Ahmet Davutoglu - Der schwache Mann vom Bosporus?

Ahmet Davutoglu - Der schwache Mann vom Bosporus?

Warum Erdogans loyalster Mann eine große Gefahr für die AKP und Erdogan darstellt.

Unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2015 sagten einige Türkeiexperten voraus, dass der Sieg von Recep Tayyip Erdogan positive Konsequenzen für die Opposition in der Türkei mit sich bringen könnte. Dieser Theorie zur Folge würde es der Partei schaden wenn Erdogan(zumindestens offiziell) nicht mehr Parteioberhaupt wäre. Zum Zeitpunkt erschien diese These etwas realitätsfern, denn die AKP hatte jede einzelne Wahl seit zwölf Jahren gewonnen und konnte stetig ihre Stimmen steigern. Aber jetzt anderthalb Jahre nach den Präsidentschaftswahlen scheint sich diese Annahme zu bestätigen.

Ahmet Davutoglu ist der amtierende Premierminister der Türkei und Vorsitzender der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung(AKP). Innerhalb der AKP gilt er als intellektueller Akademiker und hat, für türkische Standards, eine beachtliche akademische Karriere hingelegt. Zuvor war er fünf Jahre lang Außenminister und gilt innerhalb der Partei als einer der loyalsten Anhänger Erdogans und wird dem neo-osmanischen Flügel der Partei zugeordnet.                                                                                                                                                                                                                                                    Als Außenminister ist er Nachfolger von Ali Babacan. Dieser wiederum zählt zum liberalen Flügel der Partei und gilt als „Brain“ hinter dem wirtschaftlichen Aufschwung während der ersten Jahre der AKP Regierung. Während dieser Zeit wurde die Partei oftmals in westlichen Medien mit den christlich sozialen Parteien Europas verglichen. Die meisten sahen in Erdogan und der AKP eine gemäßigt konservative Partei die einen EU Kurs anpeilt und zahlreiche Reformen in ihrem Land durchführte. Mittlerweile spricht man viel mehr von einer autoritären Regierung der oftmals ein Zusammenhang mit dschihadistischen Kräften in Syrien nachgesagt wird. Was hat also dazu geführt, dass sich die Meinung über die AKP so sehr geändert hat?

Ahmet Davutoglu und seine Weltanschauung dürfte eine zentrale Rolle spielen. In seinem Buch „stratejik derinlik“ (auf Deutsch die strategische Tiefe) lassen sich seine Denkansätze erkennen. Der Politikwissenschaftler Davutoglu schreibt in diesem Werk ausführlich über die geopolitischen Ambitionen der Türkei. In dem oftmals kritisierten Buch wird eine überromantisierte Meinung über das Osmanische Reich wiedergeben. Mit einer Rückbesinnung auf islamische Werte sollen die Verbindungen zu islamischen Ländern im nahen Osten und in Zentralasien gestärkt werden, sodass die Türkei zu einem regional dominanten Global Player aufsteigen kann.

Trotz seiner großen Ambitionen gilt er als unerfolgreicher Außenminister. Während seiner Amtszeit deklarierte er als oberstes Ziel die Einhaltung der „0 Probleme Politik“ zu den Nachbarstaaten. Nach seiner Amtszeit sah die Realität aber anders aus. Ein möglicher EU Beitritt erscheint ferner als jemals zuvor und die Beziehungen zum Iraq, Syrien und dem Iran sind ebenfalls auf einem „all time low“. Auch die Beziehungen zu Ägypten und Israel, die einst die wichtigsten Verbündeten in der Region waren sind ebenfalls auf einem historischen Tiefstand. Unter der neuen Ausrichtung der Außenpolitik hat die Türkei unter Davutoglu immer auf die falschen Pferde gesetzt. Zuerst die Muslimbrüder in Ägypten und dann die syrische Opposition in Syrien. Obwohl Erdogan und Assad zunächst gute Freunde waren und sogar miteinander einen Familienurlaub gemacht haben, entschied sich die Türkei sehr schnell Assad aufzugeben und die syrische Opposition zu unterstützen. Auch die passive Haltung der Türkei bei der Belagerung der kurdischen Stadt Kobane durch die IS erwies sich als Fehlentscheidung. Die Partei verlor  einen großen Teil ihrer kurdisch-konservativen Wähler. Ein Beispiel dafür wie sehr sich die Kurden von der AKP abgewandt haben zeigen uns die Resultate der kurdischen Hochburg in Diyarbakir. 2011 hatte die AKP dort noch 33% der Stimmen und war stärkste Kraft. 2015 aber erreichte die kurdische HDP knapp 80% der Stimmen und die AKP verlor mehr als die Hälfte ihrer Stimmen.

