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Die Zwangsstörung
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Wie alle anderen Fantasieprodukte werden auch Zwangsgedanken durch Wünsche hervorgerufen. In der Regel verfolgen diese Wünsche niedere, mitunter sogar grausame Ziele, mit denen sich die Betroffenen bewusst nicht identifizieren, ja die sie sogar entschieden ablehnen. Oft handelt es sich dabei um Wünsche, die feindselige Regungen gegenüber geliebten Personen oder sexuelle Gewalthandlungen zum Inhalt haben. Ist die Triebregung zu stark, kann sie nicht einfach aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Vielmehr besteht die psychische Abwehr darin, die inkriminierte Wunschvorstellung vom übrigen Denken zu isolieren. Beim Vorgang der Isolierung wird die Vernetzung von Gedanken, Triebregungen, Wünschen mit anderen psychischen Inhalten im neuronalen Netz unseres Gehirns unterbunden. Danach führen sie im Unbewussten eine Art Eigenleben. Wann immer es einem isolierten Triebimpuls gelingt, sich Zugang ins Bewusstsein zu verschaffen, ruft er denselben Konflikt hervor, der schon einmal zu seiner Abspaltung und Isolation geführt hat, und er muss daher durch eine entgegengesetzte Vorstellung neutralisiert oder ungeschehen gemacht werden.
Allen Zwangsstörungen liegt eine hochgradige Ambivalenz gegenüber einer wichtigen Bezugsperson aus der Kindheit zugrunde: der Wunsch, eine Handlung zu setzen und sie im gleichen Atemzug wieder rückgängig zu machen. Im Aberglauben finden sich viele Beispiele, die diesen Zusammenhang unterstreichen. Eines davon ist die Redewendung „Verschrei es nicht“, um eine voreilig ausgesprochene Behauptung zurückzunehmen. Wie sich ersehen lässt, haben Zwangsgedanken dieselbe Grundlage wie der Glaube an die Wirksamkeit von Flüchen oder Zaubersprüchen: das magische Denken. Im magischen Denken eines Kindes wird zwischen Gedanken und Taten, zwischen Fantasie und Wirklichkeit noch nicht unterschieden. Böse Wünsche haben nur dann keine Folgen, wenn sie durch einen entsprechenden Gegenzauber aufgehoben oder ungeschehen gemacht werden. Dieser Vorgang der Verhinderung bzw. des Ungeschehenmachens liegt den meisten Formen der Zwangsstörung zugrunde. Die ganze Palette der Zwangsrituale sowie der zwanghaften Gedankenformeln lässt sich auf dieser Basis verstehen.
Auch übertriebene Sorgen um das Wohlergehen eines nahe stehenden Menschen können ein Hinweis auf die Existenz verborgener feindseliger Wünsche sein. Man spricht in diesem Fall von einer Reaktionsbildung. Dabei wird der ursprüngliche Impuls im Sinne des psychischen Abwehrvorganges durch das entgegengesetzte Bestreben ersetzt. Philosemitismus ist häufig eine Reaktionsbildung auf unterschwelligen Antisemitismus, die Idealisierung von Andersfarbigen oder Ausländern oft ein Hinweis auf latenten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Beim Ungeschehenmachen verhält sich eine Person in ihrem gesamten Verhalten so, als hätte ein bestimmtes Ereignis nie stattgefunden. Angstauslösende Gedanken sollen durch magische Formeln oder Handlungen ungeschehen gemacht werden. Allein die Formulierung „Seine Hände in Unschuld waschen“ genügt, um den tieferen Sinn des Waschzwanges zu begreifen: Jemand, der seine Hände „schmutzig“ gemacht hat, möchte damit die Schuld von seinen Händen waschen, um auf diese Weise die böse Tat ungeschehen zu machen.
Der Ordnungszwang, bei dem schon der kleinste Schritt in Richtung Unordnung rückgängig gemacht werden muss, kann der Vergewisserung dienen, dass alles wieder unter Kontrolle, das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Stets verhindert die eine Hand, was die andere tut, oder nimmt es wieder zurück. Die anstößigen Wunschvorstellungen, die für die innere Spannung verantwortlich sind, bleiben unbewusst. Sie lassen sich aber leicht aus dem jeweiligen Abwehrvorgang erraten. Kognitiv wissen die Betroffenen zwar genau, dass es sich bei ihren Vorstellungen bloß um Einbildungen handelt. Emotional verhalten sie sich aber so, als wären diese real begründet.
