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Unangemessene Furcht vor Krankheiten

Menschen mit hypochondrischen Ängsten haben es nicht leicht. Trotz ihres hohen Leidensdrucks werden ihre Beschwerden kaum ernst genommen. Wenn sie mit ihren körperlichen Symptomen in der ärztlichen Praxis vorsprechen, heißt es meist nur lapidar: „Ihnen fehlt nichts.“ Das stimmt und es stimmt auch wieder nicht. Hypochondrischen Menschen fehlt rein organisch wirklich nichts. Ihre Störung liegt im psychischen Bereich. Doch davon wollen sie meist nichts wissen. Sie beharren auf einer körperlichen Verursachung und fühlen sich paradoxerweise nur von jenen Ärzten ernst genommen, die sie falsch, nämlich körperlich behandeln. Die Kunst besteht wohl darin, einem hypochondrischen Menschen die psychische Verursachung seiner Symptome vor Augen zu führen, ohne ihm dabei das Gefühl zu geben, dass er nicht ernst genommen wird und sich seine Symptome nur einbildet.

– 13,5 % im deutschsprachigen Raum haben unbegründete Krankheitsängste. Der Anteil der Frauen ist mit 15,4 % leicht überrepräsentiert.

– Ungebildete Menschen werden häufiger von hypochondrischen Ängsten geplagt.

– Krankheitsängste treten in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen mit 16,5 % vermehrt auf.

– Betroffene finden schwerer Anschluss und sind im Sozialkontakt eher vorsichtig bis ängstlich.

Bei der Hypochondrie steht die unbegründete Überzeugung im Vordergrund, krank zu werden oder eine schwere Krankheit zu haben, wobei diese Überzeugung aus einer andauernden Beschäftigung mit körperlichen Missempfindungen erwächst. Die Hypochondrie zählt zu den somatoformen Störungen, deren wesentliches Merkmal körperliche Beschwerden sind, die eine körperliche Krankheit nahelegen, für die sich jedoch in den medizinischen Befunden kein Beleg finden lässt.

In der Regel besteht bei den Betroffenen ein erhebliches Misstrauen gegenüber ärztlichen Befunden, die ihnen hervorragende organische Gesundheit attestieren. Aus diesem Grund sind hypochondrische Menschen insgeheim davon überzeugt, nicht richtig behandelt zu werden. Kein Wunder also, dass es bei dieser Störung früher oder später zum „Doctor Shopping“ kommt. Dabei laufen sie von Arzt zu Arzt, bis sie einen finden, der ihre Beschwerden tatsächlich als Ausdruck einer körperlichen Erkrankung diagnostiziert.

Von psychoanalytischer Seite wird Hypochondrie als Ausdruck narzisstischer Selbstbezogenheit verstanden. Die psychoanalytische Arbeit zeigt, dass hinter der Symptomatik oft unterschwellige Feindseligkeit lauert, zu der die Patienten selbst aber keinen Zugang haben. Manchmal hat es den Anschein, als wollten sie mit der Symptomatik Zuwendung erzwingen. Unbegründete Herzängste stehen häufig in Verbindung mit unterdrückter sexueller Erregung.

Ein, wie sich in der Analyse später herausstellte, homosexueller Kirchenmann mit pädophilen Neigungen begab sich wegen einer Herzphobie in Behandlung. Immer dann, wenn er das Folgetonhorn eines Einsatzwagens vernahm, löste der durchdringende Ton bei ihm einen heftigen Angstanfall aus. Das anschwellende Signal stellte sich später als Symbol für seine sexuelle Erregung heraus, der Herzinfarkt, den er mit dem rasenden Rettungswagen in Verbindung brachte, als Ausdruck der Gefahr, die von seinen sexuellen Wünschen ausging. Es dauerte Jahre, bis er sich dazu durchringen konnte, seinen homosexuellen Neigungen auf eine sozial akzeptierte Weise nachzugeben. Erst dann verschwanden seine Herzsymptome endgültig.

Da sexuelle Erregung das Herz von Natur aus höher schlagen lässt, treten Herzängste bevorzugt in Verbindung mit oft sogar bewussten unterdrückten sexuellen Wünschen auf, die wegen ihres asozialen Charakters nicht ausgelebt werden können (wie bei der Pädophilie). Die Unterdrückung der sexuellen Wünsche führt regelmäßig zu einem Erregungsstau. Die vegetative Symptomatik führt zwar im Angstanfall zur Entladung, nur dass dabei die Lust gegen eine andere Währung getauscht wird – die Angst.

In einem anderen Fall führten verdrängte sadistische Wünsche zu schweren Krebsängsten. Ein junger Mann verspürte einen ziehenden Schmerz im linken Hoden, der von Zeit zu Zeit auf den rechten überging und wieder verschwand. Sofort entwickelte er die Panik, an Hodenkrebs erkrankt zu sein. Er suchte eine ganze Reihe von Urologen auf, doch keiner konnte eine organische Verursachung für sein Leiden feststellen. Der psychoanalytischen Behandlung stand er ursprünglich sehr skeptisch gegenüber, weil er von einer organischen Verursachung seiner Schmerzen überzeugt war.

Im Laufe der Behandlung stellte sich heraus, dass seine Ehefrau ihm schon seit Jahren den Geschlechtsverkehr verweigerte. Als Folge ihrer Zurückweisung stellten sich bei ihm grausame Vergewaltigungsfantasien ein. Allerdings schämte er sich für diese Gedanken so sehr, dass er sie sofort wieder unterdrückte. Bald danach traten die ersten Symptome auf. Erst als er nach der Scheidung von seiner Frau eine sexuell erfüllende Ehe mit einer anderen einging, gab sich die Krebsangst.

Der Kern aller Phobien, die Angst vor dem Kontrollverlust, lässt sich auch bei der Hypochondrie nachweisen. Als Ergebnis einer Vorsorgeuntersuchung erfuhr einer meiner Patienten, dass bei ihm alles in bester Ordnung sei. Meine Feststellung, dass das doch eine erfreuliche Nachricht wäre, wies er mit den Worten zurück, dass „man ja nicht wissen könne, ob nicht schon beim Verlassen der Ordination eine bösartige Krankheit ihren Anfang genommen hätte.“ Tatsächlich vollzieht sich die Ausbildung von Tumoren im Anfangsstadium unbemerkt. Auch Herzinfarkte und Insulte entziehen sich unserer Kontrolle. Gegen den Tod ist eben kein Kräutlein gewachsen.

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Watzlawick

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Iris123

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