Wir alle kennen jene Organe bzw. Behörden, die mit diesem Satz und der buchstabengetreuen Auslegung von Gesetzen und Verordnungen das „Amtskappel“ über alles andere stellen.
Trotzdem ist unser Zusammenleben erst durch das gemeinsame Akzeptieren und die sinnerfüllende Einhaltung dieser Regeln möglich.
Auch und vor allem, wenn es um das Verhältnis zwischen Gruppierungen geht, zwischen denen ursächlich Interessenskonflikte bestehen.
Wie etwa zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Noch ärgerlicher ist es allerdings, wenn das Wiehern des Amtsschimmels vom Scheitern eines Unternehmens ablenken soll und in weiterer Folge zum Angriff auf Arbeitnehmerrechte instrumentalisiert wird.
So geschehen im Fall von „The Beauty Bar“.
Wer hat nicht verwundert den Kopf darüber geschüttelt, dass das Arbeitsinspektorat angeblich auf einem Fenster in Räumlichkeiten zur Intimbehaarung bestand?
Bei einem genaueren Blick auf die Sachlage hätte man aber schnell feststellen können, dass dieses Fenster nur als Ablenkung diente.
Das Arbeitsinspektorat stellt dazu fest:
„Gravierende Mängel, wie ein fehlender Notausgang oder eine fehlende Be- und Entlüftungsanlage in den Arbeitsräumen, seien aufgefallen. Zudem würden keine Arbeitszeitaufzeichnungen der 30 Mitarbeiter geführt.“
Ein Blick, den der oberste Vertreter der WKO in der Regierung, Vizekanzler Mitterlehner nicht gewillt war zu tun.
Im Gegenteil.
Er hatte andere Pläne – einen Überraschungs- bzw. Solidaritätsbesuch.
Das nächste Kapitel dieser Geschichte dann zu Beginn dieser Woche.
Die Unternehmerin kündigte an, die Auflagen des Arbeitnehmerschutzes nicht zu erfüllen und ihren Betrieb(e) zu schliessen.
In einem Tonfall, der einiges über ihre Geisteshaltung und ihr Verhältnis zu Arbeitnehmer*innen verrät:
„mit Eurem Bürokratiewahn und Unternehmerbashing zerstört ihr konsequent Arbeitsplätze und beißt in die Hand, die Euch füttert. Irgendwas läuft halt falsch, wenn man in Österreich nicht gegen Konkurrenten* kämpfen muss, sondern gegen Bürokratie. Euer Versagen und euere Verbortheit sind die Gründe für mangelndes Wachstum, fehlende Arbeitsplätze, Unternehmerverdrossenheit und hohe Staatsschulden. Geht und kümmert Euch darum, macht Euren Job, als über den Nutzen von Fenstern in Waxingkabinen zu philosophieren.
Und vergesst nicht, wer Arbeitsplätze schafft und zu einem Großteil Euch zahlt - das sind wir hart arbeitenden Unternehmer und Unternehmerinnen - und nicht Ihr gscheiten Dampfplauderer!“
Ganz offensichtlich ist sie der Meinung, dass Arbeitnehmer*innen mit grosser Demut und Dankbarkeit alle Rechtswidrigkeiten in Kauf zu nehmen haben um ihren Arbeitsplatz zu behalten.
Die Arbeiterkammer Wien stellt dazu fest:
Die Beschäftigten der seit 2013 bestehenden Firma "zählen zu unseren Dauerkunden in der Beratung. ... Würden alle Arbeitgeber so mit ihren Beschäftigten umgehen, würde die Schlange der Beratungssuchenden bei uns von der Prinz Eugen Straße bis zum Schwarzenberg Platz reichen – und zwar täglich.." Beschwerden gebe es auch über mangelnde Hygienebedingungen für Kundinnen und Beschäftigte.
Das alles ficht den Vizekanzler nicht an.
Hat er doch endlich auch ein Thema um aus den Schatten von Kurz und Sobotka zu treten.
So sah er sich augenblicklich dazu veranlasst einen „Reformgipfel Arbeitnehmerschutz“ zu initiieren.
Via Twitter (sich offensichtlich Donald Trump als Vorbild nehmend) gab er Mittwochvormittag bekannt, der "Rechtsbestand" solle "praxistauglich" reformiert werden, "um Betriebe zu entlasten & Arbeitsplätze zu sichern". Überbordende Vorschriften, Kontrollen und Strafen dürften "nicht zur Existenzgefährdung von Betrieben führen. Davon hat niemand etwas."
Wir würden uns wünschen, dass er einen derartiger Satz auch in anderen Zusammenhängen mit Schutzbedürftigen Menschen (zb aktuell bei der Reduzierung der Mindestsicherung oder die Streichung der Grundversorgung für abgelehnte Asylwerber) von sich gibt.
„Überbordende Vorschriften, Kontrollen und Strafen dürfen nicht zur Existenzgefährdung von Menschen führen“
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Aber darauf werden wir von dieser ÖVP wohl lange warten!
*Anmerkung am Rande: Auch redliche Unternehmer*innen die sich an bestehende Gesetze zum Schutze von Konsument*innen und Arbeitnehmer*innen halten (und wir betonen, dass wir der Meinung sind, dass dies der allergrösste Teil der Arbeitgeber*innen tun) müssten grösstes Interesse daran haben, dass nicht Einzelne sich durch Umgehung von Gesetzen wettbewerbsverzerrende Vorteile verschaffen. Auf Grund des Vorgehens der Wirtschaftskammer nehmen wir allerdings an, dass sich das noch nicht bis zur Spitze der Vertretung der Wirtschaftstreibenden herumgesprochen hat.