Gewöhnen kann man sich an fast alles
Kürzlich habe ich gelesen, wenn man sich bloß gut genug einschränkt, dann kommt man schon aus mit dem Geld. Gemeint sind hier Grundsicherung und Kindergeld.
Viele, zuviele sind finanziell schon so lange an oder unter dem Existenzminimum, dass das was fehlt, oder fehlen könnte gar nicht mehr auffällt. Und nachdem auch das Umfeld im Mangel lebt, fällt es noch weniger auf, dass am sozialen Leben kaum teil genommen werden kann. Gepflegt essen gehen, Theaterbesuche, beim Einkauf nicht nur das Günstigste aussuchen müssen, das ist alles schon so lange her oder wurde nie erlebt, dass das Gefühl sich einschränken zu müssen, um über die Runden zu kommen, völlig normal ist.
Wenn Armut im Land als normal empfunden wird, dann ist das schlecht, für Alle.
Betrachtet man all die vielen Transferleistungen, Kindergeld, Arbeitslosengeld, Mindestsicherung, Gebührenbefreiungen, Unterstützungen und Beihilfen, dann ist das extrem viel Geld. Aus unterschiedlichen Töpfen genommen wird es selten, wenn überhaupt, zusammengefasst und evaluiert. Weder der tatsächliche Bedarf noch die Zielgenauigkeit wird überprüft. Das eine Bundesland macht es so, ein anderes Bundesland hat wieder andere Regelungen und der Bund sowieso. Ein heilloser Durcheinander der nie durchforstet wird. Da kann auch viel versickern....
Schlecht, sich an Armut zu gewöhnen ist es auch deshalb weil Armut dann als Schiksal angesehen und nicht mehr gekämpft wird. Man gibt sich zufrieden und hört auf manche Gurus die meinen man braucht nur fest genug dran glauben, dann wird alles wieder gut. Wird es aber nicht. Wenn das Umfeld nicht stimmt, wenn die Voraussetzungen, dass es wirklich besser wird, nicht gegeben sind kann man sich wünschen was man will, es wird sich nichts ändern. Aber, und vor allem kann man sich nicht schön reden, was nicht schön ist. Zukunftsängste und Geldsorgen bleiben dennoch, die Gewohnheit sorgt nur dafür dass nicht dauernd daran gedacht wird. Geldsorgen machen Müde und Krank.
Die Zeit arbeitet für jene die nicht genug bekommen können. Immer wenn wir uns an noch weniger gewöhnen und noch mehr eingeschränkt haben, bemerken sie, die Gürtel sind noch nicht straff genug gespannt, da geht noch was.
Jede neue Belastung lässt die Abwärtsspirale weiter nach unten drehen.
Der Neoliberalismus meint, dass es ganz ok ist, wenn es Leute gibt die ärmer werden. Dass es dann doch so viele sind... die "am Kuchen" nicht mitnaschen können mag für den Einzelnen nicht so gut sein, für die Vermögenden ist es hervorragend. Aber daran lässt sich auch erkennen, wie wenig Unternehmergeist in den Menschen steckt - sie haben es einfach nicht verdient. Die haben sich einfach nicht genug bemüht und dienen als Negativbeispiel für jene die sich (immer noch) wehren. "Wenn du nicht spurst und mitmachst, dann landest du genau da, bei den Mittellosen, da willst du sicher nicht hin, also strample weiter, damit wir weiter gut an dir verdienen."
Die Umstände sind nicht Gott gegeben und deshalb ist es auch nicht gut sich zu gewöhnen. Irgendwann soll es wieder aufwärts gehen, dafür braucht es eine Systemänderung und Menschen die dafür kämpfen.