In 2017 erstellte Elisabeth Wehling im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Senders ARD in Deutschland ein vierteiliges Framing-Manual. Dieses Framing-Manual gibt Anweisungen wie der öffentlich-rechtlichen Rundfunk positiv dargestellt werden kann. Framing kommt aus der Kommunikationswissenschaft und beschreibt wie Aussagen in einen Kontext eingebettet werden können um bestimmte Assoziationen hervorzurufen. [1] [2] [3] [4] [5]
Teil 1 Unser Rundfunk ARD (Legitimation) [1,p.23]
Teil 2 Freiheit (Unabhängigkeit) [1,p.43]
Teil 3 Beteiligung (Beitragsakzeptanz) [1,p.51]
Teil 4 Zuverlässigkeit (Reform & Zukunft) [1,p.64]
[1,p.6] Im Februar 2019 wurde das Framing-Manual von Elisabeth Wehling durch Netzpolitik.org veröffentlicht. Das Handbuch dient jedoch nicht dazu die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu besseren Journalisten zu machen. Das Handbuch dient dazu die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser besser zu verteidigen und die Berichterstattung wirkungsmächtiger zu verkaufen. Außerdem bestätigt das Handbuch die Vorwürfe dass mit intern vereinbarten Neusprech und Sprachregeln argumentiert wird anstatt mit Fakten und Sachlichkeit. [1] [2] [3] [4] [5]
Framing ist ein Vorgang aus der Kommunikation und beschreibt wie Aussagen in einen Kontext eingebettet werden können. Hierbei können dann Assoziationen mit bestimmten Themen, Qualitäten oder moralischen Dimensionen hervorgerufen werden. Eine Ausnahme sind rein mathematische oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Worte und Aussagen mit gleichem Inhalt können in der Regel mit verschiedenen Ausdrucksweisen ausgesagt werden. Daher findet in der Regel unweigerlich ein Framing statt.
Begeben wir uns auf die nächste Ebene – von moralischen Anliegen zur Sprache. Sprache ist das wirkvollste Instrument für die Mobilisierung von Mitbürgern, aufgrund einer einfachen Wahrheit: Sprache aktiviert Frames.
Jedes einzelne Wort aktiviert einen Frame im Kopf des Rezipienten. Das trifft zu für alle Sprache. Das Wort „Salz“ etwa aktiviert einen Frame, der automatisch auch Konzepte wie Essen und Geschmack, und sogar Durst, impliziert. Der Grund liegt darin, dass das Gehirn auf seine Welterfahrung zurückgreift, um einzelnen Lexemen eine Bedeutung zu geben. Was auch immer das Gehirn an konkreter Erfahrung zu „Salz“ abgespeichert hat, aktiviert es, um die Semantik des Wortes zu erfassen. Das umfasst sogar das Simulieren von Geschmack. [1,p.10]
Das Handbuch dient jedoch nicht dazu die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu besseren Journalisten zu machen. Hiervon ist im gesamten Handbuch niemals die Rede. Im gesamten Handbuch wird auch niemals über die Aufgabe der Presse oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschrieben.
