Man kommt nicht darum herum. Irgendwann so um Halloween herum steht sie giftig-tiefgelb, zähflüssig und dampfend auf dem Tisch: die Kürbissuppe. Als ob es nicht schon genügen würde, die Leute in der plötzlich viel zu früh einbrechenden Dunkelheit mit einer ausgehöhlten, von innen beleuchteten Kürbisfratze zu erschrecken - nein: auch deren Inhalt muss noch für allerlei Geschmacks-Geisterbahneffekte herhalten. Wer McDonalds nicht scheut und selbst vor Currywurst nicht zurückschreckt, den soll wenigstens einmal im Jahr eine Kürbissuppe das Gruseln lehren.
Eigentlich schmeckt sie ja nach gar nichts: wie zu erwarten angesichts einer "Frucht", deren einzig herausragendes Merkmal ihre schiere Größe ist. Schweine und Gesinde hat man damit in alten Zeiten abgefüttert; wohl dem, der zu keiner der beiden Kategorien zählte! Kein Mensch käme auf die Idee, um des Geschmacks willen Kürbis zu essen. Was Wunder, dass Gesinde bis zu Kaiser Wilhelms Zeiten schlank zu sein pflegte.
Um so größer die Herausforderung an die rotbäckig mit ökologisch-positivem Lächeln in der gelben Pampe herumrührende Köchin, den natürlicherweise leicht anwidernden Kürbisgeschmack durch allerlei fantasievolle Zutaten zu überdecken. Von Ingwer über Kokosmilch bis zu Shrimps, von Orangensaft über Knoblauch bis zu Parmesan, von Fleischbrühe über Zimt bis zu Mohn ist da alles recht. Denn das ist die positive Seite des Kürbis: egal, was man aus dem Küchenregal greift - besser als Kürbis schmeckt es allemal, es kann den Geschmack nur verfeinern. Und dem tiefgelb über der Suppe schwebenden, ökologisch-esoterischen Heiligenschein kann es nicht einmal etwas anhaben, wenn die Shrimps vorher zum Puhlen von Hamburg nach Tunis und zurück geflogen wurden. Öko bleibt Öko.
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Da steht nun diese Suppe auf dem Tisch, und gegenüber sitzt strahlend stolz ihre Komponistin, dem fleissigen Zuspruch und hohen Lob ihrer Kunst entgegen fiebernd. Mann, beweise Deine Qualitäten! Ein echter Mann schreckt vor nichts zurück, nicht mal vor Kürbissuppe. Ohne mit der Wimper zu zucken löffelt er die gelbe Geschmackslotterie aus und holt sich noch den obligatorischen Nach-Schlag, weil leider kein Kürbis klein genug ist, um wenigstens dieser Extra-Strafe zu entgehen. Dann den Mund gewischt und die Köchin gelobt: denn selbst die gruseligste Halloweensuppe ist nicht so schrecklich wie eine beleidigte Hausfrau.
In Delaware haben findige Köpfe den Kürbis-Weitwurf als sportliche Disziplin erfunden - wohl um die Kürbisse rechtzeitig vor Halloween dem Zugriff ihrer Hausfrauen zu entziehen. Aber obwohl dazu sogar ausgeklügelte Schleudervorrichtungen gebaut werden und der Rekord immerhin bei 1324,8 Meter liegt, reicht das noch lange nicht, um alle Kürbisse aus Europa nach Amerika zu befördern, wo sie einstmals herkamen und wohin sie wieder gehören. Derweil bleibt mir also nur die ganz persönliche, kleine Rache. Ich weiß auch schon wann und wie. Irgendwann im Frühjahr. Ich kenne ein leckeres Rezept für Brennesselsuppe.