Schön war die Welt, als sie noch übersichtlich war. Früher, als die Menschen noch Schlaghosen trugen und die Telefone mit Hörmuscheln ausgestattet waren, wusste man als Besitzer eines popkulturellen Grundlagenwissen relativ schnell: Okay, das ist jetzt Satire. Situationisten, Prankster und Diskordianer waren relativ deutlich als solche ausgelobt und störten den gemächlichen Weltengang auf erkennbare Art und Weise. Seit rund 20 Jahren ist das nicht mehr so. Satire und Realität sind immer schwieriger voneinander zu unterscheiden. Die Grenzen zwischen, Ernsthaftigkeit, Ironie, freiwilliger und unfreiwilliger Komik sind abgeschafft oder zumindest unsichtbar. So, als gäbe es ein Schengen-Abkommen für die Pforten der Wahrnehmung. Mit einem sehr seltsamen Beispiel aus der österreichischen Innenpolitik will ich das verdeutlichen. Okay. Ich höre die Einwände schon. Und die Einwender haben natürlich Recht. Die österreichische Innenpolitik war immer schon ein Las Vegas der unfreiwilligen Komik. Trotzdem. In der nun folgende Geschichte wird eine neue Eskalationsstufe in Sachen Selbstparodie gezündet.
Es geht ums BZÖ. Auch wenn mich jetzt viele Leser für verrückt erklären werden: Ja, diese Partei gibt es noch. Für die vielen Menschen, die nicht wissen, wovon ich rede, darf ich kurz erklären. BZÖ ist eine Abkürzung und steht für Bündnis Zukunft Österreich. Dabei handelt es sich um eine Kleinstpartei, die einst von Jörg Haider als FPÖ-Abspaltung gegründet wurde. Seit dem abrupten Ableben ihres Gründers eilt sie von Misserfolg zu Misserfolg. Haiders Geschichte ist bekannt: Der charismatische Rechtspopulist war Landeshauptmann der südösterreichischen Bizarro-Provinz Kärnten. Eines Tages katapultierte sich der Popstar-Politiker in seinem Phaeton wirkungsmächtig und volltrunken hinaus aus der Welt der Sterblichen. Break on through to the other side. Der Jim Morrison im braunen Trachtenjanker starb wie Grace Kelly. In einer Kurve.
Wäre ich ein Zyniker und würde man mich fragen, was die unpassendste Art wäre, den so Verblichenen zu ehren, würde ich folgendes sagen: Benennt eine Straße nach ihm. Oder noch besser: eine Kurve. Doch Zynismus ist mir fremd. Und zugegeben – gefragt hat mich auch niemand. Zum Glück gibt es aber das BZÖ. In einer Aussendung macht sich der als Partei kostümierte Jörg-Haider-Gedächtnisverein stark dafür, dass ein Kreisverkehr in Wien nach seinem Gründervater benannt wird. Keine, Kurve, weil Kurven zumindest in Österreich keinen Namen tragen. Aber ein Kreisverkehr ist eh eine Art Kurve. The next best thing, sozusagen. Der Doktor-Jörg-Haider-Kreisverkehr. Respekt. Darauf muss man erst kommen. Das ist so, als würde man ein Flugzeug nach Buddy Holly benennen. Oder ein Möbelhaus nach Rex Gildo. Oder einen Stachelrochen nach Steve Irwin. Oder eine Schnapssorte nach Amy Winehouse. Die im wahrsten Sinne des Wortes autoparodistische Qualität des Vorstoßes kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich freue mich schon auf die Eröffnungsfeierlichkeiten des Gedenk-Kreisels samt symbolischer Ehrenrunde des BZÖ-Vorstandes im parteieigenen Dienst-Phaeton.