„Ich will das alles gar nicht wiederholen, weil ich es eigentlich auch hasse, die Sätze, die da oft fallen im Netz wiederholen zu müssen.“ Da ist er also wieder, der Hass. Diesmal der Hass auf den Hass, geäußert in der Sitzung des Bundestages vom 19.5.2017, gesprochen ausgerechnet von einer der Abgeordneten, die dem Hass in besonderer Weise den Kampf angesagt haben – von Renate Künast. Den Hass hassen ist also legitim, Hass auf den Hass ist etwas absolut Gutes, lernen wir. Man könnte aber auch schlussfolgern, dass Hass auch ein zwar destruktives, aber durchaus legitimes menschliches Gefühl sein kann. Da müssen wir nur Frau Künasts Rede folgen. Die einen hegen und pflegen ihren Hass, angeblich ohne Grund und aus niederen Motiven, andere wiederum überfällt er wie ein Wolf infolge von Kränkungen, Missachtungen, Lügen oder Betruges – diese Form des Hasses nimmt Frau Künast für sich in Anspruch. Meinetwegen. Ich tue das auch.
Gegen welche Art des Hasses das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Heiko Maas sich am Ende richten wird und wie man die eine, böse Form des Hasses von der fremd induzierten unterscheiden will, steht noch in den Sternen. Heute jedenfalls gab es die eilig angesetzte erste Lesung des NetzDG im Bundestag und Frau Künast trat für ihre Fraktion ans Rednerpult. Auch den Grünen gefällt der Entwurf aus dem Justizministerium nicht, auch die Grünen monieren, dass man den schnellen Weg „durch die Hintertür“, also durch das Kabinett gewählt hat um es nun, kurz vor Ende der Legislaturperiode, noch schnell durch das Parlament zu prügeln.
Superheiko und die Nebelkerzen
Der Minister war natürlich als erster an der Reihe, sein Vorhaben dem Plenum und dem Volk jenseits der Donnerkuppel zu erklären. Und dies tat er in der Pose eines Robin Hood, als Rächer der Gekränkten und Beleidigten. Mordbuben gäbe es da draußen, die unbescholtenen und ahnungslosen Netzbürgern nach dem Leben trachteten. Diese Strolche würden dafür kämpfen, weiter ungestraft ihre Todesdrohungen verbreiten zu dürfen (was nicht stimmt). Eine gute Pointe wäre es gewesen, jetzt mit beiden Händen das Hemd zu zerreißen und einen Blau-rot-gelben Jumpsuit mit der Aufschrift „Superheiko“ erstrahlen zu lassen, doch das Hemd blieb intakt. An seiner Dramaturgie muss er wohl noch arbeiten, ebenso an seiner Argumentation. Es würden gar keine privaten Löschtrupps losgeschickt (was nicht stimmt), sondern lediglich ein privates Unternehmen dazu gebracht, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen (was leider auch nicht stimmt). Am Vortag verstieg sich Heiko Maas in einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion noch zu der Feststellung, dass es „keine empirischen Daten dafür gebe, dass es zu massenhaften und willkürlichen Löschungen kommen könnte“ (was stimmt, weil diese empirischen Daten erst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes entstünden). In der Bundestagsdebatte versuchte er eine Nebelkerze zu den finanziellen Sanktionen zu werfen. Es ginge ja nicht um die Einzelfälle! Erst, wenn sich ein Unternehmen renitent und verstockt zeige, käme es zur Anklage (was nicht stimmt, weil in den Bußgeldvorschriften in §4 ja steht, dass die Strafe von der „Wirksamkeit des Verfahrens“ gegen den Urheber abhängt. Das heißt, wenn nicht innerhalb 24 Stunden oder 7 Tagen gelöscht wird, ist das Verfahren nicht wirksam und das Bußgeld droht). Lieber Herr Maas, das war eine sehr plumpe Ablenkung! Als Hütchenspieler in Saarbrücken würden Sie zweifellos verhungern.
