Parteien von den politischen Rändern, vor allem von rechts, werden in Mainstream-Medien sehr oft als größte Gefahr für unsere Demokratie bezeichnet. Doch geht in Wahrheit die größte Gefahr nicht von der so genannten, politischen Mitte aus?
Ulrich Lintl http://lintl-net.at
Links gegen Rechts – das ist die seit Jahrzehnten bestimmende Frage in unserem politischen Diskurs. Und Links- und Rechts-Extreme gelten für die meisten Menschen als die größten Gefahren für unsere Staaten, Demokratien und Gesellschaften.
Parteien der Mitte werden sowohl von sich selbst, als auch von den Mainstream-Medien immer als ganz etwas positives und erstrebenswertes hingestellt: Sie seien gemäßigt, ausgewogen, verantwortungsvoll und noch viele andere positive Eigenschaftswörter mehr.
Und natürlich wird auch im aktuellen, österreichischen Bundespräsidentschafts-Wahlkampf dieses Spiel vom politischen Establishment gespielt.
Doch ist die Mitte wirklich so gut, wie sie von weiten Kreisen dargestellt wird?
Meiner Ansicht nach: Nein.
Und mehr noch: Ich komme zur Einschätzung, dass heute die mit Abstand größte Gefahr für unsere Freiheit und unser Wohlergehen weder von links, noch von rechts, sondern eben von der so genannten „politischen Mitte“ ausgeht.
Das bisherige Versagen der politischen Mitte
Wie komme ich zu diesem Schluss?
Es gibt zuerst einmal Dinge in unser aller Alltag, von denen wohl jeder von uns zumindest schon eines bemerkt hat:
- Die massive Erosion des Mittelstandes durch die Vergrößerung der sozialen Kluft zwischen Arm und Reich – innerhalb der einzelnen Länder ebenso, wie zwischen entwickelten und weniger entwickelten Staaten.
- Der systematische Kampf gegen KMUs (KMU = kleine und mittelständische Unternehmen) – bis hin zu deren Vernichtung. Von einer Unzahl von bürokratischen EU-Schikanen (Hygiene-Verordnungen für Schlachthöfe, Allergen-Verordnung für Lebensmittel, aufwendige Zulassungsverfahren selbst für Naturheilmittel, ...) über völlig unzulängliche Handhabung von Anti-Kartell-Gesetzen bin hin zur auf österreichischem Mist gewachsenen Registrierkassenpflicht.
- Massen-Migration sowohl innerhalb von Staaten (v.a. Landflucht) als auch zwischen Staaten. Kein anderes Politikfeld emotionalisiert und polarisiert uns Menschen derzeit so stark, wie das „Ausländer-Thema“. „Grenzen auf“ versus „Grenzen zu“ ist die dominierende, aber leider am eigentlichen Kern der Sache vorbei gehende Konfliktlinie unserer Tage. Die Frage nach den Ursachen für den massiven Migrations-Druck wird bisher leider so gut wie nie gestellt.
- Das Beschneiden von immer mehr unserer Freiheiten – von der Massen-Überwachung unserer digitalen Kommunikation über das Rauchverbot über die beginnende Bargeld-Abschaffung bis hin zum Glühbirnen-Verbot.
Regierungen tragen Verantwortung, für das, was in ihren Ländern geschieht. Und damit natürlich auch Verantwortung dafür, dass es in diesen und zahlreichen, weiteren Themenfeldern große Konflikte und massive Probleme gibt.
Und in allen Regierungen EWR-Europas (Griechenland ist ein Sonderfall) sitzen derzeit Parteien der politischen Mitte am Ruder und geben den Takt vor: Christdemokraten/Konservative, Sozialdemokraten, Liberale & Grüne.
Für mich noch klarer und noch bedeutsamer ist die Unheils-Allianz der Mitte-Parteien aber in strukturellen Schlüssel-Fragen:
- Direkte Demokratie? Spielt es mit Mitte-Parteien bis auf vereinzelte, tatenlose Worthülsen nicht! Und zumindest in Österreich haben Mitte-Parteien 2007 sogar noch mit der Legislatur-Perioden-Verlängerung (von 4 auf 5 Jahre) Demokratie-Abbau betrieben.
- EU? Mitte-Parteien waren und sind die Vorantreiber der EU als Europa der Konzerne und Generäle, haben nicht nur positive Reformen der EU unterlassen, sondern diesem undemokratischen, Großwirtschafts-Lobby-dominierten Konstrukt immer mehr vormals nationale Kompetenzen übertragen (v.a. Handels-Politik, Lissabon-Vertrag, ESM+EU-Fiskalpakt).
- TTIP, TISA und CETA? Die Zulassung einiger Gentechnik-Saatgut-Arten und zu diesem passenden Spritzmitteln (v.a. Roundup mit dem viel kritisierten Inhaltsstoff Glyphosat) durch die EU war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns durch transatlantische Freihandelsabkommen blüht. Und auch, wenn es momentan gerade dabei ist, sich zu ändern: Mitte-Parteien waren bzw. sind nach wie vor FÜR TTIP, TISA und CETA – und damit FÜR eine massive Machtabgabe von souveränen Demokratien an oligarchische Konzern-Strukturen.
