Von seiner Chefin hat er gelernt, ein angemessen betroffenes Gesicht zu machen und als er dem SPIEGEL das Interview* gab, saß die Mimik perfekt! Morgens Berlin, Nebel – das Gesicht hält. Mittags Jordanien, die Sonne brennt – die Betroffenheit wächst.
Hier ein kleiner ministerialer O-Ton vom Vizekanzler Gabriel aus dem Spiegel-Interview: „Die Menschen kommen, weil sie nach Jahren des Kriegs in Syrien jede Hoffnung verloren haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Und weil die internationale Staatengemeinschaft ihnen nicht einmal mehr genug Geld für Nahrung und medizinische Versorgung in den Flüchtlingslagern gibt. Ich war gerade in Jordanien im größten Lager der Region: Weil sich die Situation dort dramatisch verschlechtert hat, brechen die Flüchtlinge im wahrsten Sinne ihre Zelte ab und machen sich Richtung Europa und Deutschland auf. Das sind die wahren Fluchtursachen - nicht das Verhalten von Frau Merkel.“
Dabei war Gabriel so auf sein betroffenes Gesicht konzentriert, dass er leider einige Dinge durcheinander gebracht hat. Also, Siggi, die „wahren Fluchtursachen“ liegen nicht in den Flüchtlingslagern, weder in Jordanien, noch im Libanon, noch in Bayern. Die sind jenseits der syrischen Grenze zu verorten. Assad, der Islamische Staat, Al Quaida, Al Nusra-Front oder alle zusammen. Vereinfachend darf man auch vom Krieg in Syrien sprechen. Aber ich verstehe Dich schon, Sigmar. Du meinst natürlich die Kausalkette, welche die Menschen dort in den Flüchtlingslagern dazu brachte, „ihre Zelte abzubrechen“ und sich ausgerechnet nach Goslar auf den Weg zu machen, um in die Hände von Til Schweiger zu geraten. Das hätte nie passieren dürfen! Für genau solche Fälle gab es doch diese Flüchtlingslager in Jordanien! Verdammt noch mal, warum tat denn die internationale Gemeinschaft nicht alles was sie konnte, um die Leute dort zu halten? Wer ist eigentlich diese „internationale Gemeinschaft“ und wen kann ich verantwortlich machen? Klingelt es gerade bei Dir, Sigmar? Jordanien hat knapp sieben Millionen Einwohner und hätte Jordanien nicht Freunde in den USA, die es unterstützen und hätte es nicht klugerweise längst Frieden mit Israel, wäre der IS längst dort und würde sich um die „nutzlosen Esser“ in den Lagern „kümmern“! Jeder Sparkassen-Azubi im ersten Lehrjahr kann sich ausrechnen, dass Jordanien diese Lager nicht so betreiben kann, dass die Flüchtlinge freiwillig dort bleiben. Jeder Kassenwart der Kaninchenzüchter konnte sehen, dass der UNHCR finanziell komplett überrannt wurde von dem Anstieg der Flüchtlingszahlen! Nur Herr Gabriel musste zum Nachrechnen erst nach Jordanien fliegen.
Morgens, halb zehn in Deutschland
Bei Millionen Menschen in Deutschland und noch mehr Menschen in Europa verstärkt sich von Tag zu Tag das Gefühl, das gerade irgendetwas komplett schief läuft. Wer sehr feine Antennen hat, legte schon vor ein paar Jahren den Kopf zur Seite, verzog das Gesicht und fragte “Hört ihr das auch…?“ Man war sich nicht sicher, ob und was da war. Andere Dinge tönten lauter. Der Euro, die Finanzkriese, die Griechen, Guttenberg hat angeschrieben, die Krim soll wieder russische werden…aber das Rauschen nahm zu. Jetzt kann es fast jeder hören, auch wenn viele nur hinter vorgehaltener Hand darüber reden wollen. Aber alle stellen sich im Stillen die eine Frage: „Was, wenn das Rauschen von einem tiefen Wasserfall stammt, auf den wir zusteuern?“
Aber wenn „die Menschen im Lande“ (Merkeldeusch) das Rauschen hören, wird es in unseren Schaltstellen der Macht sicher längst vernommen und analysiert. Geheime Krisenstäbe treffen sich morgens halb zehn im „situation room“ des Kanzleramtes und peilen die Lage. Sie überlegen die nächsten Schritte, wägen ab, beschaffen Material und Geld, hören Vorträge der Experten, feilen an Presseerklärungen und denken immer mindestens zehn Züge im Voraus. Lauschen wir also mal rein…
Steinmeier: Das Flüchtlingshilfswerk hat angerufen. Die sagen, sie haben kein Geld mehr um die geflohenen Syrer in Jordanien zu versorgen und ob wir nicht…
Schäuble: Geld, na klar, immer nur Geld! Für das Budget von dene ist die UNO zuständig, is nich mein Ressor. Dieses Jahr geht’s sowieso net mehr, da isch die schwarze Null fescht eingeplant.
