Auch wenn die offizielle PEGIDA-Bewegung bereits wieder zu zerbröseln scheint, das, was man als "PEGIDA-Doktrin" bezeichnen könnte, bleibt uns als mehr oder weniger präsente Grundmatrix der (Gesellschafts)Politik weiter erhalten: Eine Policy der kleinen Nadelstiche, die den Alltag polarisiert und so ihren Teil dazu beiträgt, dass sich das Mühen um ein Miteinander in einer pluralen Gesellschaft - also eine gesamtgesellschaftliche Integration unterschiedlicher Lebensstile, sozialer, kultureller und religiöser Hintergründe - nicht gerade erleichtert.

Worin besteht diese "Doktrin"?

Die Komplexität der gegenwärtigen Pluralisierung von sozialen und technologischen Möglichkeiten ist dermaßen überfordernd, dass der Wunsch nach "klaren Verhältnissen", einer letztlich aber unmöglichen Trivialisierung der Wirklichkeit, mehr und mehr ansteigt. Darin spiegelt sich vor allem das Verlangen nach Vertrautheit im eigenen Umfeld wieder, das dort auf die Probe gestellt wird, wo vertraute Schemata über den Haufen geworfen scheinen. Dazu zählt - in der diesbezüglich weltpolitisch aufgestachtelten Situation der letzten 20 Jahren (wenn nicht schon seit 1989) nochmals angeheizt - die Präsenz von Musliminnen und Muslimen in Europa, weil sie im gesellschaftlichen Modus Vivendi große Veränderung signalisiert: von Bekleidungs- bis Wertecodes, von öffentlicher Sicht- bis kulinarischer Wahrnehmbarkeit, von zahlenmäßiger Zu- bis emanzipatorisch ansteigender Teilnahme im öffentlichen Leben! Und da kommt die "PEGIDA-Doktrin" in vielen Köpfen hoch:

"Alles was recht ist, aber das kann es ja nicht sein. Das kann man doch nicht zulassen, dass sich bei uns alles so verändert. Das kann dochsonicht weiter gehen - und das wird man doch noch öffentlich sagen dürfen! Wir wollen ja keine Gewalt, keine Vertreibung oder Eliminierung von denen. Aber hofieren müssen wir die Muselmanen nicht, wir müssen ja nicht das größte Mohammedanerparadies der Welt sein. Erstens einmal sollten wir unsere Kultur hochhalten, keine Abstriche machen und nicht vor dem Halbmond zu Kreuze kriechen. Und zweitens müssen sich die Anderen, wenn sie schon anders sein wollen, dabei gefälligst nach uns richten! Und man muss ihnen ja nicht mit Vorsichtl und Rücksichtl bei allem entgegenkommen, gerade dann nicht, wenn man sieht, wie der Islam im Nahen Osten mit den Christen umspringt. Und je weniger überfreundlich wir sind, je mehr klare Grenzen wir ziehen, was im Alltag konkrete Hürden für die Muslime bedeuten wird, desto eher werden sich viele von denen fragen, ob es wirklich noch so paradiesisch ist, hier bei uns zu leben. Und sollten sie draufkommen, dass es woanders vielleicht doch leichter ist, seinen Islam auszuleben, dann ziehen sie freiwillig weiter. Oder sie passen sich an das an, was wir unter Islam emotional gerade noch aushalten könnten und werden endlich einmal so aufgeklärte Geister wie wir ..."

Ich erspare mir eine Legion an Argumenten oder Differenzierungen zu dieser Doktrin, warne aber zugleich jene davor, die gerne ihren pseudointellektuellen Kopf über solche Ansichten schütteln - denn das sind nicht "dumpfe Stammtischparolen" oder "ewiggestrige Nischenansichten", sie sind emotionale Befindlichkeit vieler und soweit Mainstream, dass sie (wie uns z.B. auch das Islamgesetz 2015 bewiesen hat) zu einer Politik der kleinen Nadelstiche führen, die selbst wieder die Schwelle gelebter Alltagsdiskriminierung erschreckend absenkt! Mit allen höchst unerfreulichen Folgen für die gesellschaftlichen Entwicklungen.

PEGIDA ist vielleicht tot, unverändert aber lebt die PEGIDA-Doktrin mitten unter uns weiter ...

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Herbert Erregger

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Bernhard Juranek

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Silvia Jelincic

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Dieter Knoflach

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fischundfleisch

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