International hat sich in Behörden einer Arbeitslosenquote etabliert die als zu natürlich erachtet wird. Auf Basis dieser Theorie wird international und auch in der EU Politik gemacht und es werden Entscheidungen gefällt. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich jedoch andere Folgen und Interessenskonflikte.
Grundlagen der Arbeitslosigkeit und Inflation
NAIRU (Non Accelerating Inflation Rate of Unemployment)
Kritik
Grundlagen der Arbeitslosigkeit und Inflation
Volkswirtschaftlich betrachtet ist Arbeitslosigkeit ein mangelnder Bedarf an Arbeit oder ein Überangebot an potentieller Arbeit. Bei unveränderten Arbeitsverhältnissen und Wochenarbeitszeit ist Arbeitslosigkeit konkret ein mangelnder Bedarf an Arbeitnehmern. In der Regel wird Arbeitslosigkeit in fünf verschiedene Formen unterschieden.
Saisonale Arbeitslosigkeit ist hängt von der Jahreszeit ab weil zum Beispiel das Baugewerbe im Winter abflaut.
Friktionelle Arbeitslosigkeit liegt vor wenn Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln und kurzfristig arbeitslos sind.
Strukturelle Arbeitslosigkeit umfasst bestimmte Bereiche wie zum Beispiel Krisen oder Stilllegungen im Bergbau oder einer Region und es bedarf überdurchschnittlicher Anstrengungen um sie zu überwinden.
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit geht mit einem konjunkturellen Abschwung einher und kann zu Massenarbeitslosigkeit führen.
Technologische Arbeitslosigkeit wird verursacht wenn durch Automatisierung und Rationalisierung ohne entsprechende Lohnsteigerung das erhöhte Angebot an Waren und Dienstleistungen nicht nachgefragt wird.
Friktionelle und Strukturelle Arbeitslosigkeit sind Phänomene in Abhängigkeit der Art und Natur der Volkswirtschaft. Saisonale, Konjunkturelle und Technologische Arbeitslosigkeit dagegen sind alle unterschiedliche Mängel an Nachfrage von Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Technologischer Fortschritt durch Automatisierung und Rationalisierung darf als eine Konstante betrachtet werden. Eine entsprechende Lohnsteigerung und folglich entsprechende Nachfrage bleibt jedoch regelmäßig aus. Wenn es in der Volkswirtschaft jedoch an Nachfrage mangelt, dann muss ein Akteur intervenieren.
Der Staat kann hierfür entweder die Staatsausgaben erhöhen und damit antizyklische Fiskalpolitik betreiben. Der Staat kann aber auch das Lohnquote durch den Mindestlohn und die Arbeitsbedingungen erhöhen, wenn sich die Nachfrage infolge der Kaufkraft in den oberen Einkommensschichten staut. Die Lohnquote ist der Anteil am Einkommen der Arbeitnehmer vom gesamten zur Verfügung stehendem Einkommen in einer Volkswirtschaft. Und je geringer die Lohnquote jedoch ist desto mehr wird jedoch die Binnennachfrage fallen. Das liegt auch daran dass Menschen mit steigendem Einkommen anfangen zu sparen und mit sinkendem Einkommen weniger in der Lage sind zu sparen.
Auch von der Arbeitslosenquote hängt die Inflation ab. Mit steigendem Angebot an Arbeitnehmern bei gleichbleibender Nachfrage an Arbeitnehmern sinkt der Gleichgewichtspreis in Form des Lohnniveaus. Und mit sinkendem Angebot an Arbeitnehmern bei gleichbleibender Nachfrage an Arbeitnehmern steigt der Gleichgewichtspreis in Form des Lohnniveaus. Dazu kommt dass das Lohnniveau unweigerlich Teil der Preisentwicklung und damit der Inflation ist.
