Die Mordzentren
Die T4-Ärzte verabreichten zunächst Medikamente, doch als es darum ging, eine größere Anzahl von Menschen töten zu wollen, musste auf andere Methoden zurückgegriffen werden. Die Errichtung von fabriksmäßigen Massenmordzentren wurde von Karl Brandt in Nürnberg seinem Vernehmer geschildert. Barbitursäure erschien als zu umständlich, der Tod würde zu langsam eintreten. Vergasung durch "Kohlenoxyd" (sic!; Kohlenmonoxyd) nannte Brandt gegenüber dem Führer als "humanste Methode".
Der KTI-Chemiker Albert Widmann berichtete nach dem Krieg beim Verhör, er habe angeregt, das Gas in die Schlafräume der Anstalten zu leiten, während die Patienten schliefen, aber das Verfahren war technisch nicht umsetzbar. Die T4-Manager bestimmten das Alte Zuchthaus in der Stadt Brandenburg an der Havel als Ort für entsprechende Versuche. Der Vergasungsraum war ähnlich einem Duschraum ausgestattet, 3 x 5 x 3 m. Dieser Schauplatz diente für zwei Tage lang der dauernden Probevergasung (Datum nicht genau bekannt; Dez. 39/Jän. 40). Anwesend waren: Karl Brandt, Philipp Bouhler, Leonardo Conti als ranghöchste teilnehmende Beobachter. Außerdem Herbert Linden, Viktor Brac u. a. Man hatte behinderte Patienten zu "Versuchskaninchen" bestimmt. Der Mord an diesen Kranken sollte die Effizienz von Vergasungen verdeutlichen. Die versammelten Ehrengäste beobachteten die Prozedur und das Sterben der Opfer durch ein Guckloch.
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Brandenburg und Grafeneck wurden als erste eingerichtet; beide nahmen den Betrieb im Jänner 1940 auf.
Im Frühjahr und Frühsommer 1940 wurden zwei weitere Mordzentren eröffnet, um die wachsende Zahl an Opfern "abzufertigen": Hartheim und Sonnenstein. Bernburg ersetzte später Brandenburg und Hadamar trat an die Stelle von Grafeneck.
Die Gasanlage und das Krematorium in Brandenburg befanden sich auf der gleichen Etage. Die Gaskammer war als Duschraum getarnt, doch waren zunächst keine Duschköpfe installiert worden und man sagte den Pat. daher, sie würden einen "Inhalationsraum" zu therapeutiscshen Zwecken betreten. Das Krematorium bestand aus zwei fahrbaremn Öfen, die an den Kamin des Gebäudes angeschlossen waren und mit Rohöl betrieben wurden. Das Mordzentrum in Brandenburg trug den Namen "Landespflegeanstalt" (obwohl es niemals eine Einrichtung des Gesundheitswesens gewesen war).
Vom Augenblick ihrer Ankunft in den Mordzentren an wurden die Patienten unerbittlich durch einen Prozess getrieben, der gewährleisten sollte, dass die Ermordung glatt und effizient verlief. Die Täuschung, die die Mitarbeiter anwandten, bestand darin, Normalität zu wahren. Es sollte der Eindruck einer normalen Heil- und Pflegeanstalt erweckt werden.
Die Patienten kamen in Gekrat-Bussen an, in Hartheim und Bernburg trafen sie auch mit dem Zug ein. In Hademar gab es eigene "Todes-Omnibusse", die die Patienten in den Anstalten einsammelten. Die Transporte bestanden in der Regel nur aus Männern oder nur aus Frauen; waren die Geschlechter gemischt, so gab es getrennte Auskleideräume. In den Mordzentren wurden die Patienten vom Pflegepersonal in Empfang genommen und gezwungen, sich nackt auszuziehen, Kleidung und persönliche Habe wurde sortiert und mit Etiketten und Nummern versehen. In den Augen der Patienten geschah das, damit die Gegenstände wieder ihren rechtmäßigem Eigentümer zurückerstattet werden würden, tatsächlich diente es nur dem Zweck der effizienten Verwendung der Werte nach der Ermordung.