Merkel: Wie is’n das eigentlich mit der Zuständigkeit?
Steinmeier: Welche Zuständigkeit?
Merkel: Na wegen der Flüchtlinge in Jordanien. Dort leben doch größtenteils Palästinenser und die haben doch das UNRWA. Aber da gibt es ja noch den UNHCR. Wer betreibt denn die Lager für syrische Flüchtlinge in Jordanien?
Steinmeiner: (blättert) …das UNHCR. Das UNRWA ist nur für die Palästinenser da.
Merkel: Flüchten denn nicht auch Palästinenser aus Syrien, weil die vorher, also vor 60 Jahren oder so aus Israel dort hin geflohen sind?
Müller (der Entwicklungsminister): Ja, aber wenn die aus Syrien kommen sind sie jetzt nur noch Araber und Syrer. Kein Sonderstatus mehr.
Merkel: Aber wenn sie mal Palästinenser waren oder sind und Araber auch oder was weiß ich, dann könnte sich doch das UNRWA auch in diesen Flüchtlingslagern kümmern! Denen geben wir doch jedes Jahr mehr Geld als dem anderen Laden! Seibert?!!
Seibert (der Pressesprecher): Ja, Chefin?
Merkel: Ist das da ein Mikrofon in der Pizzaschachtel?
*grzz--*
Egal wie die Lagebesprechung auch ausgegangen sein mag, mehr Geld für Jordanien oder den Libanon gab es nicht. Weder aus Deutschland, noch aus Europa noch vom UNRWA. Und dann sagt Herr Gabriel, dass die „internationale Gemeinschaft“ die Lage nicht rechtzeitig erkannt hat? Gabriel aus dem Goldland, dem die Sonne angeblich aus dem Arsch scheint (dem Land), wundert sich? Gabriel wunderte sich auch schon, dass es Italien und Griechenland nicht schafften, die „Außengrenzen zu schützen“ als die Flüchtlinge in Massen nach Lampedusa oder Kos kamen. Aber kümmern sollten sich Italien und Griechenland um die Leute, so geschrieben und beglaubigt im Dublin-Abkommen. Flüchtlinge? Das Problem anderer Leute! Nun nicht mehr und die Gesichtszüge Gabriels werden nur noch mühsam von Dreiwettertaft zusammengehalten.
Das sind die wahren Fluchtursachen(…), Frau Merkel, Herr Gabriel
Krisen werden bei Ihnen nur dann zur Chefsache, wenn sie sich in Ihnen Allerwertesten verbissen haben und auch umdrehen nicht mehr hilft. Management by Meinungsumfrage mag prima funktionieren, wenn der Himmel blau und das Wasser ruhig ist. Sie haben sich aber daran gewöhnt, Belanglosigkeiten von sich zu geben, deren Wirkung auf die Sendezeit einer Talkshow oder die Aktualität einer BILD-Zeitung begrenzt waren. Noch nie hat eine Floskel wie „der Krieg in Syrien muss beendet werden“ einen Krieg auch nur um eine Sekunde verkürzt! Noch nie haben verzweifelte Menschen den Aufruf „hier sind alle willkommen“ im Geist mit „solange der Vorrat reicht“ ergänzt! Ihr jahrelanges Zögern und Verschleppen im Syrienkonflikt hat uns in diese Lage gebracht. Sie sind (mehrfach) gewählt worden, um dieses Land zu führen. Auch wenn ich selbst Sie nie gewählt habe: Tun sie endlich ihren Job!
