Die einen lieben seine Texte, die anderen hassen sie – wobei ich von der letzten Gruppe erst heute wirklich Kenntnis erhielt, weil dort, wo besagte Texte zu finden waren, sich fast ausschließlich seine Bewunderer tummelten. Die Rede ist von Don Alphonso, dem selbsternannten „Steigbügelausrüster der Reiter der Apokalypse“ und seinen Blogs bei der FAZ, die zum Ende des Monats eingestellt werden. Die Begründung der FAZ kam per Twitter und es ist von „thematischer Neuordnung“ und der „Bloggerplattform als Experimentierfeld“, an anderer Stelle auch von „Platz schaffen“ die Rede.
Nun ist die Personalpolitik eines Unternehmens prinzipiell dessen eigene Angelegenheit – oder sollte es zumindest sein. Niemand stellt zum Beispiel in Frage, wenn ein Bundesliga-Verein nach zehn verlorenen Spielen in Folge den Trainer austauscht…doch so ist es hier ja nicht. Don Alphonso war in der Liga der FAZ-Blogs gewissermaßen „Bayern München“, warum sollte man ein „winning Team“ für ein ungewisses „Experimentierfeld“ eintauschen? Der Zuspruch für die Texte von Don Alphonso war enorm, die Klickzahlen ein Bloggertraum und die Leser konnten mit guter Sicherheit sogar davon ausgehen, dass ihre Fragen vom Autor beantwortet werden. Und was steht hinter dem Argument, man wolle „Platz schaffen“ für Neues? Platz schaffen wofür? Platz in einem Blog? Wir reden ja hier nicht von einer Print-Kolumne in einem von Papierrändern begrenzten Medium, wir reden von digitaler Präsenz, von einem Blog, einem Link, einer virtuellen Welt, die weder Platz braucht noch diesen anderen Inhalten wegnehmen kann – außer, man spricht von „Platz“, meint jedoch „Aufmerksamkeit“. Mein eigenes Blog passt immer noch auf einen großen USB-Stick und ein solcher sollte doch für Don Alonso durchaus bereitgestellt werden können, oder?
Kurzum, hier scheint ein Vorwand vorzuliegen, um aus irgendeinem Grund einen unbequemen Journalisten loszuwerden. Um dies und die Schadenfreude zu verstehen, die nun über ihm zusammenschlägt, muss man nur mal versuchen, den Standpunkt einzunehmen, von dem aus „Don Alonso“ seine Texte schreibt.
Fest im Standpunkt, aber flexibel im Geiste, ein Bohemien vom Tegernsee, mit einem Fuß immer in Oberitalien, mit dem anderen in bayerischem Wohneigentum der beständigen Art, ein der Urbanität Entzogener, der es sich leisten kann, über die hektische Urbanität seiner Landsleute so zu berichten, als schaue er einer Fliege dabei zu, wie sie immer wieder versucht, mit Anlauf durch dieselbe Scheibe zu kommen, hinter welcher er gemütlich und mit einem guten Glas Wein in der Hand über den Wert von Kunst oder die Qualität eines 50 Jahre alten italienischen Rennrads sinniert, um sich langsam aber unaufhörlich dem eigentlichen Gegenstand seiner Betrachtung zu nähern. Dabei bietet er kaum einen Angriffspunkt, da seine Interessen eher den Klassikern in Kunst und Kultur gelten, als den Verlockungen der industriell übersteuerten Shopping-Elite im Hochglanz-SUV – der Don fährt Fahrräder, alte Fahrräder.
Er verkörpert in seiner Blogger-Rolle somit alles, was gewisse links-grüne Kreise abgrundtief hassen: die Kombination aus bourgeoiser Gelassenheit, die sich aus materieller Sicherheit und fundierter Bildung speist, gepaart mit ökologischem Pragmatismus, der ganz ohne Ideologische Überhöhung und brennende Barrikaden auskommt. Da schrieb ein Mensch, der sich aus jeder Abhängigkeit staatlicher Segnungen erfolgreich befreite und diese Freiheit, die auch die Freiheit ist, sich gewählt und unprätentiös auszudrücken, öffentlich zur Schau stellte. Für Menschen, die ihren Neid nicht unter Kontrolle haben und glauben, in einer perfekten Gesellschaft müsse der Staat als Rasenmäher über alle und alles hinwegrollen, um ein Höchstmaß an Gleichheit unter den Grashalmen zu erreichen – für solche Menschen ist Don Alonso offenbar ein Feind, dessen Abschaltung man nun ungeniert feiert.
