauert es Wochen. Das ist aber egal, denn die russische Panzerdoktrin sieht ja ganz anders aus.

Und der Warschauer Pakt...

Der Fehler der gerne gemacht wird, und ich gebe zu dass ich gerne auf dem Bandwagon aufhüpfe, weil es auch etwas unfreiwillig Komisches hat wie die zweitgrößte Supermacht der Erde ihre Panzer von Traktoren entführt bekommt, ist es auf russische Streitkräfte westliche Standards anzulegen.

Der Warschauer Pakt Panzer ist Verbrauchsmaterial. Das trifft auch auf die Besatzung zu. Man ging davon aus, dass man mit den Panzern nach vorne fuhr und die NATO Front nach und nach vor sich herschob. Wenn dabei Panzer schon auf dem Weg zur Front liegenblieben, weil das Getriebe draufging war das halt so. Durch den Verzicht auf Wartungsfreundlichkeit konnte man den Panzer dafür kleiner und billiger bauen. Und damit mehr davon bauen.

Die Panzer kann man dann ja später wieder einsammeln weil man ja ohnehin im Angriff ist oder auch einfach drauf pfeifen. Als Verteidiger kann ich, wenn ich den Frontabschnitt verliere, meine Panzer nicht mehr bergen denn sie liegen ja jetzt im Feindesland.

Das haben die so gelernt!

Was in der Ukraine aktuell eingesetzt wird sind Panzer aus Zeiten des Warschauer Pakts. Klar: Kampfwertgesteigert aber im Kern immer noch die selben Kisten.

Und wenn dein Fahrzeug ein Verbrauchsmaterial ist wie gehst du dann damit um wenns kaputt ist? Genau. Du verlässt es. Man hält es in einem russischen Panzer sowieso nicht lang aus. Wer einen Leopard eng findet (und er ist eng) hat sich nie in nen russischen Panzer gequetscht. Probiert das mal aus wenn ihr die Gelegenheit dazu habt.

Diese Panzer sind zudem auf russischer Seite mies gewartet und bleiben, erwartungsgemäß, sehr schnell liegen. Entsprechend kann die Ukraine die zwar bergen, müsste aber erst einmal Wochen an Reparatur reinstecken um damit auch irgendwas anfangen zu können. Die Beutepanzer sind also gut um die Russen zu verhöhnen aber kriegsentscheidend ist das nicht.

Aber: Wird nach sowjetischer Doktrin gekämpft?

Nein. Dafür stimmen schlicht die Zahlenverhältnisse und auch die Art des Einsatzes nicht. Russland hat ganz klar nie erwartet, dass die Ukrainer keinen Bock darauf haben Onkel Vladimirs Bückstück zu werden. Man rechnete damit, wenigstens im Osten, freundlich begrüßt zu werden. Stattdessen war von Stunde 1 klar dass der typische Ukrainer gerne möchte das die sich verpissen. Man kann Umfragen fälschen aber eben nicht die Wahrheit.

Kurz: Panzer die nicht für einen langfristigen Einsatz gedacht sind (Das gibt weder die Technik her noch der Komfort für die Besatzung) und die im Verband mit zahlenmäßiger Überlegenheit eingesetzt werden sollen sind nun in einem langfristigen Kampfeinsatz gegen einen zahlenmäßig ebenbürtigen Gegner.

Der Ansatz aus dem kalten Krieg ist auch heute nicht mehr gangbar: Einen Krieg den man mit hunderttausenden Toten gewinnt muss man zuhause erklärt kriegen. Und egal wie totalitär Russland ist: Es ist nicht das Sowjetregime. Solch einen Krieg könnte Putin politisch nicht überleben. Er wird wahrscheinlich auch diesen Krieg nicht überleben. Und das hoffentlich nicht nur politisch.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 13.05.2022 22:44:19

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