Alles wird gut - alternativlos!

Im Moment dreht sich die Berichterstattung über die mittlerweile etwa 800.000 Flüchtlinge im Land mal in die eine, mal in die andere Richtung. Schaut man ins Gebühren-TV, bekommt man von Grönemeyer ordentlich „Habt-Euch-Nicht-So-Marmelade“ aufs Brot geschmiert, garniert von positiven Nachrichten, herzerwärmenden Beispielen und jeder Menge Beschwichtigungen. Negative Aspekte gibt es nicht, höchstens Anlaufschwierigkeiten, Missverständnisse oder „Geistige Brandstiftung“.

Wir schaffen das also immer noch, Augen zu und durch. Die Debatte gleitet aber zunehmend ins Absurde ab, wenn die Schönschreiber und Positivdenker nicht schnell genug laufen können, weil sie immer häufiger von der Realität eingeholt werden. Dann erfahren wir, was für ein unverschämtes Glück wir doch haben! Jetzt endlich wird – quasi nebenbei – unser demografisches Problem gelöst! Die Deutschen werden vielleicht doch nicht aussterben und die Welt damit um ein schrulliges und zu Überreaktionen in jede Richtung neigendes Völkchen mit komplizierter Sprache ärmer werden, weil uns Syrien retten wird! Ein paar Millionen junge Menschen und besonders deren Kinder werden das schon schaffen. Beitragszahler statt Refugees. Und die Politikdarsteller meinen es wirklich ernst mit solchen Einwürfen.

Deutschland tut seit Jahren und Jahrzehnten einiges dafür, es Familien mit Kindern möglichst schwer zu machen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Kinder sind hierzulande ein Armutsrisiko, das stellen sogar internationale Studien immer wieder fest. Alleinerziehende sind besonders betroffen und Geringverdiener sowieso. Wir haben zu wenig Krippenplätze und uns einen absolut unsozialen Umgang mit Kindern angewöhnt. Kinder stören, sind laut, machen Dreck und Arbeit. Bezahlbarer Wohnraum: oft Fehlanzeige. Kinderbetreuung: Vergiss es! Gleichberechtigung in Schule, Berufsausbildung und Studium: Träum weiter!

Und nun wird alles anders? Wir integrieren mit einer kollektiven Kraftanstrengung mal eben ein paar Millionen Menschen aus einem vorsichtig ausgedrückt „sehr anderem“ Kulturkreis? Was machen wir bei der Gelegenheit eigentlich mit unseren eigenen kleinen und großen Gerechtigkeitslücken? Was ist eigentlich mit den geschätzt 284.000 Obdachlosen in Deutschland (Stand 2014). Bauen wir denen gleich noch ein paar Wohnungen mit? Fängt Deutschland nach 30 Jahren wieder an, im großen Umfang sozialen Wohnungsbau zu betreiben? Ich dachte, das brauchen wir alles nicht mehr? Gibt es demnächst womöglich wieder wirklich bezahlbare Wohnungen in München/Schwabing?

Nichts von all dem wird passieren, alles nur heiße Luft mit der die schweißbedeckten Gesichter der freiwilligen Helfer getrocknet werden soll! Ich habe aber den Eindruck, dass diese Bundesregierung nur dann zu drastischen Maßnahmen bereit ist, wenn das Problem groß wie ein Bär (und genauso aggressiv) vor ihr steht und die Welt auf Deutschland und den Bären guckt und sich fragt, wie wir das wohl überstehen werden. Jahrelang schaute man auf den Bären, bis man auch irgendwann kein Fernglas mehr brauchte und hoffte bis zuletzt, dass er irgendwo abbiegen möge.

Diesmal machen wir aber alles richtig!

