Dädalus warnte seinen Sohn Ikarus davor, mit der unvollkommenen Konstruktion auf seinem Rücken zu hoch aufzusteigen und konnte doch ahnen, dass dieser seine Warnung in den Wind schlagen würde. Ikarus glaubte an seine Kraft und an die Flügel aus Wachs und Federn auf seinem Rücken, die sein Vater gebaut hatte, und stieg und stieg und stieg. Die Ikarusse der Moderne treffen sich gerade in Bonn, wo sie sich für 70 Millionen Euro zwölf Tage lang gegenseitig der Festigkeit des Wachses in ihren Flügeln versichern. Journalisten, die neugierig und mit brennenden Fragen ihren Ideen und Flügeln zu nahe kommen könnten, mögen sie nicht. Jedoch glauben sie fest daran, fliegen zu können, wie hoch auch immer sie wollen.
Manchmal bin ich nur noch müde. Bin ich es leid, immer dieselben kurzsichtigen Jubelargumente zu lesen und immer wieder wie Dädalus auf die Probleme in der schönen Theorie der Energiewende hinzuweisen. Heute ist wieder so ein Tag und ich möchte sagen: „Fliegt doch endlich los, entflieht eurer Gefangenschaft in der fossilen Energie, hört nicht auf die Zweifler, Dädalus und andere Bedenkenträger. Wir stehen euch nicht mehr im Weg. Gebt uns bitte einfach nur eine Woche Vorwarnzeit bei der Abschaltung aller Kohle- und Atomkraftwerke, damit wir rechtzeitig ein paar hundert Liter Wasser bunkern, die Brieftauben in Stellung bringen, einen Kaminofen nebst reichlich Brennholz anschaffen und uns mit Lebensmittelkonserven eindecken können, um auf einen größeren und längeren Zusammenbruch der Netze vorbereitet zu sein. Dann legt den Schalter um, genießt den Zusammenbruch des Industriestandortes Deutschland und hofft das Beste.“ Henrik Müller, Kolumnist beim Spiegel, spricht euch anlässlich des Klimagipfels in Bonn jedenfalls Mut zu: „Wir sind viel zu pessimistisch!“
In einem Land, das bei jeder neuen Technologie nach Technikfolgeabschätzungen ruft, Atomenergie in jeder Form ablehnt (außer im Iran, versteht sich) und Ethik-Kommissionen aus Soziologen und Theologen für Furz & Feuerstein Bedenken sammeln lässt…in einem solchen Land erscheint es mir jedoch sehr seltsam, dass Politik, Lobbyorganisationen und Medien ausgerechnet beim Thema Klimawandel und Energiewende einen derart blinden Optimismus an den Tag legen, wie sie ihn sich und anderen in keinem weiteren Bereich gestatten. Und so strotzt Müllers Kolumne auch nur so von Zirkelschlüssen, falschen Annahmen, Auslassungen und Gebeten, dass meine Müdigkeit gerade wie weggeblasen ist. Doch der Reihe nach, sehen wir mal, was Herr Müller so schreibt:
„Aber so rasch kommt auch ein US-Präsident nicht aus bestehenden Verträgen heraus.“
Um den Hauch der Vergeblichkeit, welcher das ganzen Pariser Klimaabkommen umweht, zu bemänteln, wird auch von SPON immer und immer wieder das Märchen vom Ausstieg der USA aus dem Abkommen erzählt. Dabei waren die USA nie „drin“, weil das Gesetz nie dem Kongress vorlag. Obama war klug genug, es nicht vorzulegen, weil er wusste, dass dies mit seiner Niederlage geendet hätte. Doch nun definiert man die in den USA dennoch hier und dort angestrebten Verbesserungen in Sachen Emissionen und Energieeffizienz einfach als Widerstand gegen Trump, hoffend, dass der nächste Präsident wieder konzilianter sein möge und die Pariser Klimalüge wieder mittrüge. Fakt ist aber, dass sinnvolle Programme zur Ressourcenschonung und zur Luftreinhaltung des Pariser Klimaabkommens überhaupt nicht bedürfen, weil es andere, bessere und nachvollziehbare Gründe dafür gibt. Und dass ein heiliger Eid auf die Pariser Klima-Bibel noch lange kein Garant für adäquate Politik ist, zeigt das Beispiel Deutschland geradezu exemplarisch! Der Alleinvertretungsanspruch der IPCC kommt einem heiligen Gebot gleich, demgemäß man „keine Umweltrelevanten Ziele neben ihm“ haben darf. Deutschland ist deshalb nur ein „Sünder“, wenn es die Klimaziele nicht einhält und wie wir wissen, kann eine Sünde in der Religion vergeben werden. Wir könnten Buße tun, Besserung geloben und eine fromme Spende leisten – doch bleibt unsere Absicht rein. Wer sich jedoch außerhalb des Abkommens stellt, es anzweifelt oder verwirft, ist ein Ketzer und kann weder auf Nachsicht, noch auf Erlösung hoffen. Dass ausgerechnet die USA dieses Sakrileg begingen, sich außerhalb der Klimakirche zu stellen, ist natürlich wegen ihrer Größe und Bedeutung problematisch. Deshalb wird mit allerlei Tricks so getan, als sei sie noch Teil der Gemeinde und wenn der böse Antiklimatist Trump erst gestürzt sei, kehrten die Kräfte des Guten zurück an die Macht. Was für eine verlogene, einfältige Heuchelei!
