Soeben komme ich von einer Freizeit in einem evangelischen Jugendheim zurück, in dem gleichzeitig mit uns eine Konfirmandengruppe einquartiert war. Im Treppenhaus hingen an einer Pinwand Zettel, auf denen die Konfirmanden jeweils einem Anderen in der Gruppe positive Eigenschaften zusprachen: so weit, so nett. Was mir dabei auffiel: die als Formular vorgegebenen Zettel waren nicht neutral. Auf jedem von ihnen stand dick diagonal drübergedruckt der Satz: "Gott ist bunt". Die Jugendlichen hatten ihr individuelles Statement unter dieser vorgeschriebenen Prämisse abzugeben.
Was - um Gottes Willen - soll das bedeuten? Hat Gott neuerdings eine Farbe? Oder gar deren mehrere, weil ja "bunt"? Und welche Farbe ist damit gemeint: Die Hautfarbe? Die Haarfarbe? Die Augenfarbe? Oder gar - Gott bewahre - die politische Couleur? Der aktuelle, intensive Gebrauch des Eigenschaftswortes "bunt" in Politik und Medien legt Letzteres ja durchaus nahe.
Wenn diese Vermutung stimmt, dann könnte man boshafterweise dagegenhalten, dass Gott doch anhand der Stellungnahmen diverser Päpste und Landesbischöfe bis vor ca. 70 Jahren noch am ehesten als braun zu bezeichnen wäre; danach dann eher als schwarz - aber Rot oder Gelb gehörte auch in den darauf folgenden Jahrzehnten ganz sicher noch nicht zum göttlichen Spektrum. Grün kam erst viel später hinzu, mit Rot im Schlepptau... Ist Gott also ein Chamäleon? Oder soll "bunt" hier nur bedeuten, dass Gott neuerdings ALLE Farben gut heißt? Was ist aber dann wiederum mit Braun? Wenn ich mit Kirchenvertretern rede, dann ist diese Farbe heutzutage von der allumfassenden Toleranz Gottes ausdrücklich ausgenommen und gilt als Insignium des Satans. Speziell bei evangelischen Kirchenvertretern gilt das zunehmend auch für Schwarz; aber eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Farben gilt Vielen ja sowieso schon fast als obsolet. Und gar Blau als neu hinzugekommene Farbe des politischen Spektrums in Deutschland ist in dieses seltsame "Bunt" erst recht nicht inkludiert.
"Bunt" ist ein politisches Schlagwort. Perfiderweise steht es nur vordergründig für Toleranz und Weltoffenheit; in Wirklichkeit wird es benützt, um Leuten, die bei so irdisch trockenen Themen wie Immigrationspolitik, europäischem Zentralismus oder Methoden zur Wahrung des Rechtsstaates eine andere Meinung vertreten, systematisch jegliche Toleranz und Weltoffenheit abzusprechen, sie pauschal als Fremdenhasser, Rassisten und Neonazis zu verleumden und ihre Argumente gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen. Göttliche Verleumdung sozusagen, wenn sie jetzt schon als implizites Leitmotiv für Kinder im Konfirmationsunterricht daherkommt...
Spätestens an diesem Punkt kann ich nicht mehr darüber lachen. Der Islam ist via Masseneinwanderung vor allem deshalb eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat, weil er - im Gegensatz zu den christlichen Kirchen - nicht in einem Jahrhunderte dauernden Säkularisationskampf gelernt hat, sich aus irdischer Politik heraus zu halten. Im Gegenteil: der Islam ist seit seiner Entstehung Religion UND politische Ideologie gleichermaßen - und zwar eine Ideologie mit explizitem, WELTLICHEM Herrschaftsanspruch! Man frage mal einen strengläubigen Moslem, ob denn Allah "bunt" sei... Die uns heute so selbstverständliche Trennung zwischen dem Reich Gottes und dem weltlichen Reich, die unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat überhaupt erst möglich gemacht hat, ist dem Islam völlig wesensfremd.
Anstatt diese Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat realistisch als solche zu sehen, fallen Teile der christlichen Institutionen heute vor lauter, eifriger Anpassung an den Zeitgeist in Methoden zurück, die wir doch eigentlich seit der Säkularisation wenigstens im Christentum überwunden glaubten: dass man nämlich schon Kinder unter dem Mäntelchen "Wort Gottes" politisch einseitig und ausgrenzend erzieht. Genau das ist die Substanz, aus der am Ende Glaubenskriege gemacht werden - und mit "Glaubenskrieg" meine ich hier nicht bloß leidenschaftlich geführte Dispute über Unbeweisbares, sondern sehr konkretes, blutiges sich gegenseitig Abschlachten. Dass das Objekt solch einseitiger Ausgrenzung bei der evangelischen Kirche derzeit noch (!) nicht der Islam ist, sondern diejenigen, die man wegen ihrer abweichenden Meinung als angebliche Fremdenhasser, Rassisten und Neonazis verleumdet, spielt nur eine vorübergehende Rolle: die konkreten Objekte des Hasses sind kurzfristig durch bloße Medienkampagnen austauschbar. Substanziell gefährlich ist hier vor allem die systematisch schon bei Kindern eingeübte Methode: Ausgrenzen und Verleumden statt Zuhören und Argumentieren. Mit Gottes Hilfe.