Wer Zwänge hat, leidet signifikant häufiger unter unbestimmten Angstzuständen, einem erhöhten Kontrollbedürfnis, Pessimismus und einer verstärkten Suchtneigung. Bei Süchtigen wechseln sich Phasen der hemmungslosen Gier und der zwanghaften Abstinenz ab. Auch die Magersucht lässt sich aus dieser Warte als zwanghafte Abwehr der oralen Aggression und Gier deuten. So gesehen weisen Menschen, die zu Zwängen neigen, meist eine schwere Störung ihrer Trieb- und Impulsregulation auf.
Ein höherer Beamter stöberte gerne in Buchläden. Als er sich wieder einmal in einem aufhielt, kam ihm plötzlich der Gedanke an einen Ladendiebstahl. Er überlegte, wie er es anstellen könnte, Waren durch die elektronische Diebstahlssicherung beim Ausgang zu schmuggeln. Das erschien ihm als eine intellektuelle Herausforderung. Es vergingen Monate und der flüchtige Gedanke war längst in Vergessenheit geraten. Eines Tages suchte er zufällig dieselbe Buchhandlung auf. Völlig unvermutet fürchtete er, jemand könnte ihm unbemerkt ein Buch oder eine CD in seine Tasche gesteckt haben, sodass die Alarmanlage beim Hinausgehen anschlagen würde. Wie sollte er dann der Kassiererin erklären, dass er kein Ladendieb war? Sie würde ihm unmöglich Glauben schenken. Um sicherzugehen, kontrollierte er seine Tragtasche, bevor er den Laden verließ.
In den darauffolgenden Wochen wurden seine Ängste immer stärker. Er vermied es nach Tunlichkeit, Geschäfte mit elektronischer Diebstahlssicherung zu betreten. War er dennoch gezwungen, in einem solchen einzukaufen, überlegte er lange hin und her, ob er vor dem Passieren der Diebstahlsschranke nicht die Kassiererin über die Möglichkeit, dass ihm jemand ohne sein Wissen einen Artikel zugesteckt haben könnte, in Kenntnis setzen sollte. In weiterer Folge dauerte es immer länger, bis er es wagte, durch die elektronische Schranke zu gehen, weil er fürchtete, der Alarm könnte allein schon durch seine Angstspannung ausgelöst werden.
Dem Mann war natürlich die Absurdität seiner Befürchtungen bewusst. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf die Idee kam, gerade ihm und noch dazu unbemerkt ein Buch zuzustecken, war verschwindend klein. Trotzdem schützte ihn dieses Wissen nicht. Sobald er sich der elektronischen Diebstahlssicherung näherte, reagierte er gefühlsmäßig so, als würde er Sekunden später vor der ganzen Welt als Ladendieb entlarvt sein. Dieses und auch die nächsten Beispiele zeigen, dass unsere Realitätssicht weniger vom kognitiven Wissen als von unserem Empfinden abhängt. In vielen Bereichen sehen wir die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie wir sie sehen wollen oder aus einer unbewussten Bedingtheit heraus sehen müssen. Dem Geschehen auf der realen Handlungsebene liegt dabei stets eine unbewusste Dynamik zugrunde, die sich der Kenntnis des Betroffenen üblicherweise entzieht. Auch die nächsten Beispiele handeln von Menschen, bei denen unbewusst motivierte Fantasien Realitätscharakter erhalten und Angstzustände hervorrufen.
Eine Studentin, deren Vater aus beruflichen Gründen oft fliegen musste, kam eines Tages der Gedanke, dass sein Flugzeug abstürzen könnte. Bald wurde die Vorstellung zur fixen Idee. Gleichzeitig kämpfte sie gegen ihre Befürchtungen an, weil sie davon überzeugt war, erst der Gedanke an den Absturz würde die Katastrophe herbeiführen. Jedes Mal, wenn sie die Geräusche eines Flugzeuges am Himmel vernahm und zwangsläufig an den Absturz des Flugzeuges dachte, wurde sie von panischer Angst ergriffen, dass sie die Schuld träfe, wenn ihr Vater nun wirklich verunglückte.
