Graz ist meine Stadt. Hier bin ich aufgewachsen. Hier habe Ich knapp 28 Jahre lang gelebt. Hier leben meine Eltern heute noch. Ebenso viele meiner ältesten Freundinnen und Freunde. Mit keinem anderen Ort auf der Welt verbinde ich so viele Erinnerungen wie mit Graz. Fantastische und weniger fantastische. Graz ist für mich die kleinste Großstadt der Welt. Oder die größte Kleinstadt der Welt. Graz ist Sturm und Drang. Und damit ist nicht der Fußballklub gemeint. Graz war mein Spielplatz und mein Proberaum. Mein Partykeller und meine Hosentasche. Graz hat mich geformt, geschärft und geprägt. Hier habe ich gelernt, gesungen, gefeiert und gelacht. Viel gelacht. 27 Jahre lang. Die kindlichen 70er. Die ungestümen 80er. Und die ausgelassenen 90er. Dann die Jahrtausendwende. Kurz danach bin ich weggezogen.
Ein paar mal im Jahr fahre ich auch heute noch nach Graz. Meist für ein Wochenende. Dann spaziere ich durch die Innenstadt, treffe Freunde und Bekannte, lausche dem Klang des Dialekts, besuche Lokale und denke an früher. Nein wie 1997 sieht es in Graz nicht mehr aus. Ist es tatsächlich schon 2015? Was ist mit der Zeit passiert? Kannst Du dich an diese Bar erinnern? An den einen Typen? Wie hieß nochmal dieses Mädchen? Weißt Du noch, was wird damals alles angestellt haben? Gespräche mit alten Weggefährten, die nie weggezogen sind. Meist fühle ich mich dann ein bisschen fremd in der eigenen Stadt. Dann fahre ich wieder weg. Auch darüber bin ich nicht unglücklich. Heimweh trifft auf Fluchtreflex.
Dieser Tage ist Graz groß in den Medien. Tote und Verletzte in der Innenstadt. Ein Amoklauf mit einem Auto. Tränen, Trauer und ein Meer aus Kerzen. Viel wurde darüber geschrieben. Politisches Kleingeld wurde gewechselt und neue Gräben wurden ausgehoben. Dazu nur so viel: Eure Niedertracht könnt Ihr behalten. Lasst meine Stadt damit in Ruhe. Mich interessiert das alles nicht. Als ich von den schrecklichen Vorkommnissen erfuhr, griff ich zum Telefon und rief zuhause an. Alles okay bei Euch? Zum Glück war alles okay. Mit meinen Gedanken bin ich derzeit in Graz und fliege durch die Herrengasse. Jene Herrengasse, durch die ich gefühlte tausende Male selbst gegangen bin. Vielleicht sollte ich wieder mal nach Graz fahren? Denn irgendwie fehlt sie mir, meine fremde Stadt.