Auch ich habe Teile der Corona-Politik für Mist gehalten, aber deswegen wähle ich keine rechtsextreme (proto)faschistische Partei (nach den Maßstäben/Definitionen von Umberto Eco, Timothy Snyder und Jason Stanley).

Auch meine wenigen negativen Erfahrungen mit Immigranten rechtfertigen das nicht. Hier fehlen bei sehr vielen Menschen die Politische Bildung und das Wissen um konkrete Parteiprogramme.

Vor allem Frauen, die FPÖ wählen, sind genauso weird wie Frauen, die Trump wählen; bei Akademiker*innen gilt: Vielwisserei macht noch keinen Verstand und wir produzieren seit Bologna auf allen Ebenen sehr viele Fachidiot*innen ohne jede Empathie, Bildung und analytischem Denkvermögen - kurz, ohne jeden Charakter.

Weiters sind viele FPÖ-Wähler*innen durch die asozialen Medien verhetzt und bewegen sich nur mehr in ihren rechtsrechten FPÖ-Blasen (in die ich hier am Land leider viel Einblick habe). Die fehlende Medienkompetenz in weiten Teilen Österreichs und das miserable Schulsystem seit der Zentralmatura - wo es nicht mehr um Bildung geht, sondern nur mehr um weltfremde "Kompetenzen" und noch mehr Bulimielernen als früher - sind Indizien und Erklärungen für die breite Wissenschaftsfeindlichkeit und dafür, dass die FPÖ mittlerweile eine "Volkspartei" ist.

Es gibt Dutzende Lösungsvorschläge, wie man die Menschen wieder von der FPÖ wegbekommen könnte, aber die ÖVP streubt sich mit Haut und Haaren gegen alle.

Zum Beispiel: unser Schulsystem gehört grundlegend geändert, mondernisiert, egalitärer gemacht - Bildung wird vererbt und hängt von der Geldbörse (oder dem Erbe) der Eltern ab und das ist sehr destruktiv. Ähnliches gilt für die Universitäten und FHs.

Medienkompetenz und Politische Bildung sollten überall und an alle Menschen vermittelt werden, nicht bloß in Schulen, und dort leider gegenwärtig auch nur sehr halbherzig.

Apropos Medien: wir haben in Österreich keine wirkliche Medienpluralität (und keine in IHS, WIFO, FMA...). Wir haben zu 90% konservative neoliberale Medien in den Händen von (sehr) reichen Menschen - das wirkt sich auf Blattlinie und Agenda aus.

Frauenpolitisch hat sich ebenfalls in den letzten 30 Jahren viel zu wenig getan - ein Problem diesbezüglich ist auch die Abwanderung von gebildeten Frauen aus dem ländlichen Raum: zurück bleiben rechtskonservative Männer und Incels in ihren Schwurbler-Echokammern.

Die Mitte ist deutlich weiter rechts als vor 30 Jahren - schön zu sehen, wenn Personen aus der so genannten selbst ernannten "Mitte" ironiefrei rechtsrechte Talking Points wiederkäuen - wie etwa den Begriff "Genderwahn" - und wohl nicht einmal verstehen, was sie da von sich geben. Die Indoktrination durch die beiden rechtspopulistischen Parteien und ihrer Medien reicht (u.a. finanziert durch Inseraten- und Postenkorruption) mittlerweile sehr tief in verschiedenste Milieus, Schichten und Klassen hinein.

Die zumeist rechtskonservativen Medien haben sich in ihr Schicksal ergeben und kämpfen überhaupt nicht mehr gegen diese reaktionären Erschütterungen an. Mir fehlt nahezu komplett der nationale Schulterschluss gegen Rechtsextremismus und (Proto-)Faschismus. Das Alles ist (international) salonfähig geworden und mittlerweile Mainstream: wir bewegen uns historisch eindeutig in die Vergangenheit. Und das Ganze wird noch verharmlost oder bejubelt. Sehr selten, wenn ein (w)irrer Typ wie Trump daherkommt und so großen Widerspruch erfährt. Die aktuelle FPÖ ist nicht weit von MAGA und project2025 entfernt, das große Vorbild Autokrat Orban ist ohnehin da mittendrin.

Ich unterrichte Jungendliche und die sind auch weitestgehend nicht mehr zugänglich für rationale Argumente und Diskussionen. Sie sind aufgekickelt und mir schwant Fürchterliches für unser aller Zukunft; warum wird das nicht vollumfänglich und ominpräsent thematisiert? Wir erleben gerade (nicht nur) hier am Land/mittelgroßer Stadt eine Radikalisierung von Sprache und Diskurs, wie ich es seit Haider nicht erlebt habe (wobei ich da selbst eine Jugendliche war). Die asozialen spalterischen Medien gehören entmachtet und reguliert, anonsten haben wir spätestens 2033 eine FPÖ-Alleinregierung. Ich bin bis dahin nicht mehr in Österreich, aber mir täte es um unser Land und die anderen Menschen hier sehr leid. Solidarität ist, außer bei selbst verschuldeten Naturgewalten (Klimakatastrophe), ein Fremdwort. Das leben leider sogar schon meine Schüler*innen und sie sagen auch, das Schulsystem fördert Egoismus und Sozialdarwinismus (wobei sie es anders ausdrücken, weil sie diese Begriffe gar nicht mehr kennen - Maturanten!).

Die Medien müssen gegen den Rechtsruck genauso ankämpfen wie die Schulen und Universitäten, sonst wird es sie alle bald nicht mehr geben.

Der Ernst der Lage ist der geschichtsvergessenen egoistischen Masse nicht bewusst (im Gegenteil: wer warnt, wird ausgelacht, wie damals): die FPÖ meint es eben gerade nicht gut mit uns allen und es wird Zeit nicht nur für Warnungen von Intellektuellen und Künstler*innen.

Ich habe auch in der Stahlbranche gearbeitet und dort entkommt man nirgends mehr der FPÖ-Hetze (die politische Einstellung der aufgekickelten Eltern überträgt sich bereist auf die Jugendlichen). 50% dort sind eingefleischte Rechte und keine "Harmlosen", mit denen man noch reden kann. Unsere Solidargesellschaft wird es bald nicht mehr geben, wenn es so weitergeht. Die Berufsschulen bilden hier außerdem noch weniger Gegengewicht als die AHS und NMS.

Ich hatte noch nie Angst vor der (politischen) Zukunft in Österreich, aber seit Kurz die Hardcore-FPÖ salonfähig gemacht hat und Kickl jetzt mit seinem menschenverachtenden retro-Programm bei 28% liegt, fühle ich sie. Wer Nazis wählt, ist ein Nazi. Das ist kein Land mehr in dem ich leben möchte und ich bin glücklicherweise nicht ganz allein mit dieser Meinung.

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Stinktier

Stinktier bewertete diesen Eintrag 05.10.2024 22:00:50

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