Von Viktoria Licht
Heute Abend gehe ich früh schlafen. Es ist 1.38 Uhr. Oder besser gesagt ich versuche es. Gestern habe ich mich um 2.12 Uhr hingelegt und bin gegen 3.50 Uhr für ein paar Minuten eingenickt. Zwischen, vor und nach eifrigen Gedankenkarussellen. Sie sind nicht schön und bunt. Weder finden sie im lichten Sonnenschein noch im Park statt. Es ist eher wie der Besuch in einer düsteren Geisterbahn mit dunklen Gestalten der Vergangenheit in einem zukunftslosen Gedankenverließ.
Ich habe Liebeskummer.
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„38. 000 Hannoveraner schlaflos.“ So titelte die örtliche Tageszeitung unlängst.
40 % schlafen aufgrund von Stress durch Konflikte im Job schlecht. Das sind 15.200 Menschen. Für jeden Vierten liegt der Grund des Schlafmangels in Ängsten und Sorgen. Also für 9.500 Menschen Für die restlichen 13.299 Menschen resultiert die Schlaflosigkeit aus Schichtarbeit am Arbeitsplatz oder Schmerzen oder Lärm.
Für eine Person ist der Grund Liebeskummer. Und das bin ich, auch wenn das nicht in der Zeitung stand.
Ich will nicht mehr an diesen schrecklichen Mann denken, der mir seit Jahren den Schlaf raubt. Den Schrecklichsten der Schrecklichen. Ich möchte nicht an die furchtbaren braunen Locken denken, wie sie ihm sanft in die Stirn fallen nicht an die wundervollen Bartstoppeln, die so herrlich erotisch in der Kniekehle kitzeln können. Ihm gelingt es sich in nur einem Tag einen Dreitagebart wachsen zu lassen. Er schaffte es nach dem Fußballspiel trotz der fünf Biere zu mir zu finden. Er kann stundenlang schweigen und nach dem Sex in nur 70 Sekunden einzuschlafen. Was für ein Mann!
Aber nun ist er nicht mehr da. Es soll ihm gehen wie Napoleon. Nachdem er aus übersteigerten Geltungsbedürfnis die Frau seines Lebens, seine Josephine verließ, um mit diesem jungen adligen Ding, Marie-Louise, der Tochter des Habsburger Kaisers Franz I am 1. April 1810 einen Thronfolger zu zeugen, sank sein Stern. Es folgten neben der unglücklichen Ehe Niederlagen, Absturz und Verbannung.
Es ist immer noch Nacht. Ich bin so müde, dass ich schon wieder wach bin. Wie soll ich bloß weiterleben? Dabei haben sich so derartig viele Paare getrennt und die meisten haben es überlebt. Fast allen ging es nachher sogar besser als vorher.
Andre Agassi und Brooke Shields haben sich nach nur zwei Jahren Ehe scheiden lassen. Beide haben wieder geheiratet und zeugten Nachwuchs: Jaden Gil, Jaz Elle, Rowan Francis und Grier. Natürlich nicht miteinander. Die Trennung verlief so harmonisch, dass Brooke Shields ihre Nachfolgerin bei ihrer eigen Hochzeit mit einem Komplimenten bedachte: „Steffi ist wie ein Mercedes - groß, stark und pannenfrei."
Gerhard und Hillu passten nun wirklich nicht mehr zusammen. Hiltrud als bekennende Vegetarierin und engagierte Natur- und Tierschützerin passte ja nicht so recht ins Kanzleramt. Die hätte vermutlich den ganzen Speiseplan durcheinandergebracht, die Bevölkerung zum Konsumverzicht und Nachdenken gebracht.
Auch Cindy und Bert trennten sich. Für die, die noch keine 50 sind, waren Cindy und Bert ein deutsches Schlagerduo, welches in den 1970er Jahren bekannt wurde und große Erfolge hatte, auch wenn sie beim Eurovision Song Contest in Brighton 1974 mit dem Titel „Sommermelodie“ Letzte wurden. Sie waren immer für alle der Inbegriff der romantischen Liebes- und Arbeitsbeziehung. Immerhin bewiesen sie, dass man nach der Scheidung gute Freunde bleiben kann. So harmonisch lief es, dass sie sogar 2006 beide gemeinsam für eine Woche im Big Brother-Dorf lebten. Vermutlich war das die Seniorenstaffel.
In 28 Jahren will ich nicht ins Big Brother Dorf. Nicht einmal mit dem Schrecklichsten der Schrecklichen.