Wenn ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit so massiv einschränken will wie dieses, in erster Lesung auf der Tagesordnung des Bundestages auftaucht, ist Gefahr im Verzug. Und es war eine Genugtuung zu sehen, dass die Redner aller Fraktionen kaum ein gutes Haar an dem Entwurf ließen und viele auch klar die Gefahren benannten, die von ihm ausgehen. Nur der Minister selbst ist nach wie vor von seiner eigenen Brillanz überzeugt. Das Gesetz wird also zunächst an die Fachausschüsse übergeben, die es prüfen und verbessern sollen – und genau deshalb gibt es zunächst keine Entwarnung – das Gesetz wird dann zur zweiten Lesung zurückkommen!
Entwaffnende Ehrlichkeit
Ein Blick in die Tagesordnung zeigt zudem, dass es zum Thema noch einen weiteren Antrag gibt, und hier kommen wir wieder auf die Grünen und Frau Künast zurück. Deren Antrag darf einerseits als Ergänzung zum Lex Heiko verstanden werden, geht aber andererseits noch deutlich weiter. Außerdem enthält er einige Passagen von solch entwaffnender Ehrlichkeit, dass einem beim Lesen der Mund offensteht:
„In einer Zeit, in der alle möglichen Akteure problemlos publizieren und weiterverbreiten können, ohne dass sichergestellt ist, dass Publiziertes durchweg anerkannten journalistischen Sorgfaltspflichten entspricht, muss die Fähigkeit und die Bereitschaft gefördert werden, Inhalte kritisch zu hinterfragen und bewusst verfälschte und persönlichkeitsrechtsverletzende Nachrichten und Straftaten als solche zu erkennen.“
Muss ich Ihnen das, liebe Leserinnen und Leser übersetzen? Ich tu’s dennoch. „Diese verdammte Demokratie aber auch, in der jeder redet und schreibt, was ihm so einfällt. Noch dazu so, dass andere es lesen können und von diesen unqualifizierten Meinungen Kenntnis erhalten. Die Massenmedien, auch die im ‚Neuland‘, dürfen nur von journalistisch geschultem Personal mit qualitativ hochwertigen, sauberen Informationen ausgesuchten politischen Inhalts bestückt werden. Die Schere gehört in den Kopf – und zwar in jeden!"
Ich bin sicher, nicht alle Politiker denken so. Noch nicht mal alle Grünen! Aber es passt in die Beschreibung einer Welt der „höheren politischen Weihen“, in der sich Minister, Lobbyist und Chefredakteur abends zu einem Gläschen Château Mouton Rothschild im „Borchardt“ treffen und sich lachend ihre Weltsicht bestätigen und bespiegeln. Ein Klischee? Ein Vorurteil? Eine Tatsache? Alles davon! Nur bei dem Wein bin ich mir nicht sicher. Die Idee, dass es Meinungen geben kann, die weniger wert sind als andere, weil sie nicht aus teuren Maßanzügen gesprochen werden oder von Leuten ohne VIP-Faktor oder Professur, ist ein weit verbreitetes Elitenproblem. Allerdings eines wie Alkoholismus – man streitet es gern ab. Die verbalen Ohrfeigen für den „Nicht-Journalisten“, welche die Grünen hier austeilen, darf man daher als im Suff entstanden betrachten. Kinder und Betrunkene…sie wissen schon.
Totalversagen des Bildungssystems?
