Teil 3

Die innereuropäischen Krisenherde nehmen zu, immer weniger Menschen stehen hinter der europäischen Wirtschaftspolitik.

Warum sind mehr und mehr Menschen unzufrieden? Geht es denn nicht allen gut?

Angespartes ist aufgebraucht, neues Ansparen ist kaum noch möglich. Aber anstatt für höhere Löhne, höhere Pensionen, bessere soziale Absicherung zu protestieren richtet sich der Volkszorn gegen Kriegsflüchtlinge, dabei sind die es sicher nicht die „uns“ ärmer machen.

Die Westeuropäer sind gut abgerichtet, sie sehen völlig ein, dass der Staat sparen muss, fürchten um ihre Arbeitsplätze und nehmen alle Staatsausgaben zur Rettung der Finanzmärkte achselzuckend zur Kenntnis.

Was nützt es auch, denn tiefgreifende Entscheidungen werden nunmehr zwischen Politikern, Eliten und Lobbyisten, ohne Bürgerbeteiligung getroffen und natürlich orientieren sich diese Entscheidungen an rein ökonomischen Interessen. Je mehr Entscheidungen zum Wohle der Wirtschaft („Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“) umso größer wird Macht und Einfluss derselben. Je mehr Einfluss Lobbyisten auf Politiker nehmen können umso weiter verkommt Demokratie zu einer Hülle ihres Selbst. Die Politiker werden zu Handlangern einer Wirtschaftspolitik die alles andere als das die Interessen ihrer Bürger vor Augen haben.

Eine Konsequenz davon so Colin Crouch, ist zu Allererst der Abbau des Wohlfahrtsstaates und im Gegenzug ein Ausbau der staatlichen Kontrolle. Löst man den Wohlfahrtsstaat auf – der eine große Errungenschaft war – geht damit eine anwachsende Unausgewogenheit, zwischen ärmeren und besonders wohlhabenden Schichten, einher. Nicht nur geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander, es fehlt auch mehr und mehr die finanzielle Sicherheit. Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung für ein gutes Leben. In jungen Jahren mögen schlechte Anstellungsverhältnisse nicht so nachteilig wahrgenommen werden, wenn man älter wird wird aber vieles schwieriger, da ist es dann gar nicht mehr lustig auf prekäre Arbeitsverhältnisse angewisen zu sein. Mangels ehrlicher Möglichkeiten zur echten Mitsprache geht letztendlich auch das Interesse am politischen Geschehen, verloren. Unaufgefordert, völlig freiwillig geben die Bürger ihr Recht auf Mitbestimmung ab und übernehmen eine passive Rolle „Da kann man nichts machen.“ „Das ist jetzt so!“.

Auf Seiten der Politiker wird die belanglose Kommunikation beklagt. Beliebig austauschbare Aussagen ohne faktischen Wert füllen unzählige Interviews. Es wird nicht über Inhalte geredet es wird beworben. Statt Faktenwissen gibt es nur wohldosierte Selbstdarstellung. An das NICHTSSAGEN haben wir uns so gewöhnt, dass wir uns gar nicht vorstellen, dass Politiker auch Meinungen vertreten und zu etwas stehen können was jetzt nicht gerade wahltaktisch beeinflusst ist.

X-fach ist belegt, dass in den Industriestaaten die Reallöhne, ebenso wie die Steuereinnahmen auf Vermögen sinken, während Konsumsteuern steigen oder gleich bleiben. Des einen Leid, des anderen Freud. Weite Teile der Bevölkerung sind am Limit ihrer finanziellen Möglichkeiten angekommen und immer mehr Menschen fühlen sich an den sozialen Rand gedrängt.

Wir sind genauso manipuliert wie die Leute in den früheren Ostblockstaaten und können uns nur schwer von alten Denkmustern trennen – Gehirn gewaschen! Die jüngeren Generationen haben die goldenen Jahre des Wirtschaftswunders nicht kennen gelernt und glauben daher alle Aussagen über den Staat als Feind des freien Willens, dass er verschwenderisch mit Steuermitteln umgeht, unsozial, bürokratisch, unflexibel und ineffizient wirtschaftet. Ja, manches stimmt, aber bei weitem nicht alles. Allgemeingut muss der Allgemeinheit zur Verfügung stehen können ohne dass Gewinn erwirtschaften im Vordergrund steht, möglichst sogar kostenlos. Hat doch früher auch funktioniert. Privatisierung führt zu allererst zu Personaleinsparungen aber keineswegs zu mehr Effizienz, auch Verteilungsgerechtigkeit kann ein gut organisierter Staat besser leisten. Alle sozialen Dienste sind besser in öffentlicher Hand aufgehoben, denn was in den letzten Jahren an Dienstplätzen im Sozialbereich eingespart wurde hat mehr geschadet als genützt. Vieles was früher kostenlos mitangeboten wurde, als Kundenservice oder weil es einfach freundlich war, kostet jetzt selbstverständlich. Was letztendlich an Steuergeldern für Bankenrettung und Finanzmärkte ausgegeben wurde sind horrende Summen, die niemals wieder bei uns Steuerzahlern ankommen, für immer verloren bleiben und nichts zu unserem Wohlergehen beitragen. Es gab wesentlich mehr kleine Unternehmen und sie konnten wesentlich besser über die Runden kommen als heute, auch sie gehören zu den Verlierern dieses Wirtschaftssystems.