„Erneuerbare Energien werden rapide wettbewerbsfähig. Massenmobilität mit Elektroantrieb ist, dank der Fortschritte in der Akkutechnologie, inzwischen denkbar.“
Technologisch hat Deutschland seine ehemalige Führungsrolle in Sachen Energieerzeugung allerdings längst verloren. Nacheinander büßten wir unseren Vorsprung erst in der konventionellen Kraftwerkstechnik, dann der in der Atomenergie und anschließend die im Bereich Sonne und Wind ein. Geblieben sind in ALLEN Bereichen nur die Segmente, die durch Subventionen am Leben gehalten werden. „Denkbar“ ist außerdem ein gefährlicher Begriff! Es ist zum Beispiel denkbar, dass ich heute Lotto spiele und daraufhin denkbar, dass ich am Samstag den Jackpot abräume. Für meine und des Landes nähere wirtschaftliche Zukunft, sollte aber eher das „machbar“ entscheidend sein. Derzeit ist es das nur insofern, als dass ich kein Lotto spiele.
„Dazu kommt eine Eigenschaft der Erneuerbaren, die eine günstige Dynamik auslösen könnte: Einmal installiert, produzieren Windräder und Solarpanels Strom zu äußerst niedrigen Kosten. Anders als Öl, Kohle oder Gas, die bei jeder zusätzlichen Kilowattstunde in immer größerer Menge eingesetzt werden müssen, sind Wind und Sonnenlicht umsonst. Entsprechend billig ist der auf diese Weise produzierte Strom. Ein Effekt, der sich heute schon an der Leipziger Strombörse beobachten lässt, wo die Großhandelspreise zeitweise gegen null fallen (was aber, so wie die deutsche Energiewende funktioniert, bei den Verbrauchern nicht ankommt).“
Sowohl Sonne als auch Wind sind in ihrer massenhaften Verwendung technologisch verhältnismäßig junge Energieträger. Aber bereits heute ist klar, dass es auch bei diesen Techniken einen Lebenszyklus, Wartungsarbeiten und Entsorgungskosten gibt. Das geht soweit, dass auch irgendwann die tausende Tonnen schweren Fundamente jedes Windrades rückgebaut werden müssen – Kosten, die bislang nur wenige „Windbauern“ bei der Fruchtfolge auf dem Zettel haben. Die mangelnde Energiedichte von Sonne und Wind erkaufen wir uns mit entsprechendem Flächenverbrauch. Der Traum von Henrik Müller vom Ökostrom für „koste fast garnix“ ist somit nicht mehr wert, als das Bastelergebnis eines Siebtklässlers, der seinem Physiklehrer stolz ein „Perpetuum Mobile“ vorführt, das an einer Autobatterie hängt. Außerdem hat Müller nicht begriffen, wie die niedrigen Preise an der Leipziger Strombörse zustande kommen. Dort werden Überkapazitäten gehandelt, die immer dann massiv auftreten, wenn das Netz den zu viel produzierten Sonnen- und Windstrom nicht aufnehmen kann, weil ihn keiner braucht! Diese Börsenpreise basieren nicht auf Erzeugerpreisen. Die garantierten Vergütungen der Erzeuger durch das staatliche Subventionssystem kommen ja noch oben drauf, denn die Betreiber der Anlagen werden nicht aus den Verkaufserlösen der Strombörse bezahlt.