Als dem deutschen Wirtschaftswunder personell die Puste ausging, holte man Gastarbeiter aus Portugal, Italien, Griechenland und der Türkei ins Land. Viele dieser Menschen gingen nach einigen Jahren wieder zurück in ihre Heimat, andere blieben und gründeten Familien. Anfangs konnte auch von Parallelgesellschaften keine Rede sein und bei vielen Herkunftsländern ist dies bis heute kein Problem. Mir ist auch nicht bekannt, dass es irgendwo in Deutschland Viertel oder Gegenden gibt, in denen nur Portugiesen oder Italiener leben oder deren Kinder und Enkel auch heute noch Probleme mit der deutschen Sprache oder Identität haben. Dabei gab es damals noch gar keine Ausländerbeauftragten oder spezialisierte Sozialarbeiter und ein Migrationshintergrund war im Fall einer Straftat noch kein Grund für mildernde Umstände. Parallelgesellschaften bildeten sich jedoch in anderen Milieus, was nicht weiter schlimm wäre, ginge es dabei nach dem Motto „Leben und leben lassen“ zu. Dem ist aber nicht so. Es gibt auch keinerlei belastbare Studien oder Schätzungen, warum dies ausgerechnet bei der aktuellen Zuwanderungswelle anders verlaufen könnte. „Dass unsere helfenden Frauen der Handschlag verweigert wird, weil sie eben Frauen sind, daran haben wir uns schon gewöhnt“, sagt der Innenminister des Saarlandes. „Aber manche weigern sich schon, von den Frauen bei der Essensausgabe Nahrung anzunehmen, weil diese unrein seien ...“. Wenn man sich daran schon gewöhnt hat, kann die Integration bereits als gescheitert angesehen werden.

Keine Toleranz der Intoleranz!

Um etwas tolerieren zu können muss man erst mal definieren, wo man selbst steht. Weiß man das nicht, wird aus Toleranz schnell Ignoranz. Es steht natürlich jedem hierzulande frei, alles unter dem Aspekt ‚mir doch Wurscht’ zu betrachten. Oder unter dem Aspekt ‚das geht alle an’. Wir sollten die nötige Diskussion jedoch repräsentativer führen, alle Kreise und Bevölkerungsschichten einbeziehen und ihnen eine Stimme geben. Es ist leicht für einen Herbert Grönemeyer, Sonderabgaben für „Reiche“ zu fordern, während er im Steueroptimierten London lebt. Es ist sogar billig, weil es ihn nichts kostet. Genauso billig wie das singende klingende Weltgewissen Bono, der Schuldenerlass für Afrika fordert, selbst aber mit seiner Band dank toller niederländischer Steuertricks keine Steuern in Irland zahlen muss. Oder die nette Münchnerin, die ganz im Sinn des „Gürtel enger Schnallens“ und der Solidarität sagte „...dann können wir eben nicht alle drei Autos fahren“. Sicher hat sie selbst nur zwei. Sicher muss sie auch nicht auf einem immer knapper werdenden Wohnungsmarkt als Student oder alleinerziehende Mutter mit hunderttausenden Asylbewerbern konkurrieren, vielleicht kann sie aber eine billige Putzhilfe aus Pakistan für haushaltsnahe Dienstleistungen einstellen und sich dabei so richtig sozial fühlen.

„Du hast was gegen Muslime“ ist ein gern verwendetes Todschlagargument. Dabei ist mir die Religion anderer Leute eigentlich herzlich egal, solange deren religiöser Eifer nicht versucht, in meinen Toleranzbereich einzudringen. Dabei ist Kants kategorischer Imperativ sehr hilfreich. Würde es als erstrebenswertes allgemeines Gesetz gelten, Frauen als „unrein“ zu bezeichnen und ihnen nicht die Hand zur Begrüßung zu reichen? Sollten Frauen sich per Gesetzt in der Öffentlichkeit verschleiern? Ich hoffe, sie schütteln immer noch den Kopf lieber Leser, denn das wäre doch alles sehr unvernünftig und schädlich für unser Zusammenleben in Deutschland und Europa. Die Vernunft also, die sollten wir nicht über Bord werfen. Auch im Umgang mit unseren neuen Mitbürgern. Wo deren Traditionen, Religion oder Rechtsauffassung mit unserer Vernunft – einem Ergebnis der Aufklärung und der Emanzipation von den Kirchen – kollidiert, muss die Vernunft die Oberhand behalten. An dieser Stelle darf es keine Toleranz geben. Nicht mal in Erstaufnahmelagern!

Abschließend eine zynische Frage an Frau Merkel: Warum darf Syrien in die EU und die Türkei nicht? Hätten wir das nicht geschafft?

Bevor du beginnst, bedenke das Ende. (Cicero)

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Erkrath

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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