Ein junger Vater brachte seinen siebenjährigen Sohn zu einer befreundeten Familie, mit der das Kind aufs Land fahren sollte. Er half beim Verstauen der Gepäcksstücke und bedankte sich noch einmal recht herzlich dafür, dass seine Freunde den Jungen über das Wochenende mitnahmen. Als das Auto wegfuhr, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er sich von seinem Sohn nicht „richtig“ verabschiedet hatte. Mit einem Mal überfiel ihn die Panik, sein Versäumnis könnte dazu führen, dass er seinen Sohn nie wieder sehen werde. Schreckliche Dinge gingen ihm durch den Kopf. Einmal sah er das Kind bei einem Autounfall tödlich verunglücken, dann wieder ertrank es beim Baden in einem Teich. Das ganze Wochenende plagten ihn schwere Ängste und Schuldgefühle. Er gelobte, für den Fall, dass die erwartete Katastrophe ausbliebe, seinem Sohn nie wieder zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken.
Eine im realen Leben äußerst liebevolle Mutter wiederum überfiel panische Angst, sobald sich ihre Vierjährige einem Brücken- oder Balkongeländer näherte. Sie fürchtete stets, das Geländer könnte nachgeben und ihre Tochter zu Tode stürzen. Das kognitive Wissen um die Irrationalität ihrer Befürchtungen half ihr nicht im Geringsten.
Paranoia
Bei vielen Menschen gehen Fantasien mit einem Gefühl der subjektiven Gewissheit einher, ohne dass ihre Inhalte durch die Realität begründet wären. Man spricht in diesem Zusammenhang von Einbildungen. Gelegentlich organisieren sich Fantasien sogar zu komplexen, nicht korrigierbaren Wahnsystemen mit unplausiblen Inhalten, ein Umstand, der für die Ausbildung von Glaubenssystemen nicht unerheblich ist.
Eine alleinstehende, enthaltsam lebende Frau Mitte vierzig engagierte sich seit vielen Jahren in ihrer Pfarrgemeinde. Nachdem der alte Pfarrer von einem jungen, gut aussehenden Priester abgelöst wurde, kamen ihr plötzlich Bedenken, ob ihr Engagement nicht missverstanden werden könnte. Die Befürchtung wurde allmählich zur fixen Idee. Wo immer sie hinkam, fühlte sie die Blicke auf sich gerichtet. Sie glaubte zu spüren, dass die Leute die Unterhaltung einstellten, sobald sie in die Nähe kam. Der Gesichtsausdruck anderer erschien ihr mit einem Mal höhnisch und verächtlich. Es dauerte nicht lange und sie war davon überzeugt, dass hinter ihrem Rücken über sie getuschelt wurde, weil man ihr ein Verhältnis mit dem neuen Pfarrer nachsagte. Als Reaktion zog sie sich immer mehr zurück, um dem vermeintlichen Gerede zu entgehen. Besorgte Anfragen, was mit ihr los sei, quittierte sie mit einem überlegenen, wissenden Lächeln, was so viel hieß wie: „Mir könnt ihr nichts vormachen, ich habe euch durchschaut.“
In ihren Tagträumen beschäftigte sie sich fortwährend mit den vermeintlichen Unterstellungen, um diese „ungeheuren Verdächtigungen“ im selben Atemzug entrüstet von sich zu weisen. Als sie einmal nach der Sonntagsmesse an einer Gruppe von Kirchgängern vorbeiging, war sie sich sicher, die Beschimpfung „Pfarrershure“ vernommen zu haben. Nun geriet sie vollends in Panik. Sie traute sich oft tagelang nicht aus dem Haus. Überall witterte sie Feinde. Sogar in den Gebüschen rund um die Kirche schienen sich ihre Verfolger zu verstecken, um sie beim Vorbeigehen zu beschimpfen. Die Stimmen, die sie mit Obszönitäten bedachten, wurden dabei immer dreister und aufdringlicher. Zu guter Letzt höhnten sie sogar schon aus den Wänden ihrer Wohnung. Das Wahnsystem uferte aus.
