Der Wecker ist gestellt, doch ich gebe ihm keine Chance, bin vorher wach. Stehe auf, als leidenschaftlicher Frühaufsteher kein Problem für mich. Schaue aus dem Fenster, kein Starkregen, kein Eis und auch kein Schnee. Raus aus dem Schlafzeug, rein in die Laufsachen. Kaffee muss sein, vorher, handgebrüht; während dessen die Diabeteskatze füttern und spritzen. Zwei Becher Kaffee und das Bewusstsein wird teilweise wach.

In die Laufschuhe schlüpfen und fest zurren, sehr fest. Ich ziehe die Tür hinter mir zu, stelle fest, dass das dickere Paar Handschuhe besser wäre, gehe aber nicht zurück. Rückschau auf dem Fahrrad, weil ich wissen will, dass auch das Rücklicht funktioniert. Viel Licht und viele Reflektoren am Rad plus eine Leuchtweste betrachte ich als zusätzliche Überlebens-Chance auf dem Rad durch die Stadt zu meiner Laufstrecke, selbst um diese frühe Zeit.

Bin da, schließe das Rad an, gehe über die Brücke, dann runter zum Kanal, richte währenddessen meine Mütze, dass sie auch vollständig die Kälte von meinen Ohren fernhält, spucke noch einmal. Und dann geht’s los, ganz locker, ganz leicht; der Rhythmus wird sich bald einstellen, ich weiß das. Es ist dunkel und auch wieder nicht. Gerade im Dunkeln sehe ich sehr gut von woher überall Licht kommt und aus welchen Quellen es scheint. Keine Schmerzen, kein Mangel an Luft, ich habe das lange geübt. Der Rhythmus stellt sich ein, eine Entenschar flüchtet Richtung Wasser, nicht wissend, dass ich ungefährlich für sie bin. Gelassenheit erreicht mich, Ärger verflüchtigt sich, die Gedanken beginnen ihr Eigenleben. Dieses Eigenleben betrachte ich gerne, nie weiß ich, wohin es sich entwickeln wird, bin gespannt.

Erreiche die Brücke über den Kanal zurück. Mir ist warm, ziehe die Handschuhe aus und halte sie nur mit den Händen fest. Meine Geschwindigkeit erhöht sich von ganz alleine, alles ist geschmeidig. Bei erhöhtem Gedanken-Eigenleben weiß ich manchmal in der Dunkelheit nicht so genau, wo ich gerade bin, trotzdem ich die Strecke auch im Schlaf laufen könnte. Bin auch schon mal an der „Ausfahrt“ vorbeigelaufen; egal, dann halt wieder zurück.

Komme an mein Rad zurück. Den Rückweg kann ich schneller fahren, weil die Muskeln warm und geschmeidig sind; fahre im Siebten von sieben Gängen. Habe das Gefühl, nichts kann mich mehr aufhalten, außer die roten Ampeln natürlich.

Zuhause angekommen sitze ich am Küchentisch mit einem Becher Kaffee. Mir geht‘s gut. Die geerntete Gelassenheit wird mir über den Tag helfen.

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Hansjuergen Gaugl

Hansjuergen Gaugl bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

fischundfleisch

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