Wann immer Sie sich mit solchen sprachlichen Angriffen konfrontiert sehen, dürfen Sie Eines nicht tun: Die Begriffe der Angreifer in jedweder Form aufgreifen, und sei es in Form von Negierungen. Sagen Sie nicht, Sie fänden den Begriff „Lügenpresse“ unangebracht. Sagen Sie nicht, der Vorwurf, die ARD sei „Steigbügel der Politik“ sei ungerechtfertigt. Sprechen Sie auch nicht von der „sogenannten“ Lügenpresse oder nutzen Anführungszeichen, um sich rhetorisch von einem Konzept zu distanzieren, wie etwa: „Lügenpresse“. In jedem dieser Fälle propagieren Sie den moralischen Angriff Ihrer Gegner. Denn Frames zu negieren bedeutet, sie zu aktivieren. [1,p.16]
Das Handbuch gibt primär Anweisungen wie die Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser besser verteidigt werden können. Außerdem gibt das Handbuch Anweisungen wie die Berichterstattung mit moralischen Assoziationen beziehungsweise mit Framing wirkungsmächtiger zu verkauft werden kann. Hierfür scheut Wehling auch nicht davor zurück auf Erfolg durch Wiederholung zu setzen. Damit sind Wehlings Anweisungen schon bedenklich nahe an Propaganda. [1,p.17]
Wir nehmen es nicht wahr und wir können es auch nicht beeinflussen. Aber es hat zentrale Konsequenzen für Ihre Kommunikation: Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder – von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu Schriftsatz. Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen. [1,p.17]
Und nicht zuletzt wegen diesem Verhalten wird regelmäßig Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk geübt. Reformen werden jedoch als illegitim oder unangemessen dargestellt, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk für für folgenden Generationen erhalten werden soll und da der öffentliche-rechtliche Rundfunk Teil der medialen Infrastruktur sei. Damit wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch zum Selbstzweck. [1,p.66ff]
Alles Andere wäre eine Vernachlässigung unserer medialen Infrastruktur und würde damit langfristig zu ihrem Verfall führen.
... [1,p.67]
Sprechen Sie also nicht von Reform, sprechen Sie von der Verantwortung, die mediale Infrastruktur stets so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird.
... [1,p.69]
Sprechen Sie dabei nicht von den „Aufgaben“ oder dem „Auftrag“ der ARD, sondern von der „Verantwortung“ jener, die das gemeinsame Rundfunkkapital verwalten und für die gemeinsame, freie mediale Infrastruktur ARD einsetzen.
... [1,p.69]
Um Reformen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk als illegitim oder unangemessen darzustellen werden diverse Enpfehlungen gegeben. Kritiker der Größe des öffentlichen Rundfunks sollen dargestellt werden als ob diese Anderen etwas wegnehmen wollen. So wird der öffentliche Rundfunk als alternativlos dargestellt. [1,p.71ff]
Wer die ARD „verkleinern“ möchte, der stellt das Recht der Bürger an einer umfassenden und gründlichen Rundfunkversorgung infrage.
... [1,p.72]
Wer die ARD „schrumpfen“ will, ist bereit, es zugunsten von Kommerzsendern und auf Kosten der Bürger zu einer medialen Teilversorgung kommen zu lassen. Er ist bereit, den Bürgern den freien Zugang zu einer vollständigen und alle Lebensbereiche umfassenden Rundfunkinfrastruktur schrittweises zu entziehen. Er ist bereit, ganz erhebliche Teile unseres über den gemeinsamen Rundfunk organisierten deutschen Films und der deutschen Kultur ausdörren zu lassen und Raum zu schaffen für den profitablen Zugriff auf unser Bedürfnis nach Information, Bildung und Unterhaltung durch internationale Konzerne und alles, was sich billig produzieren und teuer verkaufen lässt. [1,p.73]
Wenn Sie Ihren Mitbürgern die Aufgaben und Ziele der ARD begreifbar machen und sie gegen die orchestrierten Angriffe von Gegnern verteidigen wollen, dann sollte Ihre Kommunikation nicht in Form reiner Faktenargumente daherkommen, sondern immer auf moralische Frames aufgebaut sein, die jenen Fakten, die Sie als wichtig erachten, Dringlichkeit verleihen und sie aus Ihrer Sicht – nicht jener der Gegner – interpretieren. [1,p.77]
Die Presse und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben die Aufgabe aufzuklären und das Handeln der Politik zu überprüfen. Die Presse sollte neutral sein aber nicht abgehoben. Die Presse sollte sich den Dingen unvoreingenommen annehmen und sich nicht an eine Sache binden.
Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. [6]
That I learned during my five years at the BBC in London: Keeping a distance, not to ally with one thing, not even with a good one, not to sink into affliction in public, stay cool in dealing with disasters without being cold. That's the only way you can get viewers to trust you, to make you a family member, so they look at you at every night and listen to you.