Es gehört nicht viel dazu, um den Hintergrund dieses Wahnsystems zu erraten. Es ist keine Seltenheit, dass sich einsame, sexuell unbefriedigte Frauen in Pfarrer verlieben. Solche Dinge passieren einfach im kirchlichen Dunstkreis. Noch dazu, wo in der katholischen Kirche die hochwürdigen Herren den Nimbus der Unerreichbarkeit vor sich her tragen.
In diesem Fall führte die Verliebtheit der Frau zu einem argen Konflikt zwischen ihren Triebwünschen und ihrem jungfräulichen Ideal. Sie konnte sich unmöglich eingestehen, dass sie den jungen Geistlichen sexuell anziehend fand und mehr von ihm wollte als bloß religiösen Beistand. Ihr sexuelles Verlangen stand diametral zu ihrem moralischen Anspruch. Als sie dem inneren Druck nicht mehr standhalten konnte, wurden die Pfarrmitglieder zur Projektionsfläche ihrer Schuld- und Schamgefühle. All das, was sie sich selbst vorwarf, vermeinte sie nun aus dem Munde anderer zu hören. Ihr Umfeld wurde für sie zur Personifikation ihres schlechten Gewissens, das sie auf diesem Wege unerbittlich verfolgte.
Der Umstand, dass sie einen Priester begehrte, war ihr so unerträglich, dass sie diese Realität auf keinen Fall anerkennen konnte. Umgekehrt war es ihr aber auch nicht möglich, ihr Verlangen zum Verstummen zu bringen. Blieb also nur noch die Möglichkeit, es vor sich selbst zu leugnen. Im selben Maße änderte sich ihr Realitätsbezug. In ihrer Realität war nicht mehr sie es, die so schmutzige Dinge wollte, sondern es waren die anderen, die sie ihr unterstellten. Die ursprüngliche Verfolgerin, die dem Priester mit ihren Wünschen heimlich nachstellte, wurde durch die Verleugnung und Projektion ihres Begehrens selbst zur Verfolgten. Mit einem Mal war sie nicht mehr „Täterin“, sondern Opfer. Die Scheinwelt, die sie unbewusst errichtete, diente lediglich dazu, sie vor der schmerzhaften Wahrheit zu schützen, dass sie dieselben Wünsche hatte wie die von ihr so verachteten „Huren“, die sich Männern an den Hals schmissen.
Allmacht der Gedanken
Nicht nur, dass beim Menschen die Grenzen zwischen Fantasie und Realität mitunter verschwimmen, versteht er sich oft genug auch als Urheber der Realität. Wir stoßen hier auf ein Phänomen, dass in der Psychoanalyse unter der Bezeichnung „Allmacht der Gedanken“ bekannt ist. Schon weiter oben war vom magischen Denken des Kindes die Rede.
Tatsächlich unterscheidet sich der Weltbezug eines Kindes grundlegend von dem eines Erwachsenen. Aus der Sicht des Kindes war es schon immer da. Es existierte schon lange bevor sich sein Bewusstsein bildete und auch lange bevor sich seine Innen- von der Außenwelt differenzierte. Im Mutterleib und unmittelbar nach der Geburt besteht für den Fötus bzw. das Neugeborene nichts, außer ihm selbst.
Es und die Welt sind zu diesem Zeitpunkt noch eins. Nach und nach erfährt der Säugling jedoch, dass nicht er selbst es ist, der seinen Hunger stillt, sondern irgendetwas vage Empfundenes, das immer dann auftaucht, wenn bei ihm die Not am größten ist. Seine frühkindlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Pflegeverhalten führen allmählich zu einem Paradigmenwechsel.
Zu welcher Überzeugung sollte er denn gelangen, wenn nicht zu der, dass die Welt seinen Wünschen gehorcht? Das Verhältnis zwischen Säugling und Mutter ist in diesem Stadium noch höchst einseitig ausgerichtet. Was der Säugling braucht, geschieht. Ist er hungrig, kommt Nahrung, ist er nass, wird er trockengelegt, fühlt er sich einsam, wird er in den Arm genommen.
In der Frühzeit der kindlichen Entwicklung bildet sich die Vorstellung von der Allmacht der eigenen Wünsche und Gedanken aus. Im Laufe des Lebens relativiert sich die infantile Überzeugung zwar, dass alles möglich ist, wenn „man es nur ganz fest will“. Gänzlich überwunden wird sie aber nie. Im Wunschdenken des Erwachsenen ist noch immer das Bestreben, durch Leugnung der Realität an der ursprünglich empfundenen Allmacht festzuhalten, sichtbar.
