Dekadenz oder Flucht ins Biedermeier? Nein, notwendige Normalität! Hört ja nicht auf, gut zu kochen und zu genießen!

Ich bin in der glücklichen Lage, in meinem näheren privaten Umfeld erstaunlich wenig Aber-Menschen zu haben. Sie wissen schon, die eigentlich sicher keine Nazis sind oder auch keine Kommunisten. Ganz sicher auch keine Fleischesserhasser oder Veganverächter. Anstatt dann einen Punkt zu machen und wieder über andere Dinge zu reden, kommen dann gleiche mehrere Aussagen, die haargenau darauf schließen lassen, dass die Person eben genau doch in das Stereotyp fällt, aus dem man sich gerade per definitionem entwunden hatte.

So far, so good. Jetzt sitzen wir also da am Samstag zu sechst zusammen und haben uns sieben Stunden mit in sieben Gänge aufgeteilten Leckereien bekocht. Sehr zufrieden waren wir, vor allem mit unseren exzellenten Einschätzungen der weltpolitischen Lage und der Klimaerwärmung im Besonderen. Die Zusammenarbeitsprobleme der Feuerwehren und des Bundesheers in Katastrophenfällen haben wir ebenfalls gelöst. Selbstverständlich tauschten wir Erfahrungen aus, wie wir uns jeweils in den vergangenen Wochen in der Flüchtlingshilfe engagiert haben. Und dann kam das D-Wort. Nein, nicht Datenschutz. Dekadenz.

Ist es nicht etwas dekadent, wenn sich sechs Menschen einen Samstag lang mit nichts anderem beschäftigen, als das Beste aus Fisch und Fleisch nicht zu lesen, sondern zu organisieren, zerstückeln, würzen, braten, grillen, schmoren, dünsten, beizen, in Zitronensaft garen, sous-vide erhitzen, und dann auch noch zu essen? Wenn gleichzeitig Kinder ertrinken und im Freien schlafen? Alle nahmen erst einmal einen ordentlichen Schluck vom schweren Rotwein, bei dem waren wir gerade angelangt. Was, wenn die Diskussion ergibt, dass es das letzte Mal für eine Weile sein sollte, dann besser noch einen Schluck auf Vorrat.

Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil. Wir stehen in Österreich vor der Aufgabe, die Normalität zu erhalten. Ängstliche Menschen lassen sich ja einreden, dass ebendiese liebgewordene Normalität verlorengehen wird. Und deshalb müssen wir uns nicht zuletzt uns selbst beweisen, dass wir uns Solidarität und Hilfe nicht vom Munde absparen müssen. Im Gegenteil: Tut Gutes und belohnt euch. Ladet Euch gegenseitig ein und zelebriert euren Wohlstand. Das Geben fällt danach umso leichter. Darum möchte ich in den nächsten Wochen ein paar Rezepte vorstellen, mit denen das Genießen gelingt.

Wir konzentrieren uns zu Beginn dieser Rubrik der leichten Unterhaltung auf das Kochen für Gäste. Das gibt es natürlich nicht wirklich. Niemand kocht für Gäste, sondern um deren Anerkennung. Deshalb heißt die Reihe auch: „Kochen für Angeber“. Jede Woche ein Rezept oder eine Menüfolge, das garantiert ein „WOW!“ der Gästeschar zur Folge hat. Wenn Ihnen das Glück Menschen mit nördlicherem Migrationshintergrund an Tisch setzte, auch gerne mal ein „Lecker!“. (Wer will, darf den letzten Satz ironisch lesen, ist er aber per se nicht.).

Angeber-Kochen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man versucht, mit relativ wenig Risiko und Aufwand etwas servieren zu können, das Gäste mit erheblich mehr Aufwand, Können, Geschick, Erfahrung, Kosten verbinden. Wir werden einfach irrsinnig coole Sachen machen, wo der Mund offen bleibt.

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