Anschließend wurden die nackten Patienten einzeln in das sog. Aufnahmezimmer geführt, wo jeder kurz von einem Arzt untersucht wurde. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine ordnungsgemäße ärztliche Untersuchung, vielmehr ging es darum, die Identität festzustellen und sich einen "oberflächlichen Eindruck von den Leuten" zu machen. Die Ärzte, die in den Mordzentren tätig waren, besaßen weder Erfahrung, noch Aubildung und Qualifikation, um psychiatrische Beurteilungen zu treffen. Nach dem Krieg wurde behauptet, diese Untersuchung habe als letzte Absicherung gegen Irrtümer im medizinischen Beurteilungsverfahren gedient, tatsächlich waren die Ärzte jedoch nicht befugt gewesen, Aufschub zu gewähren. Die Prozedur sollte auch zur Beruhigung der Patienten beitragen. Darüber hinaus konnte der Arzt beim Anblick des nackten Patienten wichtige Hinweise auf eine passende Todesursache gewinnen, beispielsweise wurde auf Narben geachtet, da vermieden werden sollte, z. B. eine Blinddarmentzündung als Todesursache anzugeben, wenn der Blinddarm des betroffenen Patienten bereits vor Jahren entfernt worden war.
Wer Goldzähne oder -brücken besaß, wurde mit einem Kreuz auf dem Rücken gekennzeichnet, um die Leichen später leichter zu identifizieren, bei denen es etwas zu fleddern gab.
Nach der Untersuchung wurde jedem Patienten eine Nummer zugeteilt, die ihm entweder auf den Körper gestempelt oder mit einem Klebeband am Körper befestigt wurde. Hernach wurden die Patienten in einem Nebenraum sitzend, von vorn, von der Seite und stehend fotografiert. Die Fotos, welche schließlich in der T4-Zentrale in Berlin katalogisiert wurden, sollten dazu dienen, die "körperliche Minderwertigkeit" der ermordeten Patienten für wissenschafltiche Zwecke zu dokumentieren.
In einigen Mordzentralen wurden auch Propagandafilme gedreht, um die "Minderwertigkeit" unter Beweis zu stellen. Zum Teil wurden auch in örtlichen Heil- und Pflegeanstalten, wie z. B. in Eglfing-Haar, "interessante Fälle" für die "Wissenschaft" und für "Propagandazwecke" fotografiert.
Nach Abschluss aller Untersuchungen versammelte man die nackten Patienten, damit sie in die Gaskammer geführt werden konnten. Die Patienten waren vom Personal auf das "Duschen" bereits eingestellt worden. Der genau Vorgang unterschied sich von Ort zu Ort. In Brandenburg, Grafeneck und Hartheim befanden sich die Gaskammern im Erdgeschoss. Die Patienten begaben sich direkt von den Untersuchungsräumen in diese Kammern. In Bernburg und Hadamar lagen die Gaskammern im Keller. In Sonnenstein war Aufnahmezimmer als auch Gaskammer im Keller.
Die meisten Patienten akzeptierten die Erklärung des Personals, dass man sie zu den Duschen führe. Jene Patienten, die Verdacht schöpften, erhielten Beruhigungsmittel, ehe man sie in die Gaskammer führte, ggf. wurde auch Gewalt eingesetzt.
Befanden sich alle Patienten in der Gaskammer, so wurde die Stahltür geschlossen und sichergestellt, dass die Entlüftungsfenster hermetisch abgeschlossen waren. Der Arzt im Nebenraum drehte den Hahn der Druckgasflasche auf und das tödliche Gas drang in die Kammer ein.
Theoretisch hatte Hitler nur "namentlich zu bestimmende Ärzte" autorisiert, den "Gnadentod" zu gewähren, tatsächlich delegierten manche Ärzte diese Aufgabe doch an andere und kontrollierten nur die Ausführung. In Hartheim wurde der Gashan von dem Oberbrenner Valasta bedient.
Georg Renno bei seiner Vernehmung nach dem Krieg: "Ich habe nicht Medizin studiert, um einen Gashahn zu bedienen."