Ein besonders prägnantes Beispiel der bürgerfeindlichen und großwirtschaftsfreundlichen Unpolitik der Mitte-Parteien ist das nach außen als „Griechenland-Rettung“ verkaufte Finanzindustrie-Subventionspaket.
Von den hunderten Milliarden €, die Griechenland von der internationalen Gemeinschaft erhalten hat, sind nur 5% (!!!) beim griechischen Volk angekommen. Der Rest von 95% (!!!) ist im Schlund der Finanzwirtschaft gelandet.
Die Rechten und die Linken
Rechts- und Links-Parteien – jedenfalls solche, die stark in die eine oder andere Richtung gehen – werden oft als extremistisch, gefährlich und verantwortungslos hingestellt. Ich finde das auch durchaus nicht falsch. Das ist aber nur die eine Seite.
Die andere Seite ist die, dass Rechte UND Linke in strukturellen Schlüssel-Fragen und auch bei vielen operativen Politikfeldern eine andere Politik vertreten. Eine Politik, die sich gegen die mit der Mitte „verbandelten“ Großwirtschafts-Lobbies richtet und die bemerkenwerterweise auf der Seite Menschen steht.
- Direkte und auch darüber hinaus generell mehr Demokratie? Beide sind hier klar dafür. Damit respektieren sie den Bürger als das, was er ist, als Souverän.
- EU-Kritik? Ja, ganz klar. Und auch, wenn die Vorstellungen über das Haus Europa auseinander gehen, so ist das Eintreten für einer Alternative zur aktuellen EU beiden ganz wichtig.
- Ablehnung von TTIP, TISA und CETA? Selbstverständlich. Hier gibt es zwischen Rechts und Links ein besonders hohes Maß an Einigkeit.
Neben dem aktuell ganz heißen Thema „TTIP & Co“, das beide Lager eint, so gibt es auch in der Vergangenheit 1 Beispiel, das zu einer Art Sinnbild für ein erfolgreiches Zusammenwirken Rechter und Linker steht:
Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich 2005.
Nachdem jeder französische Haushalt ein gedrucktes Exemplar der EU-Verfassung erhalten hat, – und viele diese offensichtlich auch gelesen haben – ist sie in einem Referendum, bei dem sich sowohl rechte, als auch linke Kräfte für ein NEIN eingesetzt haben, abgelehnt worden.
Natürlich besteht die Gefahr, dass eine Rechts- oder eine Links-Partei im Falle einer Machterlangung eine einseitige, extreme Politik verfolgt. Und dessen bin ich mir auch völlig bewusst und teile die Bedenken diesbezüglich.
Dennoch stellen diese Kräfte derzeit besonders in strukturellen Schlüssel-Fragen eine konstruktiv-kritische Alternative zum herrschenden Polit-Establishment dar.
Die unerkannte, totalitäre Mitte-Gefahr und Auswege
Und nicht nur das:
- 1) Während es für potentielle Gefahren von links und rechts ein ziemlich großes Bewusstsein bei den Bürgern gibt, so fehlt dieses für die „Hidden-Agenda“ der Mitte-Parteien derzeit fast völlig. Und die größte Gefahr ist die, die man nicht sieht.
- 2) Die Kräfte der Mitte sind – im Gegensatz zu Rechten und zu Linken – an der Macht. Und dadurch sind die in der Lage, ihre politische Agenda bzw. die ihrer „Auftraggeber“ in die Tat umzusetzen.
Faktisch unregulierte, internationale Kapitalverkehrsfreiheit, Sozial- und Umwelt-Dumping + Konzern-Lobby-Dominanz in der EU und jetzt noch TTIP, TISA & CETA:
Die Mitte-Parteien haben in der Vergangenheit den Weg zu einer Konzern-Herrschaft, zu Lasten von KMUs und Bürgern, geebnet und werden das auch weiter tun. Und ich fürchte, die endgültige Machtübernahme eines globalistischen Großwirtschafts-Faschismus ist bei weiterhin fehlendem Bewusstsein der meisten Wähler dann nur mehr eine Frage der Zeit.
Es gibt immer mehr Menschen, die die Nase vom politischen Rechts-Links-Schema voll haben und einen unideologistischen, pragmatischen Zugang zu Inhalten fordern.
Auch ich gehöre zu diesen, werde niemals zum verblendeten Fan von bestehenden Ideologien, sondern denke selber.
Ich hätte gerne eine pragmatische, aber dennoch prinzipientreue, politische Bewegung auf der Seite der Menschen. In Europa gibt es mit der italienischen 5-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo auch eine politische Kraft, die meinen Vorstellungen nahe kommt.
Leider ist diese aber noch die Ausnahme.
Bis auf weiteres sehe ich daher nur 1 Ausweg mit 2 Elementen:
- 1) Weiterhin rechte, linke oder andere, nicht eindeutig zuordenbare, aber ehrlich systemkritische Kräfte (z.B. EU-Kritiker) zu wählen. Welche Kraft bei welcher Wahl ist dabei für mich immer eine Einzelfall-Entscheidung.
- 2) Konsequent für direkte Demokratie einzutreten und – damit in Zusammenhang stehend – eine Partei- und Lager-übergreifende Zusammenarbeit aller kritisch-konstruktiven, demokratischen Kräfte einzufordern.