Während die liebevolle Fürsorge beim Säugling ein Hochgefühl hervorruft, führen übermäßige Entbehrungen zu Stress und Hilflosigkeit. Die positiven Erfahrungen in dieser Zeit sind die Grundlage für die spätere Liebesfähigkeit. Hunger und Vernachlässigung fördern hingegen die Zunahme von Hass und Zerstörungswünschen. In Anlehnung an die lustvollen und unlustvollen Affekte spaltet sich auch die Welt des Säuglings in eine der „guten“ und eine der „bösen“ Mächte. In diesem frühen Lebensstadium ist die äußere Welt aufgrund der fehlenden Grenzen zwischen Subjekt und Objekt noch ein Spiegel der emotionalen Befindlichkeit des Kleinstkindes. Befindet es sich in einer Hochstimmung, gleicht die Welt einem Paradies. Ist es voll Wut, wandelt sich das Paradies zur Hölle.
Hand in Hand mit der allmählichen Spaltung des frühkindlichen Universums in eine innere und eine äußere Welt differenzieren sich auch die Affekte nach dem Lust-Unlust-Schema. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich in der Frühphase der kindlichen Entwicklung die Grenzen der inneren Welt noch nicht mit den Körpergrenzen decken. Zunächst sind das Kind und das Universum – sämtliche Objekte, mit denen es in Beziehung steht – identisch.
Außen- und Innenwelt fallen zu diesem frühen Zeitpunkt noch zusammen. Die Mutter ist zugleich Objekt der äußeren und inneren Welt des Kindes. Der ganze Kosmos ist von den Eindrücken und Empfindungen des Kindes beseelt. Vom Subjekt abgegrenzte äußere Objekte gibt es noch keine. Erst allmählich bildet sich die Innenwelt durch Verinnerlichung der lustvollen Empfindungen aus, während die unlustvollen Empfindungen durch Abspaltung und Projektion zur Außenwelt werden.
Ganz nach dem Prinzip „die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen“. Selbst im Erwachsenenalter empfinden viele Menschen das von außen kommende Fremde als Bedrohung. Im Zuge des Reifungsprozesses erfolgt zwar eine Differenzierung zwischen inneren und äußeren Objekten sowie eine Integration der unlustvollen Affekte, aber die ursprüngliche Gleichsetzung zwischen Innen- und Außenwelt prägt auch noch das Welterleben des Erwachsenen.
Der tief verwurzelte Glaube an die Allmacht der eigenen Wünsche ist ein Ergebnis dieser frühesten Lebensphase. Im Optimismus des Erwachsenen spiegelt sich dieses kindliche Vertrauen in die nährenden, wohlwollenden und unterstützenden Kräfte aus der Frühzeit der eigenen Entwicklung. Umgekehrt ist eine allzu pessimistische Einstellung gegenüber der Welt meist ein Hinweis auf übermäßige Entbehrungen in dieser frühen Lebensphase.
Wenn Erwachsene Überlegungen über kleinkindhafte Wünsche anstellen, denken sie als Erstes an die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit. Natürlich sehnen sich Kinder nach einem wohligen, geborgenen Zustand. Doch heißt das noch lange nicht, dass sich die kindliche Emotionalität auf „unschuldige“ Gefühlsregungen beschränkt. Man braucht bloß den Gesichtsausdruck eines rasenden, wild um sich schlagenden Säuglings zu betrachten, um das Ausmaß des Hasses und der Zerstörungswut zu erahnen, die in seinem Inneren toben. Ein Erwachsener in einem vergleichbaren Affektzustand würde für seine Umgebung eine akute Gefahr bedeuten.
Allmachtsfantasien, die sich auf gute Wünsche beziehen, führen zu keinem psychischen Konflikt. Was aber, wenn ein Dreijähriger seine Mutter anbrüllt: „Ich hab dich nicht mehr lieb. Ich möchte, dass du gehst, dass du für immer fort bist!“ Solange er von seiner Wut beherrscht wird, wird ihn sein Wunsch nicht sonderlich aufregen. Sobald der Zorn aber verraucht, wird der hasserfüllte Wunsch Schuldgefühle hervorrufen. Das Kind hat seine Mami doch lieb. Würde jetzt wirklich das eintreten, was es in seiner Wut gewünscht hat, liefe es Gefahr, seine Mami für immer zu verlieren. Verständlich, dass ein Kind in einer so prekären Situation alles daransetzt, um seinen bösen Wunsch ungeschehen zu machen.