Die Zahl der Patienten unterschied sich: zu Beginn wurden 20 bis 50 Patienten gleichzeitig ermordet, später wurden die Kapazitäten der Gaskammern auf 75 erhöht. "Einmal wurden auf einen Schlage 150 Personen vergast. Der Gasraum war derart voll, daß (sic!) die Leute, die sich darin befanden, kaum umfallen konnten und sich dadurch so verkrampften, daß (sic!) wir die Leichen kaum auseinanderbringen konnten." (Aussage eines Mitarbeiters aus Hartheim)
Nach ungefähr fünf Minuten waren alle Patienten bewusstlos, nach zehn alle tot. Nach ein bis zwei Stunden wurde die Kammer vom Personal gelüftet. Die Zeugenaussagen über die Wirkung des Gases stimmen nicht überein: "Nach meinem Dafürhalten dürften sie keine Schmerzen empfunden haben", berichtete ein Augenzeuge aus Brandenburg, während ein anderer aus Hadamar die Frage, ob er einmal einer Vergasung beigewohnt habe, wie folgt beantwortete: "Leider Gottes, ja. Und zwar war es Neugierde ... Unten links ging ein kleiner Gang hinein, da sah ich durch die Scheibe ... In dem Raum befanden sich Kranke, nackte Menschen, ein Teil halb zusammengesunken, andere hatten den Mund furchbar weit auf, die Brust arbeitete. Ich sah das, etwas Grauenhafteres hab ich nie gesehen. Ich bin herum, die Treppe wieder rauf, oben war ein Klosett. Alles was ich gegessen hatte, habe ich gebrochen. Tagelang ist mir das nachgegangen ... Wenn man da reinsah, ich konnte mir nicht denken, daß (sic!) das vollkommen schmerzlos gewesen sein soll. Ich bin natürlich Laie, und das ist meine Annahme. Ein paar lagen auf der Erde, Die Rücken standen den nackten Menschen überall heraus. Andere saßen auf der Bank, hatten den Mund weit auf, die Augen weit, die Brust ging."
Bevor es zur Einäscherung kam, wurden den Leichen mit entsprechendem Kreuz die Goldzähne herausgebrochen. Das Gold fand den Weg in den Staatsschatz des Deutschen Reiches. Zwischen zwei und acht Leichname wurden gleichzeitig in die Heizanlage eingeschoben und verbrannt. Die Brenner arbeiten im Schichtdienst und waren häufig die ganze Nacht im Einsatz, um die ermordeten Patienten einzuäschern. Trotzdem gab es oft einen großen Rückstand, sodass bei einigen Leichen bereits die Verwesung eingesetzt hatte. Aufgrund dessen, dass die Kamine der Dauerbelastung nicht standhielten, kam es immer wieder zum Ausbruch von Feuer. In Hartheim beispielsweise unterbrach ein Kaminbrand die Mordaktion für einige Wochen.
Die Mordzentren "verarbeiten" in der Regel innerhalb von 24 Stunden lebende Menschen zu Asche. In der T4-Sprache sprach man von "Desinfektion".
Nach der Verbrennung wurden die menschlichen Knochen in einer Knochenmühle zu Pulver gemahlen, welches in Urnen abgefüllt und den Angehörigen geschickt wurde, welche jedoch nicht erfuhren, dass die Urne nicht die Asche der Person enthielt, deren Name auf die Urne gestempelt worden war.
Die Zahlen der Opfer der Euthanasie-Mordzentren 1940/41:
* Grafeneck: 9.839 im Jahr 1940 (1941 geschlossen)
* Brandenburg: 9.772 im Jahr 1940 (1941 geschlossen)
* Hartheim: 9.670 im Jahr 1940, 8.599 im Jahr 1941 (ges. 18.269)
* Sonnenstein: 5.943 im Jahr 1940, 7.777 im Jahr 1941 (ges. 13.720)
* Bernburg: eröffnet 1941; 8.601 Opfer
* Hadamar: eröffnet 1941; 10.072 Opfer
Die in Hartheim entdeckte, bizarre Gesamtstatistik enthielt eine Berechnung der durch den Mord an den Behinderten erzielten finanziellen Einsparungen des Reichs: die T4-Statistik war zum Resultat gekommen, dass die Ersparnisse durch die 70.273 "Desinfektionen" innerhalb von 10 Jahren 885.439.980 RM betrugen, umgerechnet ergab das eine zukünftige Ersparnis von 13.492.440 kg Fleisch und Wurst für die Ermordeten.
Vgl. Friedlander, Henry (1995): Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, München: Heyne, S. 152ff. Originalausgabe: The Origins of the Nazi Genocide: From Euthanasia to the Final Solution, London.
Ebenso zum Thema:
https://www.fischundfleisch.com/manfred-breitenberger/auschwitz-schuld-und-abwehr-59310