Warum uns Tote durch Terror näher liegen, wenn wir etwas mit ihnen gemeinsam haben.

Ich beschäftige mich seit etlichen Jahren mit den Eigenheiten menschlichen Verhaltens, mit dem Verhalten von Gruppen - mit dem, was uns dazu dem macht, was wir sind. Unser Verhalten ist nicht immer leicht zu erklären, vieles ist logisch betrachtet - einfach unlogisch. Es gibt eine Vielzahl solcher Phänomene unseres menschlichen Verhaltens.

Thema des Tages ist "Warum fühlen wir mit Weißen eher mit als mit Andersfärbigen". So oder so ähnlich zumindest. Warum finden wir es entsetzlicher, wenn Christen massakriert werden, als wenn der Selbstmordattentäter eine Gruppe Moslems in die Luft sprengt.

Henri Tajfel und John C. Turner haben in den 80er Jahren die Theorie der "minimalen Gruppe" ausformuliert, die auf Experimenten aus den 70er Jahren basieren.

Das Experiment hatte folgenden Ablauf:

Im ersten Schritt teilte man Personen willkürlich in zwei Gruppen ein, die entweder der Gruppe des Malers Paul Klee oder des Malers Wassily Kandinsky angehörten. Den Teilnehmern selbst war nicht bewusst welche anderen Personen jeweils welcher Gruppe angehörten.

Nach der Gruppenzuordnung wurden die Versuchspersonen gebeten, verschiedenen Empfängern bestimmte Geldbeträge zuzuweisen. Die Teilnehmer wussten nicht, um welche Person es sich bei diesen Empfängern handelte, aber sie wussten, ob es sich um Mitglieder der eigenen Gruppe, oder der anderen Gruppe handelt.

Den Versuchspersonen wurde dazu eine Entscheidungsmatrix vorgelegt, die in etwa so aussieht (entnommen aus Kasper/Mayrhofer 2002, Personalmanagement - Führung - Organisation, Linde Verlag, 3. Auflage):

Im Endeffekt haben die Teilnehmer so entschieden, dass Mitglieder der fremden Gruppe, nie mehr erhalten haben, als Mitglieder der eigenen Gruppe. Selbst dann, wenn man den Mitgliedern der eigenen Gruppe mehr Geld zukommen lasssen hätte kommen können - nur dann hätte man der fremden Gruppe eben mehr als der eigenen zukommen lassen müssen.

Man bemühte sich also in gewisser Weise um Fairness und offenbarte damit in Wirklichkeit einen Chauvinismus der eigenen Gruppe gegenüber.

Ich finde, das ist eines der interessantesten gesellschaftlichen Experimente, die es gibt. Erklären kann ich mir dieses Vorgehen nicht logisch - nicht mit dem Bild eines homo oeconomicus. Einerseits möchte man Zugehörige der anderen Gruppe nicht schlechter belohnen, als Zugehörige der eigenen Gruppe - andererseits, auch nicht besser als die eigene Gruppe, selbst wenn die eigene Gruppe dadurch einen absolut größeren Nutzen hätte, als so.

Diese Gruppenzuteilung "Klee" oder "Kandinsky" war vollkommen willkürlich gewählt. Ein so kleines Merkmal reicht also schon, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, diese als höherwertiger als andere Gruppen zu bewerten, und andere Gruppen zu diskriminieren. Sei es eben, ob das gemeinsame Merkmal eine willkürliche Zuordnung zu einem Maler ist, ob es ein gemeinsamer Fußballklub ist, den man anfeuert, ob man - wie andere, zB Sommersprossen hat, den gleichen Wohnort, die gleiche Hautfarbe, oder die gleiche Religion. Schon die kleinste Gemeinsamkeit, hebt uns von den "Anderen" ab...

Ich weiß jetzt aber nicht, ob dieses Verhalten auch in anderen Kulturkreisen in gleicher Art beobachtet wurde (beim Bargaining-Dilemma - auch sehr interessant, falls Sie dieser Blogbeitrag interessiert hat - weiß ich, dass es kulturelle Unterschiede gibt).

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