Ulrich Lintl http://lintl-net.at
Leider schaffe ich es erst heute über das Thema zu schreiben, dass Österreichs Medienwelt diese Woche bewegt hat: Die an einem Tag angekündigte und am nächsten Tag wieder abgeblasene Schließung von ServusTV durch Eigentümer und Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz.
Die Doch-Nicht-Schließung von ServusTV
Die konkrete Geschichte rund um den Salzburger TV-Sender ist ja schon von Kollegen ausgiebig behandelt worden, darum einleitend von mir nur eine kurze Zusammenfassung:
Der private, österreichische Qualitätsfernsehsender im Eigentum der Red-Bull-Mediengruppe, ServusTV, schreibt auch 7 Jahre nach seinem Start hohe Verluste. Und nachdem zu diesen auch noch von Unbekannten versucht worden war, einen Betriebsrat auf den Weg zu bringen, hat Red-Bull-Chef Mateschitz am 3. Mai 2016 rot gesehen und verkündet, den Sender zu schließen.
Nach einem großen Aufschrei aus der Medien-Szene und der Öffentlichkeit insgesamt, vor allem aber nachdem die Gründung eines Betriebsrates definitiv abgeblasen worden ist, hat der große Boss die Schließung tags darauf wieder zurück genommen.
Mögliche Motive für eine Schließung
Über mögliche Motive von Dietrich Mateschitz ist viel berichtet und spekuliert worden:
- Er selbst hat die Schließung mit der politischen Unabhängigkeit des Senders begründet, da er nach Etablierung eines Betriebsrates politische Einflussnahme vermutet.
- Für die Best-Practice-Marketing-Firma Red-Bull drängt sich natürlich auch immer die Möglichkeit auf, dass das ein inszenierter Marketing-Coup war.
- Manche meinen auch, dass es ein abgekartetes Spiel war, mit der Senderschließung zu drohen, um damit einen Betriebsrat ganz sicher zu verhindern.
- Ich kann mir auch vorstellen, dass es um die Behauptung der patriarchalen Autorität des Bosses gegangen ist.
Das alles sind realistische Motive, sicher wissen, was wirklich Sache war, können wir aber nicht.
Vor etlichen Jahren habe ich allerdings im Rahmen meiner Ausbildung einen Vortrag der Red-Bull-Mediengruppe an der WU-Wien gehört. Und da habe ich erfahren, dass ein neues Magazin nach spontaner Auftragserteilung durch den „Gottkönig“ binnen weniger Wochen aus dem Boden gestampft worden ist. Und wer weiß, wie viel Arbeit die Konzeption UND Umsetzung eines solchen Druckwerks ist, der weiß auch, dass der damit verbundene – und daher offensichtlich nur durch viele Überstunden in der kurzen Zeit zu bewerkstelligende – Aufwand sehr hoch ist.
Ich bin mit daher sicher, dass der Punkt der Autorität des Chefs zumindest 1 Grund für die aktuelle Aktion bei ServusTV war.
Sinn und Unsinn von Qualitätsfernsehsendern in Österreich
Schließungs-Aktion hin oder her, eines muss man ServusTV wirklich sehr zu Gute halten:
Es ist ein Qualitätsfernsehsender, der auch anspruchsvollere Inhalte bietet, welche teilweise sogar im ORF fehlen. Und dass sich Masse und Klasse fast immer widersprechen ist eine ebenso traurige wie alte Erkenntnis.
Nicht nur, aber auch deshalb, da der Red-Bull-Sender eben nicht auf die volle Ladung Volksverdummung, sondern auf teilweise zumindest ziemlich gehobene TV-Kost setzt, ist er in die wirtschaftlich schwierige Lage geraten, in der er heute ist.
Umgekehrt ist es eine Schande, ja eine Schweinerei, dass vor allem ORFeins sich in hohem Maße als Abspielsender für Hollywood-Produktionen verdingt und den großen, deutschen Privatsendern wie RTL, SAT1 oder PRO7 ähnlicher ist als eben ServusTV.
Abhängigkeit und Unabhängigkeit von Fernsehsendern
Wenn irgend jemand Fernsehsender fragt, ob sie unabhängig sind, dann werden sie das sicher bejahen. Die öffentlich-rechtlichen werden betonen, dass sie Konzern-unabhängig sind, die privaten, dass sie politisch unabhängig sind.
Die Aussagen sind natürlich formal richtig, inhaltlich sind sie aber absoluter Blödsinn! Denn ganz besonders Fernsehsender sind immer von jemandem abhängig:
- 1. Alleine schon durch den hohen finanziellen Aufwand, den der Betriebs einer bundesweiten TV-Station mit sich bringt.
- 2. Aber natürlich auch wegen der geringen Anzahl an – natürlich von staatlichen Behörden – zu vergebenden Lizenzen sind große Abhängigkeiten zwingend – entweder von der öffentlichen Hand oder von einem Konzern.
Das sind auch die 2 Hauptgründe, dass substantiell offene und kritische Informationen zu „heißen Themen“ fast nur abseits von großen Fernsehstationen zu finden sind.
Nur eines hat der spezielle Fall von ServusTV wieder einmal ganz eindrucksvoll gezeigt:
Je weniger Entscheidungsträger involviert sind, desto größer die Willkür-Möglichkeiten.
Egal ob privat oder öffentlich-rechtlich: Mit einem Entscheidungs-Gremium und/oder mehreren Eigentümern wäre die Entscheidung über die Schließung eines Teil-Unternehmens jedenfalls so nicht möglich gewesen, wie durch einen Alleinherrscher.
Fazit
Eigentlich präsentiere ich immer Lösungsansätze, wenn ich zu einem Problem schreibe. Doch in diesem Fall würde das den Rahmen dieses – ohnehin schon langen – Artikels endgültig sprengen.
Lösungsansätze für ein erfolgreicheres ServusTV habe ich in meinem Blog ausgearbeitet.
Und grunsätzliche Lösungsansätze für das Medium Fernsehen kommen auch noch, versprochen!
Eines hier aber doch:
ServusTV ist einerseits etwas zu wenig kommerziell. Der Sender muss hier nachjustieren, sollte aber unbedingt sein etwas anspruchsvolleres Grundkonzept beibehalten. Das ist bereits ein starkes Markenzeichen geworden.
Und wegen der Programmqualität finde ich den Weiterbetrieb von ServusTV auch gut. Ich persönlich schaue vor allem „Sport und Talk im Hangar 7“, aber auch ab und zu „Terra Mater“ und den einen Filme oder die andere Serie.
Die „Letztendlich-doch-nicht-Schließung“ des Senders hat dennoch einen äußerst schalen Beigeschmack.
Denn ob beabsichtigt oder nicht: Eine Betriebsrats-Gründung ist jedenfalls durch den Druck einer möglichen Schließung verhindert worden.
Und in jedem Fall haben die Geschehnisse der letzten Tage eindrucksvoll gezeigt, wie abhängig Medien sein können. Im konkreten Fall nicht von der Politik und auch nicht wirklich von einem Konzern, sondern von nur 1 einzigen Person.