Die Nacht ist sternenklar. Eine Nacht, die nicht zum Alleinsein da ist. Bestimmt war es ein Scherz. Ein Irrtum. Vielleicht ist er krank. Er meint es nicht so. Er kann es gar nicht so meinen. Bestimmt ruft er jeden Moment an und gesteht seine Liebe.
Wie eine Schlange starre ich auf das Telefon, als ob es alleine durch meine Geisteskraft anfangen könnte zu klingeln.
Irgendwann, etwa vor 300 Jahren, hat ihn, den Wunderbaren, mal wer gefragt ob es wehtut verliebt zu sein. „Aber Ja“, hatte er geantwortet. - Aber es tut sowieso alles weh: Verliebt sein, nicht verliebt sein, zu lieben und nicht zu lieben.
Ich habe die Großen der Geschichte um Hilfe angerufen: Buddha, Jesus, Bagwahn und Rio Reiser.
Buddha: „Wer hundertfaches Liebes hat, hat hundertfaches Leid. Wer ein Liebes hat, hat ein Leid. Wer kein Liebes hat, hat kein Leid.“
Jesus: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden."
Bagwahn: „..Be quiet, be loving, be fearless.
Und noch einmal Bagwahn: „Eine Liebe, die auf einen anderen Menschen angewiesen ist, ist eine arme Liebe. Eine Liebe, die in dir entsteht, Liebe, die du aus deinem eigenen Wesen erschaffst, ist reale Energie.“
Rio Reiser: „Wenn der Frühling kommt und deine Seele brennt. Du wachst nachts auf aus deinen Träumen, aber da ist keiner der bei dir pennt. Wenn der auf den du wartest dich sitzen lässt, halt dich an deiner Liebe fest, halt dich an deiner Liebe fest.“
Aber auch das hilft nicht.- Nichts hilft. Ich sollte ins Krankenhaus um mich ins Koma versetzen zu lassen, wie man es mit Drogensüchtigen tut. Dann erwache ich und der Albtraum ist vorbei. Ich werde wieder atmen und essen und vor allen Dingen schlafen können. - Schwups man steht auf und hat quasi ein neues Leben mit neuen Gefühlen.
Das könnte ich gleich mit einer kleinen Reise nach Spanien, Italien, Großbritannien oder in die Vereinigten Staaten verbinden, da in Deutschland diese Form des Drogenentzugs, zumindest bei Heroin nicht legal ist. Aber vielleicht machen Sie für mich und meinen Liebeskummer eine Ausnahme?
Magnesium soll beruhigen. Ich schlucke seit Stunden tonnenweise davon. Ich habe schon das Gefühl zu kristallisieren, aber meine Nerven flattern weiter. Ich muss aufpassen beim Zigarettenanzünden. Magnesium ist leicht entzündlich. Vermutlich leuchte ich bald wie Blitzlichtpulver.
Was ist eigentlich das Gute an einer Beziehung?
Romy Schneider hat für viel Geld den Mann einer anderen Frau freigekauft, um schließlich von ihm nach der Geburt ihres Sohnes in einer Wohnung in Berlin als Ganztagsmutter und Hausfrau zu verkümmern. Ihr Mann, Harry Meyen, wollte das so und Romy sagte dazu: „Ich lasse mich gern von ihm führen. Ich brauche einen Mann, der bestimmt, was mir guttut. Das ging zwei Jahre mehr oder weniger gut. Ihr Mann hatte inzwischen angefangen zu trinken und aufgehört ein guter Schauspieler zu sein. Sie zahlte abermals viel Geld, um ihn wieder loszuwerden und lebte von nun an in Paris.
Petra Kelly wurde von ihrem Liebhaber erschossen. Damit repräsentiert sie die größte Wahrscheinlichkeit für eine Frau eines gewaltsamen Todes zu sterben.
Marilyn Monroe schlitterte von einer unglücklichen Beziehung in die Nächste und lässt sich zwischendurch immer wieder psychotherapeutisch behandeln. Für das entzückende Foto über einem Entlüftungsgitter der New Yorker U-Bahn wurde sie von ihrem damaligen Ehemann grün und blau geschlagen. Nein, ich meine nicht Arthur Miller, sondern den Baseballspieler Joe DiMaggio. Kurz vor ihrem Tod, 1962, plante sie ihn ein zweites Mal zu heiraten. Sie soll übrigens keinen Spaß an Sex gehabt haben. Unter einer Sexgöttin versteht man heute wohl etwas anderes.
Anders war dies zumindest bei Elisabeth Taylor, während sie mit Ehemann Nummer 5 und Nummer 6, Richard Burton, verheiratet war. Zumindest zwischen Alkoholexzessen und Handgreiflichkeiten sollen sie sich fast animalisch geliebt haben.