NAIRU (Non Accelerating Inflation Rate of Unemployment)
In der Volkswirtschaftslehre hat sich das Konzept der die Inflation nicht beschleunigende Arbeitslosenquote (NAIRU/Non Accelerating Inflation Rate of Unemployment) etabliert. Dies sei die Arbeitslosenquote die sich bei konstanter Inflationsrate auf Dauer einstellen wird. Hierbei wird angenommen dass die Arbeitslosigkeit sinkt, wenn die Inflation sich beschleunigt, da die Inflation die Kaufkraft und damit die Arbeitskosten senkt und folglich die Unternehmer mehr Arbeitskräfte einstellen. Und umgekehrt wird angenommen dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn die Inflation sich verlangsamt. Beides beruht darauf dass nominale Löhne in der Regel für eine längere Zeit festgelegt werden. [1,p.172ff] [2,p.1ff]
Nach dem Konzept von NAIRU gibt es zwei Abweichungen von davon. Wenn die Arbeitslosenquote sinkt, dann beschleunigt sich die Inflation. Der Grund ist dass die Lohnerhöhungen von den Unternehmen über steigende Preise weitergegeben werden. Und wenn die Arbeitslosenquote steigt, dann verlangsamt sich die Inflation. [1,p.181ff] [1,p.199ff] [2,p.1ff]
Die Idee für NAIRU kommt daher dass es eine Arbeitslosenquote gibt die sich auf Dauer und natürlich einstellt. Eine Abweichung hiervon ist nur mit einer beschleunigten Inflation möglich. Und ohne dauerhafte Intervention zum Beispiel durch antizyklische Fiskalpolitik steigt die Arbeitslosenquote wieder auf das Niveau von NAIRU.
Kritik
Diverse Staaten mit dem Euro als Währung befinden sich seit langem in einer Krise und weisen Arbeitslosenquoten von 10%, 20% oder fast 30% auf. Die EU-Kommission verwendet trotzdem ihre eigenen Zahlen für natürliche Arbeitslosenquoten (NAWRU/Non-Accelerating Wage Inflation Rate of Unemployment). Nach dem Stand von 2017 erachtet die EU-Kommission also Arbeitslosenquoten wie zum Beispiel 13.5% für Griechenland, 15.9% für Spanien, 9.5% für Frankreich, 10.1% für Italien oder 9.2% für Zypern für Normal. Die Menschen vor Ort werden diese vermeintliche Normalität vermutlich anders sehen. [4]
Es ist fraglich ob eine gesamte Volkswirtschaft sich von einer einzelnen Behörde die zu akzeptierende Arbeitslosenquote vorschreiben sollte. Diejenige Behörde welche die Aufgabe hat diese Arbeitslosenquote zu bestimmen könnte eine ganz andere Agenda ausführen. Und da es bei NAIRU und NAWRU um die Begrenzung der Inflation geht und die offiziellen Zahlen für NAWRU ohnehin sehr hoch sind, kann davon ausgegangen werden dass eigentlich höhere Löhne verhindert werden sollen.
Wenn eine Seite die Bedingungen diktiert wird jedoch zu Recht von einem Marktversagen gesprochen. Wenn das Lohnniveau jedoch dauerhaft stagniert, dann verringert dies auch die Anreize für Arbeitgeber die Arbeitsproduktivität durch Investitionen zu erhöhen. Ein stagnierendes Lohnniveau hindert also den technologischen Fortschritt und den Anstieg der Arbeitsproduktivität.
[1] OECD Economic Studies No. 33, 2001/II - ESTIMATING THE STRUCTURAL RATE OF UNEMPLOYMENT FOR THE OECD COUNTRIES
http://www.oecd.org/social/labour/18464874.pdf
[2] EUROPEAN ECONOMY - Economic Papers 455 | May 2012 Structural unemployment and its determinants in the EU countries
https://ec.europa.eu/economy_finance/publications/economic_paper/2012/pdf/ecp_455_en.pdf
[3] Sind 14 Prozent Arbeitslose schon zu wenige? 2019-02-27
https://www.manager-magazin.de/politik/europa/arbeitslosigkeit-in-spanien-laut-eu-zu-niedrig-a-1255221.html
[4] AMECO
https://ec.europa.eu/economy_finance/ameco/user/serie/SelectSerie.cfm
[5] On Econometrics with a Human Face and Business Cycles: A Reply to Fioramanti and Waldmann’s Criticism on the EU’s NAWRU Methodology - ECONOMIC BRIEF 022 | MARCH 2017
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/eb022_en_0.pdf