67 Jahre und kein Bisschen l(w)eise
Derzeit befinden sich nach aktuellen Schätzungen bereits etwa 800.000 Flüchtlinge in Deutschland. Ich spekuliere an dieser Stelle mal weder darüber, wie viele davon wieder nach Albanien, Montenegro, Indien (wirklich!) oder Rakkah (ein sicherer Herkunftsort für ganz bestimmte Muslime) zurück müssen. Mich interessiert eher die Attitüde, mit der die Gemeinden, Länder und der Bund das Problem angehen. „Ein Dach über dem Kopf“ sei jetzt das wichtigste, sag der saarländische Innenminister und hat damit Recht! „Dies ist der erste und wichtigste Schritt in Richtung Integration und Arbeitsmarkt“. Auch absolut richtig! Dabei ist es für Klaus Bouillon unerheblich, ob/wann/wie/warum die Asylsuchenden aus Syrien jemals in ihre Heimat zurückkehren werden oder können. Auch damit hat er Recht. Die anerkannten Asylbewerber sollen hier integriert werden, schon weil nur das die Spannungen verhindern könnte, die unweigerlich auftreten würden, wenn man die Menschen einfach nur in Lager steckt und den Schlüssel weg wirft. Der Mensch braucht Aufgaben und Perspektiven – egal ob Flüchtling oder Bio-Deutscher.
Und nun erkläre mir mal einer der Hamas-Unterstützer hierzulande, warum es die arabische Welt seit 67 Jahren nicht gebacken bekommt, diejenigen Flüchtlinge zu integrieren, die nach dem Überfall der arabischen Nachbarn auf Israel das Land verließen, warum wir das den arabischen Ländern das einfach so durchgehen lassen und immer noch Israel für die Lage dieser Menschen verantwortlich machen! 67 Jahre und viele der Flüchtlinge sind immer noch unwillkommen in ihren Gastländern, dürfen nicht arbeiten, keine Nicht-Palästinenser heiraten und sind in Lagern untergebracht. In arabischen Ländern wohlgemerkt! In Ländern derselben Kultur, Religion und Sprache! Wir sollen das also „schaffen“ und die palästinensischen Araber brauchen nach 65 Jahren immer noch eine eigene UN-Organisation, die es noch dazu nicht „schaffen“ darf? Immer wieder hört man Abbas und andere Dummschwätzer vom „Rückkehrecht“ schwafeln und kein Politiker hierzulande steht auf und sagt „Halt endlich die Klappe und kümmere dich um dein Volk“? Dieses Rückkehrrecht hat nie existiert und wird nie kommen! Die Unfähigkeit der arabischen Welt, ihre Konflikte selbst und zivilisiert zu regeln oder auch nur so etwas wie eine funktionierende Zivilgesellschaft aufzubauen hat dazu geführt, dass derzeit mehrere Millionen Araber auf der Flucht aus ihrer Heimat sind und ausgerechnet diese arabische Welt will Israel, die USA und Europa darüber belehren, was Recht und Unrecht ist? Das ist ja wohl ein schlechter Witz!
Der deutsche Vizekanzler ist wie sein Namensvetter, der Erzengel Gibril in das Flüchtlingslager Zaatari geschwebt und wurde dort wohl auch wie eine Erscheinung wahrgenommen. Ob er wohl einem Flüchtlingskind über den Kopf strich und dabei dachte ‚...wir müssen jetzt das kleinere Übel Assad unterstützen weil sonst noch mehr von euch nach Deutschland kommen. Und das nur weil wir jahrelang gepennt haben und dachten, das ihr schon nicht so weit laufen werdet oder irgendjemand mal euren Bürgerkrieg gewinnen wird, mit dem wir dann reden können….aber was soll man machen, ist ja nicht für lange. Der Assad, der hat keine Zukunft sagt meine Chefin. Und wenn sich jemand mit der Zukunft auskennt, dann meine Klimakanzlerin.‘...