So lautet eine Arbeitsweise die dem deutschem Journalisten Hanns Joachim Friedrichs zugeschrieben wird. Ob er dessen Urheber ist und ob Friedrichs ihr immer gerecht geworden ist soll hier nicht das Thema sein. Die Idee aber ist unerlässlich, denn was die vermeintlich gute Sache ist kann sich ändern. Und dann wird schnell im Namen des Guten etwas Falsches gemacht. Jeder der noch eine kommunistischen oder sozialistischen Regierung erlebt hat oder Verwandte aus dieser Zeit hat kennt solche Geschichten.
SZ: Auf dem Briefkopf Ihres ARD-Papiers steht: Berkeley International Framing Instititute. Unter einem Institut stellt man sich etwas mit Büros, Mitarbeitern, Rechnern und vielleicht Labor vor. Ist es das?
Elisabeth Wehling: Es ist eine Marke, unter der ich berate. [8]
Elisabeth Wehling hat aber auch Framing im eigenen Sinne und im eigenen Interesse betrieben. Wehling hat ihre Arbeit unter dem Namen "Berkeley International Framing Institute" angeboten. Ein Impressum, eine Anschrift, Kontaktdaten oder Mitarbeiter werden jedoch nicht genannt. Mit der Universität von Berkeley hat das "Berkeley International Framing Institute" jedoch nichts zu tun. Wehling sieht in dieser Art der Vorgehensweise jedoch kein Problem. [7] [8] [9]
Elisabeth Wehling: Ich weiß, derzeit kursieren viele verrückte Theorien. Aber alle meine Kunden wissen, das Berkeley International Framing Institute ist meine Marke, unter der ich Beratungen anbiete. Ein Institut mit Räumlichkeiten hat es nie gegeben und das wurde auch nie suggeriert – wie gesagt, es ist eine Marke.
ZEIT: Ich habe mit Menschen gesprochen, die Sie für Interviews oder Veranstaltungen angefragt haben. Manche dachten, ihr Institut sei in den USA angesiedelt, andere in Berlin oder Hamburg. Aber alle gingen davon aus, es sei ein Ableger der renommierten University of California.
Elisabeth Wehling: Ich weiß ja nicht, mit wem Sie gesprochen haben. Aber der Name lässt sich besser einordnen, wenn man die Entstehungsgeschichte kennt. Ich forsche seit zwölf Jahren an der Universität in Berkeley. Vor zwei Jahren haben vier Kollegen und ich gemerkt, dass es in Deutschland Bedarf gibt. Wir wollten Workshops zur Framing-Wissenschaft anbieten, alles stand schon, das Konzept, die Marke. Aber dann hatten die Kollegen weniger Interesse an der deutschen Debatte als ich. Also habe ich alleine weitergemacht. [9]
[1] Öffentlichkeit - Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD 2019-02-17
https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/
https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf
[2] Elisabeth Wehling zu Gast bei ORF Zeit Im Raum 2016-03-03
https://youtu.be/xc7gZ_c65HU
[3] Elisabeth Wehling: Politisches Framing - Wie Deutschland sich politische Wahrheiten einredet 2016-03-04
https://youtu.be/r8Radhef5eI
[4] re:publica 2017 – Elisabeth Wehling: Die Macht der Sprachbilder – Politisches Framing 2017-12-07
https://youtu.be/mrFtMGLPosc
[5] re:publica 2017 – Elisabeth Wehling: Die Macht der Sprachbilder – Politisches Framing ... 2017-05-11
https://youtu.be/3tuaXaXJ02g
[6] Cool bleiben, nicht kalt 1995-03-27
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html
[7] ARD-"Framing Manual" - Elisabeth Wehling verteidigt sich 2019-02-23
https://www.sueddeutsche.de/medien/ard-framing-manual-elisabeth-wehling-berkely-international-framing-institute-1.4341625
[8] ARD-"Framing Manual" - "Ich habe noch nie einem Kunden vorgeschrieben, was er sagen soll" 2019-02-27
https://www.sueddeutsche.de/medien/elisabeth-wehling-framing-ard-linguistik-sprachwissenschaft-1.4346478
[9] Elisabeth Wehling : "Ich bin schockiert über die Vorwürfe" 2019-02-27
https://www.zeit.de/2019/10/elisabeth-wehling-linguistin-framing-manual-ard-sprache