Alle diese geopolitischen Entscheidungen lassen sich auf die Außenpolitik von Ahmet Davutoglu zurückführen. In Anbetracht dessen, dass sein Hauptziel die „0 Probleme Politik“ mit den Nachbarstaaten war und er die Türkei noch weiter global vernetzen wollte können wir von einem klaren Scheitern seiner Politik sprechen.

Am ersten November wird es zu Neuwahlen in der Türkei kommen. Die AKP unter der Führung Davutoglus hatte es geschafft seit  dreizehn Jahren, erstmals einen Stimmenverlust zu verbuchen. Sie verlor ihre absolute Mehrheit im Parlament. Erdogan war mit diesem Ergebnis höchst unzufrieden und Neuwahlen wurden angeordnet. Laut aktuellen Umfragen erscheint es allerdings so, als ob sich nicht viel an den Stimmen der AKP ändern wird.

Hierbei sollte man vielleicht noch anmerken, dass alle besagten Umfragen vor dem größten terroristischen Attentat der türkischen Geschichte, nämlich dem Anschlag von Ankara gemacht wurden. Die Versäumnisse des türkischen Geheimdienstes und der Polizei sowie die Passivität der türkischen Streitkräfte gegenüber dem IS, dürften sich nicht allzu positiv auf die Umfragewerte der Regierung auswirken.

Die Wortwahl von Davutoglu nach dem Anschlag wirkte etwas realitätsfremd und wurde von der türkischen Bevölkerung nicht gut aufgenommen. Zunächst lobte er die Justiz dafür, dass sie den Selbstmordattentäter von Suruc gefasst haben. Diese Aussage schien etwas merkwürdig in Anbetracht dessen, dass dieser sich in die Luft gesprengt hatte und 33 Leute mit in den Tod riss. Danach sprach er davon, dass man zwar eine Liste von Selbstmordattentäter haben würde aber nichts unternehmen könnte bevor sie ihre Tat nicht begehen. Sein dritter Fauxpas (innerhalb einer Woche wohlgemerkt) war die Aussage im Fernsehen, dass das Islamverständniss seiner Partei sich nicht 180 ° sondern ganze 360 ° von der der des islamischen Staates unterscheidet.                                                                              Die Woche darauf gab es einen erneuten Versprecher.  Diesmal behauptete Davutoglu bei einer Konferenz, dass sie überall auf der Welt Tyrannen unterstützen würden. Dem Publikum war die Aussage wohl ziemlich egal und es wurde trotzdem laut applaudiert.

Nachdem Ahmet Davutoglu den Außenministerposten der Türkei übernommen hatte gab es einen Richtungswechsel im Kurs der türkischen Außenpolitik. Die neo-osmanischen und zugleich unrealistischen Vorstellungen hatten zur Folge, dass sich die Türkei von ihrem EU Kurs entfernt hat und in den problematischen syrischen Bürgerkriegssumpf hineingezogen wurde.  Die AKP wird zwar zweifelsohne erneut die stärkste Kraft werden allerdings wohl nicht mit der Stimmenanzahl die sie sich erhofft. Man darf nicht vergessen, dass die AKP nicht vertraut ist mit „Niederlagen“. Die Frage die hier aufkommt ist ob man mit Davutoglu weitermachen wird weil man seine Loyalität schätzt oder ob er die Parteiführung, bei einem erneuten Stimmverlust, abgeben wird müssen. Auch ein Schisma innerhalb der Partei zwischen den gemäßigteren Kräften und den Loyalisten scheint langfristig gesehen nicht unmöglich.

Unabhängig vom Resultat der Wahl scheinen sowohl die Entscheidungen von Davutoglu als auch seine Aussagen dem Land und der eigenen Partei zu schaden. Je mehr er in der Öffentlichkeit spricht desto mehr schadet er seinem Ansehen. Ob es zu einem „Frank Stronach Effekt“ kommen wird und er sich selbst mit seinen Aussagen ins Abseits befördern wird, bleibt abzuwarten.

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Bernhard Juranek

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