Kommentar zur politischen Berichterstattung im Wahl(kampf)-Monat April und den medialen Vorboten der Implosion der SPÖ.
Die letzten Wochen vor einem Wahlgang haben medial meist eine recht ähnliche Dramaturgie. Aktionen und Strategien der wahlwerbenden Parteien werden genau unter die Lupe genommen, politische Planspiele vorweg durchgeführt und meistens können die Medien auch nicht der Versuchung widerstehen, schon vorweg die Rechnung zu machen – allerdings ohne den Wirt, die Wählerinnen und Wähler, die sich in ihrem Abstimmungsverhalten wieder einmal partout nicht nach den Vorgaben der Meinungsforscher richten wollten. Der Start-Ziel-Sieg von Alexander Van der Bellen fand so nicht statt, ebenso wenig wie die mehrmals suggerierte Aufholjagd der Kandidaten aus den Regierungsparteien. Natürlich kann man quantitative Präsenzmessungen alleine noch nicht als Prognoseinstrument für Wahlen heranziehen – ebensowenig wie Sonntagsfragen und Pseudo-Umfragen mit kaum wahrnehmbarem Sample – aber wer fundierte Medienanalyse betreibt, der ist von Wahlergebnissen oft weniger überrascht als von Befragungsergebnissen, die zwecks Stimmungsmache noch kurz vor dem Wahltag veröffentlicht werden.
Wenn es um die Berichterstattung über Wahlkämpfe geht, werden Medien auf den ersten Blick häufig von einem Gerichtigkeitssinn gepackt, den sie zwischen den Wahlen oft missen lassen. Die entsprechende Berichterstattung wird streng aliquotiert, wodurch eine eindeutige "Themenführerschaft" für Parteien oder Kandidaten kaum zu erreichen ist.
Die Strategie von Norbert Hofer als Wahlsieger im ersten Durchgang, nicht polternd sondern moderat, konsensual, empathisch und verständnisvoll aufzutreten, hat noch vor dem Wähler auf die Medien gewirkt. Ihnen wurde durch diesen Stil die Möglichkeit zu einer wirklich polarisierenden Berichterstattung entzogen. Jemand wie Hofer lässt sich nicht wirklich zum Feindbild stilisieren. Die FPÖ-Wähler hatte der blaue Spitzenkandidat ohnehin schon in der Tasche, mit diesem Auftreten konnte er sein Soll übererfüllen und auch Stimmen aus anderen Lagern fischen, insbesondere aus der SPÖ, die schon vor dem Urnengang die Segel gestrichen hatte und so den einen oder die andere noch in das blaue Lager oder zu den Nichtwählern trieb.
Die Fundamentalverschiebungen in der österreichischen Innenpolitik im ersten Maidrittel haben schon in der April-Berichterstattung ihre Schatten vorausgeworfen. Kanzler Faymann war der mit Abstand meistkritisierte politische Firstliner, die Partei gab ein zerstrittenes Bild ab. Dass mehr als drei Viertel der Kritik an der SPÖ aus den eigenen Reihen kam, erinnert an eine kommunikationstechnische Autoimmunerkrankung. Der jüngste Zerfall der SPÖ in mehrere Lager und die Führungskrise, die im Rücktritt von Werner Faymann gipfelte, überraschen aus medienanalytischer Sicht überhaupt nicht, erscheinen im Gegenteil längst überfällig.