Aufgrund der bereits heute installierten Nennleistung der Öko-Stromer kommt es an Sonne- und Windreichen Tagen an der Börse sogar immer wieder zu negativen Preisen, die nichts anderes darstellen, als Entsorgungskosten. Der „Fisch“ liegt auf dem Tresen und keiner will ihn kaufen, weil alle satt und versorgt sind. Was machen also die „Fischhändler“ an der Börse mit dem Überangebot an schnell verderblichem Fisch? Wegwerfen kann man ihn nicht, weil er in Echtzeit anfällt und ungeduldig in die Netze drängt. Also verschenkt man den Fisch oder gibt jedem Kunden am Ende sogar noch Geld, damit er welchen mitnimmt. Wie kann man nun den Kunden, der seinen Fisch über einen festen Liefervertrag beim Fischhändler kauft, „angemessen“ am Verlustgeschäft beteiligen? Schauen Sie einfach auf Ihre Stromrechnung, dann wissen sie, dass die Großhandelspreise sehr wohl beim Verbraucher ankommen, nämlich als Summe aus Energie- Subventions- und Entsorgungskosten. Auf dem Strommarkt sind Angebot und Nachfrage durch den extrem schwankenden Ökostrom mit seinen Einspeisegarantien längst nicht mehr im Gleichgewicht und dem Verbraucher erzählt man seit Jahren, die Preistreiber seien die konventionellen Kraftwerke, die jedoch als einzige in der Lage sind, den „Fisch“ immer in genau der Menge bereitzustellen, wie der Kunde es wünscht. Der Fischhandel „Energiewende“ stinkt, und zwar vom Kopfe her!
„Natürlich ist dieses Umsteuern nicht zum Nulltarif zu haben. Gängige Schätzungen gehen von einem globalen Investitionsvolumen in Höhe von etwa einer Billion US-Dollar jährlich aus. Gelder, die angesichts niedriger Zinsen und der intensiven Suche nach Anlagemöglichkeiten eigentlich mobilisierbar sein sollten. Es wird darauf ankommen, weltweit Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Investoren ermöglichen, trotz niedriger Absatzpreise für Strom auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Und zwar möglichst auch in Schwellen- und Entwicklungsländern, wo die Energieinfrastruktur noch im Entstehen begriffen ist. Und wo die Bevölkerungen teils nach wie vor stark wachsen.“
Es ist eine echte Meisterleistung der Energiewender in Sachen Marketing, dem Verbraucher zwei komplett unversöhnliche Paradigmen als eine einzige, grandiose Idee zu verkaufen. Da ist zunächst das Gerede von der „quasi kostenlosen Energie“, die uns geradezu endlos von Sonne und Wind zur Verfügung gestellt wird. Andererseits betont man stets sehr offen, dass der Umbau unserer Energiesysteme eine gewaltige Kraftanstrengung darstellen werde, mit anderen Worten: es wird richtig teuer. Nulltarif? Natürlich nicht! Aber keine Sorge, das Geld ist gerade billig, auch das „koste fast garnix“, wegen der Nullzinsphase! Wie’s das Schicksal so fügt, ist immer etwas „umsonst“. Ob Draghi im Sinn hatte, durch die Zinspolitik der EZB die Energiewende anzukurbeln? Oder ob er vielmehr sieht, dass es Ländern wie Italien oder Griechenland nur so möglich ist, ihre Schulden zu bedienen und weitere zu machen? Die „Rahmenbedingungen“, von denen Müller spricht, sind jedenfalls nichts anderes als Subventionsprogramme mit kreditfinanziertem Kostefastnixgeld der Steuerzahler in Europa, genauer Nordeuropa, oder noch genauer: Deutschland.