Permanenter Disziplinierungsdruck durch Massenarbeitslosigkeit, damit verbundener sozialen Abstieg und Zukunftsängste, auch unter Klein-u. Mittelbetrieben, erledigt das Übrige an wachen Geistern. Der Staat übernimmt keine Verantwortung mehr für seine Bürger, jeder muss schauen wo er/sie bleibt. Damit ist auch gleichzeitig dafür gesorgt, dass ein Aufbau verbindlicher Solidarität zwischen den Bürgern oder einzelnen Bewegungen nicht zustande kommt.

Diesen schon länger andauernden Krisenjahren wird ein Ausmaß wie in den 1930er Jahren zugeschrieben.

Antonio Gramsci (ital. Phil. *22.1.1891; † 27.4.1937) über die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre: „Wenn die herrschende Klasse den Konsens verloren hat, das heißt nicht mehr, führend‘, sondern einzig, herrschend‘ ist, Inhaberin der reinen Zwangsgewalt, bedeutet das gerade, dass die großen Massen sich von den traditionellen Ideologien entfernt haben, nicht mehr an das glauben, woran sie zuvor glaubten usw. Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann.“ (Gefängnishefte)

Wenn statt breitem Konsens, vermehrt Repressionen angedacht manchmal sogar angewandt werden, dann handelt es sich wohl um eine Führungskrise.

Noch nie wurde so viel Geld zum Erhalt einer Ideologie eingesetzt und nach all dem medialen Einsatz, scheint es als ginge die Zeit des Neoliberalismus zu Ende.

Alle Krisen der letzten Jahre wurden mangelndem Wettbewerb, mangelnde Flexibilisierung am Arbeitsmarkt, überbordende Staatsausgaben und zu viele und umfangreiche Sozialleistungen zugeschrieben. Jeden Tag kommt europaweit irgendetwas dieser Art in den Nachrichten und Printmedien. Jeder kann hören oder lesen woran es liegt, dass die Wirtschaft nicht in Schwung kommt. Trotz vieler Protestaktionen und mancher Rückschläge, wie den zum Scheitern verurteilten Handelsabkommen und dem Ausstiegs Großbritanniens aus der EU, der Neoliberalismus sitzt im Moment fester im Sattel denn je. Gerade Rückschläge lassen die EU verknöchern und noch fester an ihren Idealen festhalten, was ihre Strukturen vielleicht auch brüchiger werden lässt.

Eine Ideologie, denn etwas Anderes ist es nicht, die mit solch einem Engagement verbreitet und unterrichtet wurde, kann jetzt nicht falsch sein, darum dieser Aufwand, denn vermehrt organisieren sich Ökonomen und Kritiker zu Wort die lange still waren, jetzt aber ihre Zeit als gekommen sehen.

Nicht ungelegen kommt dabei die Terrorangst und dessen mediale Aufbereitung. Die Angst der Reichen vor Machtverlust und die Möglichkeiten der Medien ein Bild unablässig gegebener Angst vor Anschlägen zu präsentieren, schaffen eine Welt die reale oder vermeintlich gegebene Bedrohung benützt um Machtansprüche der Eliten zu verfestigen und auszubauen.

Was in diesem Zusammenhang seltsam klingt ist der Aufstieg der nationalistischen Parteien. Er ist durchaus willkommen, konservative Parteien sind per se nationalistisch motiviert. Die in Österreich gehegten Sympathien zwischen ÖVP und FPÖ sind deshalb nicht neu, aber zu nationalistisch, zu rechtsextrem darf es dann auch nicht sein. Die Wirtschaft ist weltweit vernetzt da könnten zu nationalistische Gedanken die Geschäfte behindern. Besser ist es gemeinsame Feinde zu schaffen um nach außen gewandte Gewalt zu legitimieren mit der eine nach innen und außen gewandten Erweiterung des Überwachungsstaats einhergeht.

Immer mehr wird überwach, immer mehr Gebote und Beschränkungen, moderne Apps bringen die Leute dazu sich selbst zu überwachen und ihre Daten freiwillig abzuliefern. Die Befugnisse der Exekutive werden erweitert ebenso wie deren Kompetenzen in Form von Sonderkommandos. Zwei Fliegen auf einem Schlag, die Bevölkerung wird vor Terror geschützt und der Staatsapparat wird in die Lage versetzt Demonstrationen und Ausschreitungen gut gerüstet entgegen treten zu können.

Hauptsächlich geht es darum die Kontrolle zu behalten um nötigenfalls die Rechte der herrschenden Klasse zu schützen, denn ehrlicher Weise müsste man sagen, dass Anschläge kaum verhindert werden können.

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 15.07.2016 15:17:03

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