Sowohl im Maas-Entwurf wie auch im Antrag der Grünen kommt ein Wort immer wieder vor: Medienkompetenz. Das klingt positiv, meint aber nichts anderes als den vollendeten Zustand des „Neusprech“ in Orwells 1984, in dem der medienkompetente Mensch in der Lage sein wird, Gutes von Bösem, Richtiges von Falschem und Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Und woher kommt diese Kompetenz? Die Grünen werden deutlich:
"… attraktive und altersgerechte Angebote zu schaffen, die die Fähigkeit und die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger fördern (z. B. in schulischen und außerschulischen Institutionen), über Medien (Internet, Rundfunk, Print) verbreitete Inhalte kritisch zu hinterfragen, bewusst verfälschte Inhalte als solche zu erkennen, sie für persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte zu sensibilisieren (Medienkompetenz) und das zivilgesellschaftliche Engagement und die Kultur der Gegenrede zu unterstützen…"
Wer solches fordert, attestiert unserem Bildungssystem Totalversagen – denn das ist eine genuine Aufgabe der Bildung – und hält die Bürger per se für komplette Deppen oder Kleinkinder, denen man richtig und falsch erklären muss. Aber die Grünen sind natürlich auch Brückenbauer! Sie sorgen sich um die Journalisten, deren Berufsstand in Deutschland schon ganz schön auf den Hund gekommen ist. Immer mehr Zeitungen machen dicht, werden zusammengelegt, verkleinern ihre Redaktionen und sparen wo sie nur können. Da braucht man Anschlussverwendung, die man bekommt, wenn man zum Mietmaul wird und als Feigenblatt für interessengesteuerte „Recherche“ dient.
"…die unabhängige und selbstverwaltete Überprüfung von online veröffentlichten Fakten nach journalistischen Standards („Fact-Checking“) durch beispielsweise Nichtregierungsorganisationen oder Zusammenschlüsse von Medien zu unterstützen und dabei zu prüfen, ob eine (Teil-)Finanzierung eines unabhängigen Recherche-Fonds durch eine verpflichtende Abgabe von Diensteanbietern von Telemedien ab einer festzulegenden Größenordnung zu prüfen ist…"
Neue Pflichtabgaben für sauberen Journalismus?
Ein Recherchefond, in den die Sozialen Netzwerke einzahlen sollen, nachdem sie laut Maas‘ Gesetz schon Löschkommandos in Kompaniestärke und eine Horde Kommandierender Anwälte bezahlen müssen! Das Wörtchen „Teil“ in Teilfinanzierung steht übrigens für genau Ihren Teil, liebe Leser! Der kommt aus Steuermitteln nämlich on Top! Verlängern Sie also lieber schnell Ihr Abonnement des Hintertupfinger Tagesboten, bevor der Laden dichtmacht und die Redakteure zu „unabhängigen Faktencheckern und Qualitäts-Rechercheuren“ umgeschult werden.
Und damit auch für jeden was dabei ist, werfen die Grünen auch den Hensels und anderen Denunzianten dieser Welt ein Stöckchen zu:
"… eine Selbstverpflichtung der im Netz werbenden Wirtschaft zu initiieren, auf die Schaltung von Werbung auf solchen Webseiten zu verzichten, deren Geschäftsmodell ganz überwiegend auf die Verbreitung von zu definierenden Falschmeldungen (Fake News) ausgerichtet ist…"
Womit man zumindest mal auf das Dilemma hinweist, dass es bisher noch niemand geschafft hat zu definieren, was Fake-News eigentlich sein sollen. Ja, es ist absurd! Die ganze Debatte und all die Initiativen um den Schatten einer springenden Katze an die Wand zu nageln. Wie der Mechanismus dieser „Selbstverpflichtung“ funktioniert und wie leicht es ist, durch bloßen Verdacht, üble Nachrede und glatte Lügen unbequeme Webseiten von ihrer finanziellen Basis zu trennen, haben wir vor kurzem erst erlebt, als es Boykottaufrufe gegen die Achse des Guten und Tichys Einblick gab. Diese Art des Rufmords soll nun also auch noch gesetzlich verankert werden. Es geht also zunächst nicht um die Frage, ob ein solches Gesetz überhaupt so funktionieren könnte, wie beabsichtigt, sondern darum, ob es missbraucht werden kann. Und zwar zur Denunziation und genau der Mundtotmachung, die Maas ja sogar selbst beklagt.