„Mit einer rasch steigenden Bevölkerungszahl wäre dieses Ziel vermutlich unerreichbar. Derzeit wächst die Kopfzahl auf dem Planeten jährlich um 83 Millionen Menschen: einmal Deutschland zusätzlich, Jahr für Jahr. Aber womöglich sind wir derzeit auch an dieser Stelle zu pessimistisch. Die UN-Forscher haben ein hoffnungsvolles Szenario durchgerechnet. Es ist durchaus möglich, dass die Menschheit um 2050 ihre maximale Größe erreicht. Die Zahl der Erdbewohner läge dann bei 8,8 Milliarden Menschen, 1,2 Milliarden mehr als heute. In den Jahrzehnten danach würde die Weltbevölkerung allmählich schrumpfen.“
Durchaus möglich ist aber auch, dass die UN-Forscher falsch liegen mit ihrem hoffnungsvollen Szenario. Und ist es nicht merkwürdig, dass die angebliche Hauptursache für die Klimaerwärmung, der Mensch und insbesondere die Anzahl derer, die sich auf der Erde tummeln, erst nachrangig in die Klimarettungsmodelle Einzug finden soll? Die letzte große Weltbevölkerungskonferenz der UN fand 1994 in Kairo statt. Man hat es nicht so eilig wie die Klimaretter, die eigenen hochfahrenden Beschlüsse regelmäßig zu korrigieren, wohl weil sich das Versagen der Bevölkerungsplaner nicht so leicht auf Wetterphänomene und komplexe physikalische Zusammenhänge schieben lässt. Einer der Beschlüsse der Konferenz, „…Familienplanung für alle bis spätestens 2015“ zugänglich zu machen, darf heute, 23 Jahre später, angesichts der ungebremsten Bevölkerungsexplosion gerade in Afrika als krachend gescheitert angesehen werden. Der unmittelbare kausale Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch, CO2-Emission, Energiebedarf und Bevölkerungsentwicklung ist seit jeher klar, spätestens seit Kairo’94. Und nun erklärt uns Herr Müller vom Spiegel, dass man ERST mal den Klimawandel aufhalten wolle und sich DANACH um eine 8,8 Mrd. große Weltbevölkerung kümmern werde, die dann aber wahrscheinlich sowieso von ALLEIN schrumpfe?
Tun wir für einen Moment mal so, als gäbe es tatsächlich einen linearen Zusammenhang zwischen Erderwärmung und CO2-Außstoß der Menschheit. Tun wir außerdem so, als wären die Billiarden-Investitionen gegen den Klimawandel nicht besser aufgehoben bei der Bewältigung der Folgen von Klimaveränderungen und glauben, wir müssen den CO2-Ausstoß um 60% verringern…läuft dann bei einer aktuellen Weltbevölkerung von 7,47 Milliarden Menschen – was einem Zuwachs von etwa 1,5 Mrd. seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls 1997 entspricht – nicht irgendwas grundsätzlich falsch? Und lügt sich Henrik Müller nicht selbst die Taschen voll, wenn er glaubt, das Wachstum würde bei 8,8 Milliarden quasi von selbst enden, während sein Blatt, der Spiegel, für 2100 bereits von 11,2 Milliarden Menschen ausgeht?
Ich habe weder etwas gegen Elektroautos, noch hängt mein Herz am Verbrennungsmotor. Auch bin ich gänzlich frei von Aktien der „üblichen Verdächtigen“ aus der „Lobby“ der Erderwärmer, Kohleverbrenner und Benzinschleudern. Im Gegenteil, ich bin geradezu ein Technologiefreak und würde mich ehrlich freuen, wenn dieses energetisch unschuldige Schlaraffenland tatsächlich funktionieren könnte! Aber die Welt, die sich Henrik Müller erträumt, halte ich für einen gefährlichen Betrug. Weil die zentrale Frage, deren Beantwortung erst all die Blütenträume von billiger Energie für jedermann möglich machen würde, in seinem Artikel mit keinem einzigen Wort erwähnt ist, weil bisher NIEMAND sie je beantworten konnte: wo ist die Speichertechnologie, mit der wir im industriellen Maßstab die volatile grüne Energie speichern und somit puffern können?
Statt also mit Wachs in den Flügeln abzuheben und das Beste zu hoffen, sollte Ikarus vielleicht mit dem Abheben solange warten, bis sein Vater das Flugzeug erfunden hat. Schon angesichts der Tatsache, dass Wachs und Klimaerwärmung denkbar schlecht zusammenpassen.