Frei nach dem Motto: Gift und Gegengift, Zauber und Gegenzauber. Je stärker die Beziehung zu einer wichtigen Bezugsperson aus der frühen Kindheit von widersprüchlichen Gefühlen – Liebe und Hass – geprägt ist, umso eher wird ein Kind auch als Erwachsener am magischen Denken festhalten.
Ein elfjähriger Junge litt unter der panischen Angst, dass seine Eltern sterben könnten. Jeden Abend vor dem Schlafengehen kniete er im Kinderzimmer vor seinem Bett und sprach ein Schutzgebet für seine Eltern. Immer wenn er bei der Stelle angelangt war: „Lieber Gott, beschütze Mama und Papa und mach, dass sie recht lange leben“, ging ihm ein „schlimmer“ Gedanke durch den Kopf.
Nach einiger Zeit stellte sich bei ihm die Befürchtung ein, dass die störenden Gedanken seine Gebete unwirksam machten, ja sogar die Gefahr erhöhten, dass den Eltern etwas zustoßen könnte. Um dem entgegenzuwirken, beschloss er, Gebete, die durch „schlechte“ Gedanken entweiht wurden, zu wiederholen. Aber nicht einmal, sondern zweimal. Das erste Mal, um die besudelten Gebete ungeschehen zu machen, das zweite Mal, damit der Schutz für die Eltern wirksam würde. Bald kniete der Verzweifelte jede Nacht bis drei, vier Uhr morgens vor seinem Bett, um die drohende Gefahr von seinen Eltern abzuwenden, bis er dann irgendwann erschöpft in den Schlaf fiel.
Für ihn ging es nicht bloß darum, Gott um ein langes Leben für seine Eltern zu bitten. Der Junge fühlte sich höchstpersönlich für deren Wohlergehen verantwortlich. Er fürchtete, durch seine „schlechten“ Gebete das Unheil, welches er von ihnen abwenden wollte, erst recht heraufzubeschwören. In seiner Vorstellung hing das Schicksal seiner Eltern allein von ihm ab. Nicht Gott, sondern er war der Herr über deren Leben und Tod. Ein schlechter Gedanke, ein nicht gesühntes Gebet und schon war es um seine Eltern geschehen.
Seine Aggressionen gegen die Eltern, welche die störenden Gedanken hervorriefen, waren dem Jungen nicht zugänglich. Obwohl sie ein Außenstehender leicht nachvollziehen konnte. Seine Eltern gerieten häufig aneinander und das Familienklima war dementsprechend gespannt. Er erfüllte in der Familie die Rolle eines Blitzableiters, an dem beide Elternteile ihre Frustrationen abreagierten. Je stärker er seine Eltern hasste, umso mehr fürchtete er, sie zu verlieren. Er befand sich immer im Kampf mit sich selbst. Jeder böse Gedanke musste durch ein gutes Gebet ungeschehen gemacht werden.
Zwangsimpulse
Zwanghafte Impulse führen zwar ebenfalls zu Handlungen, sind aber trotzdem noch keine Zwangshandlungen im engeren Sinn, weil der „Befehl“ zur Handlung stets unbewusst erfolgt. Die Grenzen zum Tick sind fließend. Menschen, die unter zwanghaften Impulsen leiden, merken immer erst im Nachhinein, dass sie dem Impuls nachgegeben haben.
Einem Patienten, der am Tourette-Syndrom litt, rutschten zum Beispiel während eines Gespräches immer wieder peinliche Schimpfwörter über die Lippen, die mit dem Inhalt des Gespräches in keinerlei Zusammenhang standen. Ein anderer wiederum musste sein Gegenüber während des Gespräches anspucken. Obwohl sich beide der Symptomatik bewusst waren, gelang es ihnen nicht, sie unter Kontrolle zu bringen. Im Gegenteil, je stärker sie versuchten, die Symptome zu unterdrücken, umso heftiger traten sie in Erscheinung.