Folgen des politischen Klimawandels
Und die Netze, werden Sie sich fragen. Werden die durch all das Gewurschtel besser und sicherer? Es gibt ja wirklich große Defizite, wer wollte das bestreiten. Ein Blick in die Begründung der Grünen für ihren Antrag lässt mich jedoch vermuten, dass es da eine ganz andere Agenda gibt: „Darüber hinaus sind zivilgesellschaftliches Engagement zahlreicher Menschen und Organisationen, wie die Kampagne „No Hate Speech“ und die „grüne Netzfeuerwehr“ zu begrüßen und unterstützen.“
Lob erfahren nämlich nur die eigenen Zensurorganisationen, denen es womöglich zu verdanken sei, dass es sowas wie soziale Netzwerke überhaupt gibt! Deren Betreiber nimmt man hingegen nur als "… milliardenschwere Unternehmen mit teils monopolartigem Charakter…" wahr, was sie zum Gegner und zum Reich des Bösen macht, der zu viel Geld hat, das er unmöglich ehrlich erworben haben kann. Ob es Zufall ist, dass es in Deutschland keine eigenen nennenswerten sozialen Netze mehr gibt? Sicher nicht. Und daran könnte ausnahmsweise mal wirklich der Klimawandel schuld sein. Der politische allerdings, nicht der, gegen den sich gerade tausende Windräder vergeblich drehen. Und dieser politische Klimawandel wird immer deutlicher dadurch, dass sich die Innovationsfreundlichkeit um mehrere Grade abgekühlt hat, während gleichzeitig die Reibungshitze durch Überwachung, Kontrolle, Gesetzesverschärfung, Verbote, Volkserziehung und Ursachenverschiebung kuschelige Nestwärme vortäuscht. Ein seltsamer Temperaturmix entsteht da in Deutschland.
PS: Damit wir am Ende auch noch was zum Lachen haben, sei kurz erklärt, was die Grünen in ihrem Antrag mit den sogenannten „Social Bots“ vorhaben. Sie wissen schon, diese „neuen digitalen Russen“, die als kleine fiese Antwortautomaten und Lügenverstärker immer dann „vor der Tür stehen“, wenn mal wieder eine Wahl nicht so gelaufen ist, wie das formidable Feuilleton sich das in Hinblick auf „Gerechtigkeit, Fortschritt und Multikulti“ vorgestellt hat. Üble kleine Dinger sind das, die so tun, als würden sie eine Kundenbeschwerde bearbeiten, dein Fan sein oder deine Meinung teilen. Die sollen nämlich, wenn es nach den Grünen geht, ausreichend gekennzeichnet werden, so dass man sie auch einfach als Bot identifizieren kann! Bei solchen verrückten Ideen ist es da schon leichter mit der Identifizierung. Denn wenn sie so absurd, weltfremd und undurchführbar sind, kommen sie todsicher von den Grünen! Übrigens, raten Sie mal, welcher deutsche Politiker die meisten dieser kleinen fiesen Meinungsverstärker als Follower hat? Richtig, Christian Ströbele von den Grünen! Einer der Mitzeichner des Antrags der grünen Bundestagsfraktion. Nun gut, beim Putzen soll man ja immer im eigenen Haus beginnen.
Da fällt mir ein: Warum eigentlich bei den Bots haltmachen, liebe Grüne? Ich fordere eine Kennzeichnungspflicht für Einbrecher, Mörder und Mafiapaten, damit man sie bei der Arbeit leichter identifizieren kann. Migranten könnten sich auch entsprechend markieren, damit sofort klar ist, ob ein Asylgrund besteht oder der Betreffende durch seinen Offiziers-Sold bei der Deutsch/Französischen Brigade ausreichend versorgt ist. Das Leben könnte so einfach sein, wenn wir nur alle nicht mehr nachdenken müssten!
Vielleicht sollte ich ja doch bei den Grünen mitmachen. Meine Ideen würden gut ins Portfolio passen!
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Zuerst erschienen auf achgut.com
Sandro Halank https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sandro_Halank