Wenn die Krankheit zum Argument wird – und das Argument zur Krankheit
Ein Abgeordneter, dessen Hand zittert, wurde von einer Partei verspottet, deren Geist schon lange schwankt. Der Mann leidet an Parkinson – die anderen an einer Haltungslosigkeit, die selbst das medizinische Bulletin nicht mehr zu klassifizieren vermag. Dort, wo einst Menschen mit Ideen saßen, sitzen heute Ideen mit Menschenfeindlichkeit. Und die lachen. Nicht über sich – das wäre Kultur –, sondern über den, der sich ihrer entzieht.
https://twitter.com/i/status/1910350730600263745
Man hat also wieder gelacht. Der Ton: volkstümlich. Der Inhalt: völkisch. Die AfD, jene Trauergemeinschaft, die sich als politische Partei tarnt, leistet sich wieder einmal eine Geschmacklosigkeit – wobei das Wort „Geschmack“ hier in etwa so passend ist wie „Demokratie“ in ihren Programmen. Man macht sich lustig über Krankheit. Eine Partei, deren intellektuelles Zentrum aus Reflexen, Ressentiments und Rülpslauten besteht, spottet über ein neurologisches Leiden. Die Ironie? Sie bleibt gesund dabei.
Es ist das alte Spiel: Erst die Fremden, dann die Feindlichen, dann die Schwachen, dann die Kranken – und am Ende die Überlebenden. Was als Satire auf die Menschlichkeit beginnt, endet immer als Ernstfall der Geschichte. Wer heute die Schwäche verspottet, errichtet morgen wieder Anstalten, in denen sie verschwindet. Man muss nur in die Archive schauen – oder in das Parteiprogramm.
Denn wo der Anstand schweigt, grölt der Ungeist. Und er grölt immer lauter, je mehr Beifall er bekommt von jenen, die sich im Spott über andere selbst über ihre eigene Bedeutungslosigkeit erheben wollen. In der Echokammer des Ressentiments klingt jede Bosheit wie ein Argument – und jeder Satz wie ein Schuss.

moinzon/pixabay https://pixabay.com/photos/germany-flag-banner-3115774/
Ach, hätte die AfD doch nur eine politische Idee. Aber sie hat nur ein Programm: das große Ausgrenzen. Wer nicht passt, muss weg. Erst verbal. Dann real. Das ist keine Übertreibung – das ist Geschichte. Man sollte sie gelegentlich lesen. Nicht nur das Kapitel mit der Mauer, sondern auch das mit den Gaskammern.
Und wenn sie dann wieder sagen, sie hätten das doch nicht so gemeint – dann wissen wir, dass sie es genau so meinen. Denn die Lüge ist die letzte Wahrheit der Feigen.
Ein Abgeordneter mit Parkinson steht aufrecht – seine Hand zittert, ja. Aber nicht sein Gewissen. Die anderen sitzen – und was an ihnen zittert, ist bloß der Abgrund in ihrem Blick.