Zwangshandlungen
Zum besseren Verständnis der Zwangshandlungen empfiehlt sich der Vergleich mit einem beliebten Gesellschaftsspiel, bei dem komplexe Handlungen mit Hilfe von Gebärden dargestellt werden müssen. Im Grunde ist eine Zwangshandlung nichts anderes als die (verdichtete) pantomimische Darstellung eines unbewussten Konfliktes. Eine Rückübersetzung des szenischen Ausdruckes in die abgewehrten Inhalte, die ihm zugrunde liegen, ist in den meisten Fällen ohne größeren Aufwand möglich. Ein einfaches Beispiel für eine Zwangshandlung ist das dreimalige Auf-Holz-Klopfen, damit Unheil vermieden wird.
Der Waschzwang ist ein Hinweis, dass die betroffene Person in ihrer Fantasie mit „schmutzigen“ Dingen in Berührung gekommen ist. Allein die Redewendung, sich nach einem Bad wie „neugeboren“ (daher auch unschuldig) zu fühlen, beweist, dass es dabei nicht nur um die körperliche Reinigung geht.
Ein Patient litt unter dem Zwang, dass er auf einem Zebrastreifen immer nur die weißen Flächen, niemals aber die schwarzen betreten durfte. War er sich nicht vollkommen sicher, dass er seinen Fuß im weißen Bereich aufgesetzt hatte, musste er umkehren und die ganze Prozedur von Anfang an wiederholen. Es war keine Seltenheit, dass er zur Überquerung eines Fußgängerüberganges auf diese Weise mehrere Stunden benötigte.
Erst als die Analyse die unbewusste Bedeutung des „Fehltrittes“ enthüllte, gab sich die Symptomatik allmählich. Anhand dieses Beispiels lässt sich auch erkennen, wie sehr Zwangsgestörte bemüht sind, die „dunkle“ Seite ihrer Psyche (symbolisiert durch die schwarzen Streifen) von der unschuldigen (die weißen Flächen) zu isolieren. Die Zwangsneurose wird demnach stets vom „Alles-oder-nichts“-System beherrscht, aber niemals vom reiferen „Sowohl als auch“.
Zwanghaftes Zweifeln
Unentschlossenheit und Zweifeln gehören zu den durchgängigen Symptomen der Zwangsstörung. Sie sind Ausdruck der Ambivalenz, die dieser Störung eigen ist. Es wurde schon wiederholt darauf hingewiesen, dass Mechanismen der analsadistischen Phase das Bild der Zwangsstörung prägen. Für diesen Entwicklungsabschnitt ist charakteristisch, dass er von Gegensätzen beherrscht wird: Hass – Liebe, Macht – Ohnmacht, Aktivität – Passivität etc. Diese grundlegende Gegensätzlichkeit ist auch für die notorischen Zweifel Zwangskranker verantwortlich. Vereinfacht ausgedrückt kann sich der Zwangskranke nicht entscheiden, ob er das Objekt lieben und bewahren oder hassen und zerstören möchte. In besonders schweren Fällen kann dieses Symptom bis zur völligen Entscheidungsunfähigkeit führen, weil jeder Versuch, eine Entscheidung zu treffen, von heftigen Zweifeln begleitet wird, ob diese auch die richtige ist.
Zwanghaftes Grübeln
Grübler haben ein strengeres Gewissen (in der Psychoanalyse „Über-Ich“) als die meisten und sind daher auch selbstkritischer. Sie sind natürlich alles andere als leichtlebig. Im Gegenteil, der Zwang zum Grübeln führt eher zur Antriebslosigkeit und Lustlosigkeit.
Zwanghaftes Grübeln und die damit in Verbindung stehenden Selbstvorwürfe sind meist die Folge von Schuldgefühlen, die schon früh in der Kindheit als Reaktion auf feindselige Wünsche gegenüber einem Elternteil (meist der Vater) entstanden sind. Tatsächlich lassen sich solche frühkindlichen Todeswünsche bei den meisten Zwangsgestörten nachweisen. Diese Schuldgefühle und Selbstbezichtigungen gehen in schweren Fällen manchmal so weit, dass Zwangskranke sich schwerer Verbrechen bezichtigen, die sie nachweislich gar nicht begangen haben können.
Unordnung ist hier gleichbedeutend mit Kontrollverlust, Triebdurchbruch.