Alle berühmten Liebesgeschichten waren endlich und unglücklich. Macht es überhaupt Sinn lebenslange Zweisamkeit anzustreben? Sich freiwillig in einen Beziehungsknast zu begeben, ständig darüber Rechenschaft ablegen zu müssen was man tut, warum man es so tut und damit leben muss, dass das meiste als Unsinn abgewertet wird, es sei denn es entspricht der traditionellen Frauenrolle?
Die Nacht ist zu still, wenn ich im Bett liege. Allein. Den Schmerz auskostend – kotzend.
Die meisten amerikanischen Frauen schätzen eine Beziehung schon dann als glücklich ein, wenn der Gatte kein Alkoholiker ist, sie nicht schlägt und mehr oder wenigerer treu ist. Aus Negationen einen positiven Zustand zu konstruieren ist echt amerikanisch.
Die einzig historisch belegte gelungene Liebesgeschichte war vermutlich deshalb glücklich, weil es gar keine richtige Beziehung war. Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre liebten sich seit sie sich kennengelernt hatten und bis zum Tod Sartres. Das waren 50 Jahre. So etwas Bürgerliches wie eine Ehe lehnten beide ab. Ihre Liebe sollte nicht zu Zwang und Gewohnheit werden. Sie erlaubten sich ausdrücklich andere sexuelle Beziehungen, und forderten sich lediglich eine bedingungslose Ehrlichkeit ab. Sartre erzählte Castor, wie er Simone nannte, ausführlich, wie er junge Mädchen von ihrer Jungfräulichkeit befreite, darunter eine Schülerin von Simone de Beauvoir, mit der sie etwas später selber in Bett ging. Das erzählte sie ihm auch. Olga, so hieß sie, heiratete später den Geliebten von Simone, die auch nach der Heirat noch eine intime Beziehung zu ihm pflegte, was Sartre natürlich auch wusste nicht aber Olga. Aber die hatte ja sich ja auch nicht dafür entschieden ehelos zu bleiben, aber dafür nicht angelogen zu werden.
Aber selbst für den außerordentlich unwahrscheinlichen Fall, dass ich doch noch mal eine Beziehung haben wollte, stehen die Chancen statistisch gesehen schlecht bis sehr schlecht.
Die Statistik, vermittelt düstere Zahlen: Von den überhaupt nur in Frage kommenden Männern, also den 19 % Akademikern, sind 51 % übergewichtig und 82 % leben in einer festen Partnerschaft oder sind verheiratet.
Also bleiben schlappe potenzielle 1,6758 Prozent. Von 100 Männern sind das eineinhalb Männer von 200 drei. Da kann man sich sonstige Kriterien wie gutes Aussehen, Nettigkeit, Wohnortnähe, Charakterstärke, funktionsfähige Geschlechtsorgane glatt sparen. Sonst landet man bei 0,0032 Prozent.
Oder soll ich mit einem Nichtakademiker so enden wie Kronprinzessin Victoria, die ihren Daniel erst einmal zu Benimmkursen schicken musste? Ein Fitnesstrainer, auch kein Gutaussehender, kommt mir nicht ins Haus. Ins Bett vielleicht. An den Tisch niemals.
Wie schön wäre es doch, 100 Jahre früher geboren zu sein und von den Eltern einen netten Mann ausgesucht zu bekommen mit dem man für immer zusammenbleibt. Oder alternativ, ein wenig weiter süd-östlich, wo man womöglich schon mit 12 das Glück hätte dem leidigen Thema der Partnersuche entbunden zu sein.
Die Zeit vergeht zu langsam. Es ist immer noch Nacht. Vermutlich wird es immer Nacht bleiben. Jede blöde Bank erhält einen Rettungsschirm. Und mich lässt man einfach so auf den Boden knallen. Dabei gibt es Rettungsschirme für einen sicheren Notabstieg schon ab 545,00 Euro. Warum habe ich mir so ein Ding nicht frühzeitig angeschafft?
Aber wenn ich frühzeitig an spätere Zeiten gedacht hätte, wäre diese schreckliche Beziehung gar nicht zustande gekommen. Kein Mann kein Ärger. Aber wenn man da erst mal drinhängt, ist der Ärger sowieso da. Mit oder ohne Mann.
Es ist 3 Uhr 58. Habe ich geschlafen? Es wird langsam hell. Vielleicht ist die Tageszeitung schon da. Ich werde mal aufstehen und nachschauen. Heute müssten Bekanntschaftsanzeigen dabei sein.