Es gibt einige Dinge, die mich ärgern. Und es gibt Dinge, die machen mich wütend. Ignoranz ist zum Beispiel sowas, wo´s mir hochkommt. Und es gibt immer Möglichkeiten, diesen Mangel an gegenseitigem Interesse, dieses, in meinen Augen, sozial feindliche Verhalten anzuprangern. So etwa, wenn ich lese, dass ein Mann mit Herzversagen im U-Bahn-Aufzug lag und fünf Stunden kein Mensch sich darum geschert hat. Noch schlimmer: Leute sind über ihn gestiegen und haben ihn eiskalt liegen lassen. Dass der angeordnete Kontrollgang des Wachpersonals eigenmächtig nicht eingehalten wurde, erscheint mir in diesem Hintergrund als zusätzliches jämmerliches Detail. Wer hat schließlich Hilfe geholt? Eine Reinigungskraft. Schade, dass eine in Wahrheit Selbstverständlichkeit zu einer Heldentat verkommt. Es ist mehr als Schade, es ist eine Schande. Und unerträglich.
Das Ergebnis ist bekannt: der Mann verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus. Warum mich das aufregt? Weil ich selber weiß, wie man sich fühlt, wenn man in der Öffentlichkeit angegriffen und allein gelassen wird. Ich habe damals Scham und Zorn gefühlt. Und eine Ohnmacht. Ich habe damals die Ignoranz der anderen mit einem Teil meiner Würde bezahlt. Der Preis für den Mensch in der U-Bahn war jedoch sein Leben. Ich frage mich und uns, wann denn der Zeitpunkt gekommen ist, wo wir verlernt haben in Gemeinschaft zu leben. Auch ich bin kein Gutmensch, nein, bin ich nicht. Ich ignoriere zu viel. Aus Bequemlichkeit und aus Feigheit. Und dennoch frage ich mich, wo diese Ignoranz uns hinführen wird – oder uns bereits hingeführt hat Ich weiß, dass es auch andere Menschen gibt. Menschen, die sich Gedanken um ihre Umwelt machen und die sich für ihre Mitmenschen einsetzen. Diesen zolle ich meinen höchsten Respekt. Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass wir uns Beispiel nehmen an diesen Menschen, die tagtäglich für uns da sind und das wir sie in den tagtäglichen Kleinigkeiten, die uns wiederfahren, erkennen. Jene, die auf ihre Mitmenschen achten in Worten, Gedanken und Taten. Das hoffe inständig für uns alle.