Bei Twitter entwickelte sich daraufhin ein veritabler Shitstorm, es wurde „entfolgt“ und mit Abo-Kündigung gedroht. Es ist tatsächlich anzunehmen, dass diese Entscheidung der FAZ einiges an Lesern kosten wird. Andererseits waren nun endlich auch mal die Stimmen zu vernehmen, die sich nie in den Kommentaren der Blogs fanden. Tenor: „Ein Nazi und Hate-Speech-Verbreiter weniger“. Ich versuchte daraufhin, anhand einiger der letzten Blogtexte festzustellen, woran solche Anwürfe festzumachen seien, konnte aber auch beim schlechtesten Willen keine einzige Formulierung oder auch nur einen Anflug von Hass finden. Es sei denn, eloquente Nichtachtung ist jetzt auch schon ins Hasslager hinüberdefiniert worden. Wenn nun aber bereits die Texte von Don Alphonso unter Naziverdacht geraten können, hat das Wort „Nazi“ traurigerweise überhaupt keine Bedeutung mehr. „Nazi“ ist dann ein Haus am Tegernsee oder ein 200 Jahre alter Bilderrahmen, „Nazi“ ist dann ebenso, wenn man lieber mit dem Rad durch die Hügel über Mantua als durch das Multikulti von Kreuzberg bei Nacht radelt.
Du bist, was du liest
Fragt sich nur – und soviel Spekulation erlaube ich mir – wem die Blogs Don Alphonsos ein derartiger Dorn im Auge waren, dass man sich zu solchen radikalen Schritten veranlasst sieht. Das schrittweise „Outsourcing“ konservativer Stimmen darf in den deutschen Leitmedien als beinahe abgeschlossen gelten. Selbst gelegentliche Op-Eds, wie sie früher selbst in SZ und TAZ häufig anzutreffen waren, werden immer seltener. Es ist deshalb wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Fleischhauer beim Spiegel abgeschaltet wird. Bereits heute ist es mir zur Routine geworden, Meldungen der deutschen Medienlandschaft mit dem abzugleichen, was das „Westfernsehn“ – also Schweizer Medien – dazu berichtet. Die fast durch die Bank ins bodenlose fallenden Auflagen der deutschen Printmedien sorgen für lange Gesichter in den Chefredaktionen und Büros der Herausgeber. Man kann sich das scheinbar nicht erklären, obwohl mittlerweile fast alle Häuser an derselben, schönen, rundgefeilten „Wahrheit“ stricken. Neidvoll schaut man auf die Goldpaläste der GEZ-alimentierten öffentlich-rechtlichen Medien, bei denen Reichweite und Auflage nicht über Wohl und Wehe entscheiden. Dort möchte man hin, dort fließen medial Milch und Honig, dort hat man sich vollständig vom Konsumenten emanzipiert, der über eine Zwangsumlage dennoch zahlt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit sind deshalb in den letzten Jahren Konstrukte wie der „Rechercheverbund“ entstanden. In diesem arbeiten zum Beispiel NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung zusammen und es braucht nicht allzu viel Phantasie sich vorzustellen, von wo nach wo dort Geld fließt. Dabei bezweifle ich nicht einmal, dass sich auf diese Weise kompetente Teams bilden können. Die Abhängigkeit jedoch, in die sich private Verlage auf diese Weise vom staatlich organisierten Gebührensystem begeben, macht mir Angst. Wes‘ Brot ich ess, des Lied ich sing‘ wusste schon der Minnesänger Oswald von Wolkenstein. Don Alphonso könnte sich für eine derartige Kooperation als ein konservativer Balken erwiesen haben, der quer im Wasser lag. Wir werden sehen, wie ungehindert das Wasser für die FAZ zukünftig fließt.
Am Tag nach seinem Rauswurf per Twitter schrieb Don Alphonso: „Macht euch um mich keine Sorgen. Echt. Aber hört bitte mit dem Shitstorm gegen die FAZ auf, das bringt niemandem etwas, und es waren meine wirklich guten 9 Jahre dort. Die sollen nicht mit sowas enden.“ – klar, dass solche Rede, die nicht zur totalen Vernichtung und auf die Barrikade ruft, auch „voll Nazi“ ist. Wir werden jedenfalls noch vom „Don“ hören. Sowohl aus Mantua, als auch aus Kreuzberg.