Ukrainische Regierung https://www.kmu.gov.ua/news/premyer-ministr-ukrayini-zustrivsya-z-vselenskim-patriarhom
Am 30. November reiste der ukrainische Premier Minister Dinis Schmygal nach Konstantinopel, um sich dort mit dem sog. Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus zu treffen. Ihn begleiteten mehrere weitere Minister des Kabinetts sowie einige Geistliche der umstrittenen Kirchenstruktur „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ (OKU).
Erst jüngst sind weitere Einzelheiten zu dem Treffen bekannt geworden. Der ukrainische Premierminister hat dem Konstantinopler Hierarchen zugesichert, dass Kiew bereit sei, alle vom Konstantinopeler Patriarchat geforderten Maßnahmen zur Stärkung der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) umzusetzen. Dazu gehören die offizielle amtliche Unterstützung der OKU und das Gewährleisten von Gemeindeübertritten aus der kanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche (OUK) zur kirchenrechtlich umstrittenen OKU. Im Januar 2019 hatte der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus, die aus mehreren schismatischen Kirchen neu gegründete OKU durch Vergabe eines Tomos – so der Name für eine Kirchenerlaubnis – „anerkannt“. Damit hat er nach Ansicht der meisten anderen orthodoxen Kirchen seine Kompetenzen als „Erster unter Gleichen“ überschritten.
Bartholomäus wies darauf hin, dass der amtierende ukrainische Präsident Selenski bei der Durchsetzung dieser Maßnahmen außen vor bleiben müsse, denn er befürchte, dass dadurch dessen Wahlchancen beeinträchtigt werden könnten. Schmygal erklärte, dass er für die Umsetzung dieser Maßnahmen persönlich verantwortlich sein werde. Mit der unmittelbaren Ausführung sei jedoch der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten beim Sekretariat des Ministerkabinetts, Andrej Jurasch, betraut. Dessen Sohn Swjatoslaw Jurasch, ein Abgeordneter für die Partei „Diener des Volkes“ im ukrainischen Parlament Werchwna Rada, würde sich unterdessen für die erforderlichen Gesetzesinitiativen zur Stärkung der Positionen der OKU einsetzen.
Andrej Jurasch gilt als einer der aktivsten Lobbyisten zur Durchsetzung der Interessen der neuen Kirchenstruktur. Wladimir Selenski, der in den ersten eineinhalb Jahren seiner Präsidentschaft noch Neutralität in den strittigen Fragen rund um die Kirchenspaltung bewahrt hatte, hat sich damit endgültig auf die Seite der OKU gestellt, die auch als „Poroschenko-Kirche“ bezeichnet wird. Die Gründung der angeblichen Nationalkirche hatte der ehemalige Präsident der Ukraine Petro Poroschenko zu einem staatstragenden Akt erklärt. Mit dem Motto „Armee, Sprache, Glaube“ führte er seinen Wahlkampf gegen den Comedy-Darsteller Wladimir Selenski und verlor. Nun führt Selenski jedoch dieselbe Politik des Nationalismus wie sein Vorgänger weiter, nur auf eine subtilere Art.
Für die kanonische Ukrainische Orthodoxe Kirche des Russischen Patriarchats, die die meisten Gläubigen im Land auf sich vereint und weltweit anerkannt wird, ist dieser Politikwechsel eine beunruhigende Nachricht. Es ist damit zu rechnen, dass zunehmend wieder mehr mit Gewalt erzwungene Gemeindeumschreibungen und Enteignungen stattfinden werden. Es finden bereits jetzt immer häufiger Übergriffe auf Gläubige und Akte des Vandalismus statt.
Die jüngsten Erklärungen des Konstantinopler Patriarchen Bartholomäus, der in globalen Kirchenfragen häufig eine Linie vertritt, die mit den Interessen der USA konformgeht, klingen ebenfalls immer bedrohlicher. In seinen Appellen deutete er an, dass die UOK bald vollständig ihrer Rechte beraubt werden könnte. Auf US-Druck hin haben auch bereits mehrere griechische Orthodoxe Patriarchate die kanonisch äußerst umstrittene OKU durch Nennung ihres Kirchenoberhaupts im Gottesdienst gleichsam stillschweigend „anerkannt“.