Warum ich Norbert Hofer wähle – und mir das verdammt schwer fällt

Ulrich Lintl http://lintl-net.at

Gleich vorweg: Gerne stehe ich für konstruktive Kritik zu meiner Position offen. Ich erwarte mir aber, dass ihr euch den Artikel mit meinen Überlegungen (und nicht nur die Überschrift) durchlest, bevor ihr Feedback gebt.

Am kommenden Sonntag findet der 2. Anlauf der 2. Stichwahl über den zukünftigen österreichischen Bundespräsidenten statt. Nach wie vor stehen dabei Norbert Hofer und Alexander van der Bellen zur Wahl.

Es ist das die Wahl eines deklarierten Blauen gegen einen als unabhängig deklarierten Ex-Grünen.

Eines Kandidaten mit Sympathien zum Deutschtum und eines Kandidaten mit Vergangenheit bei den Freimaurern.

Eine Wahl zwischen einem schwach und einem stark ausgeprägten EU-Befürworter.

Eines weniger und eines tief im Establishment verhafteten Kandidaten.

Von vielen Gruppen werden auch noch Unterschiede der Kandidaten in zahlreichen Sachfragen aufgezeigt, wie z.B. der Verkehrs- oder Sozialpolitik.

Doch so sinnvoll und wichtig solche Fragestellungen vor allem bei Nationalratswahlen sind, so wenig bringen sie bei der Wahl eines Bundespräsidenten. Dieser ist ja neben seiner zentralen Repräsentationsfunktion vor allem so etwas wie ein Aufseher über Regierung, Verfassung und Land. Und in seiner Aufsichtsfunktion tritt er vor allem in strukturellen Schlüsselfragen in Erscheinung – sei es bei der Wahrung von Verfassungskonformität von Gesetzen oder dem Prüfen der Sinnhaftigkeit von Staatsverträgen.

Bei einer Bundespräsidenten-Wahl geht es national wie international um große, strukturelle Themen.

Und gerade bei den großen Themen ist die Lage für mich ganz einfach:

Die ganz große Gefahr für unsere Demokratie und Freiheit geht weder von Rechts, noch von Links aus, sondern von der so genannten Mitte. Denn Mitte ist in den letzten Jahrzehnten zu einem Synonym für „großwirtschaftshörige Establishment-Lobbies“ geworden.

Ob Freihandels-Wahn, ob Auslieferung von ganzen Staaten an die Finanzindustrie, das Zerbröseln der Mittelschicht oder ein immer autoritärer Obrigkeits- und Überwachungsstaat. Alle diese Dinge sind von Sozialdemokraten, Christdemokraten, Liberalen und auch Grünen realisiert worden.

Und dann gibt es natürlich auch noch die strukturelle Schlüsselfrage der direkten Demokratie – wo fast alle politischen Kräfte außerhalb des Establishments dafür sind.

Dass natürlich die Wahl von rechten und linken Kräften auch mit Risiken behaftet ist, ist mir wohl bewusst. Im Gegensatz zu den aktuellen Mitte-Kräften gibt es mit ihnen aber zumindest die Chance auf eine positive Veränderung.

Somit war für mich schon im 1. Wahldurchgang klar, welche Kandidaten unwählbar (Rudolf Hundsdorfer, Andreas Khol und Alexander van der Bellen) und welche wählbar sind (Norbert Hofer, Irmgard Griss, Richard Lugner). Ebenso wären z.B. Elfriede Awadalla und Robert Marschall im Falle einer erfolgreichen Kandidatur wählbar für mich gewesen.

Und: Ich habe in der 1. Stichwahl Norbert Hofer meine Stimme gegeben, was angesichts meiner Überlegungen zwar keine begeisterte, aber eine klare Entscheidung war.

Der Sager Norbert Hofers vom gemeinsamen Oberbefehl einer EU-Armee hat mich dann – ich glaube das 2. Mal im meinem Leben als Stimmbürger – darüber nachdenken lassen, in der 2. Stichwahl keinen der Kandidaten zu wählen, sondern eine ungültige Stimme abzugeben.

Eine EU-Armee ist für mich inhaltlich nicht akzeptabel. Und die Neutralität Österreichs ist gültiges Recht. Dieses kann man zwar grundsätzlich ändern, in dem Fall aber einzig und allein, wenn die Österreicher im Rahmen einer Volksabstimmung das Ende der Neutralität befürworten. Denn die Neutralität regelmäßig brechen und per Salamitaktik durch die Hintertür abschaffen, das machen die heute an der Macht befindlichen Parteien ohnehin schon seit langem.

Norbert Hofer hat das dann zwar tags darauf klar gestellt, sehr überzeugend war das für mich aber nicht. Weil ich aber keine gegenteiligen Erkenntnisse habe, akzeptiere ich diese Aussagen.

Zusammenfassung

Vom Deutschtum halte ich ebenso wenig, wie von den Freimaurern.

Ich bin ein Querdenker, der zwar natürlich eine persönliche Weltanschauung hat, jedoch vom traditionellen Rechts-Links-Schema nichts hält und der Ideologismus (= wenn Ideologie die Realität bestimmt statt umgekehrt) jeder Art ablehnt.

So halte ich konsequente Grenzkontrollen für ebenso wichtig, wie realistische Vermögenssteuern.

Diese und andere das Rechts-Links-Schema überwindende Themen-Kombinationen habe ich noch bei keiner bestehenden Gruppierung und bei keinem Kandidaten entdecken können.

Und andere Themen, wie der Kampf gegen Migrationsursachen (v.a. durch konsequente Friedens- & faire Handelspolitik) fehlen mir bei diesen ebenfalls – die aktuellen Diskussionen um das Migrations-Thema drehen sich fast nur um „Grenze-Auf“ versus „Grenze-Zu“.

Dennoch gibt es einige Gründe, warum ich mich bei dieser Wahl für Norbert Hofer entscheide:

Was wir dagegen heute überhaupt noch nicht wissen ist, welche Konstellation es nach der nächsten Nationalratswahle geben wird. Es ist sowohl denkbar, dass ein Bundepräsident van der Bellen eine blau-schwarze Regierung angelobt, wie es denkbar ist, dass ein Bundespräsident Hofer eine rot-schwarz-grüne Regierung angelobt.

Die Wahl jedes der beiden Kandidaten stellt also für mich einen großen Kompromiss dar, Norbert Hofer ist aber im direkten Vergleich mit Alexander van der Bellen eindeutig der kleinere Kompromiss.

Und die öffentliche Kommunikation meiner Position ist weniger ein Zeichen Pro-Hofer, sondern mehr ein Zeichen gegen immer mehr und immer deutlichere Schritte in der EU Richtung Diktatur, wie des ausufernden Überwachungsstaates oder der drohenden, offenen Zensur von kritischen Medien (unter dem Deckmantel von „Fake News“) – einer Problematik, die sich seit der Wahl Donald Trumps massiv verschärft hat.

Deswegen ist es jetzt besonders wichtig, seine Meinung öffentlich zu äußern, gerade, wenn man davon ausgehen kann, dass sie beim Establishment unpopulär ist!

P.S. Und den Fanatikern beider Seiten schreibe ich ins Stammbuch: Raus mit den Fussball-Hooligan-artigen Emotionen. Wenn Alexander van Bellen die Wahl gewinnt, dann kann ich das als Demokrat auch gut akzeptieren – und das sollten alle beim von ihnen nicht gewählten Kandidaten können!

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