Zugfahren entspannt. So haben wir es zumindest in unserer romantisch prädigititalen Erinnerung abgespeichert. Schluss damit! Vergeuden wir unsere Reiseaktivität nicht länger mit einem guten Buch und dem verträumten Blick in die vorbeiziehende Landschaft.
Bekennen wir uns zur aktiven Mithörerschaft! Der Klingelton in unterschiedlichsten Formierungen lässt uns im Handyumdrehen zum lauschenden Pawlow‘schen Hund mutieren. Dabei darf unser Interesse keinesfalls vor der beschwerlichen Eröffnungsfloskel zurückschrecken: „Ich sitz schon im Zug…“. Haltet durch, Ihr Lauschangreifer wider Willen, denn es geht in jedem einzelnen Fall… ähm individuell weiter.
Meist sehen wir sie nicht, die ambitionierten Protagonisten der Indiskretion. Sie sitzen 3 bis 4 Reihen vor oder hinter uns (so weit reicht meist die Akustik) und offenbaren uns ihr Leben in schonungsloser Offenheit. Sie lassen uns unter den Rock schlüpfen, sie stülpen ihr Innerstes in Großraumabteil und abgeschlossene Kabine:
Junge Stimme, weiblich, verzweifeltes Timbre. Ergriffener Bericht über „sein“ Nichtmelden seit Mittag. Aber solche Spielchen kämen immer wieder vor. Nein, sie rechne nicht mehr damit, dass sie zu zweit zur Silvesterfeier kämen.
Männlich, sprachlicher Wiener Akademikerduktus, koordiniert in geduldiger Detailverliebtheit die Urlaubspläne. Es folgen ausführliche Angaben zu den Schlafgewohnheiten des Juniors. Ältere Dame. Zittrige Stimme. Mehrmalige Anrufe, um sicher zu stellen, ob die Türe zugesperrt sei.
Undsoweiterundsoweiter.
Endlose Gespräche, die uns nichts angehen und doch wird uns a priori das Vertrauen geschenkt, uns zurückzulehnen und teilzuhaben an den intimsten Dramen, Freuden und Banalitäten.
Außer mittels Kopfhörer kommen wir nicht aus. Trotzdem kein Grund zur Zugsverweigerung. Machen wir das Beste draus und lassen uns inspirieren zu hinreißenden Geschichten, die das Leben schrieb! Wer macht mit? Hashtag siehe Titel!