Das Thema Gewalt und Aggression ist omnipräsent und macht auch vor dem Österreichischen Gesundheitssystem nicht Halt. Das stetig steigernde Gewaltpotenzial im Bereich Gesundheit und Soziales ist seit Jahren bekannt, wurde jedoch mehr oder weniger erfolgreich hartnäckig totgeschwiegen bzw. geleugnet, das Personal hat kompensiert. Es fehlt an übergeordneten Sicherheitskonzepten das Tabuthema betreffend.
In Wiener Krankenhäusern sorgen am Gelände des Kaiser-Franz-Josef-Spitals seit Juni 2018 durch regelmäßige Präsenz in Form von polizeilichen Fußstreifen für mehr Sicherheit, was neben einem beiderseitigen erhöhten Problembewusstsein auch zu einem verbesserten Dialog und verkürzten Kommunikationswegen führen soll.
Dass es im Gesundheits- und Sozialbereich gewalttägige Übergriffe gegen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gibt, dringt immer mehr nach außen, das gut gehütete Geheimnis ist keines mehr: Während verbale und körperliche Übergriffe von einem Jahrzehnt noch zu den geringen Begleiterscheinungen im Berufsfeld gehörten, sind mittlerweile nicht nur verbale Attacken, sondern die Anzahl von Drohungen und tätlichen Angriffen zum täglich vorkommenden beruflichen Alltag geworden.
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Der Dienstgeber ist gemäß seiner Fürsorgepflicht gesetzlich dazu verpflichtet, für umfassenden Schutz der Beschäftigten zu sorgen: „Der Dienstgeber hat die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, dass Leben und Gesundheit des Dienstnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden.“
Laut Arbeitnehmerschutzgesetz hat der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitsstätten, -plätze und -vorgänge, bei der Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln und -stoffen, beim Einsatz der Arbeitnehmer sowie bei allen Maßnahmen zum Schutz derselben die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung umzusetzen. Diese sind Vermeidung von Risiken, Gefahrenbekämpfung an der Quelle, Ausschaltung und Verringerung von Gefahrenmomenten und anderes.
Diese Schutzmaßnahmen werden von Dienststelle zu Dienststelle jedoch gänzlich unterschiedlich umgesetzt. Während das eine Haus regelmäßig, auf Kommunikation ausgelegte Deeskalationsschulungen und das Trainieren von Körperinterventionen anbietet, gibt es in anderen Häusern lediglich die Erfassung von Aggressionsereignissen, aber kaum Maßnahmen, andere Häuser wiederum kooperieren mit der Polizei und wieder andere bieten Selbstverteidigungskurse an. Auch auf den Einsatz von Kameraüberwachung und den Einsatz von Securitykräften wird vermehrt gesetzt. Wie bereits erwähnt, fehlt ein übergeordnetes und umfassendes Sicherheitskonzept. Selbstverteidigungsstrategien mögen in einer dunklen Seitengasse hilfreich sein, im therapeutischen, betreuerischen und pflegerischen Alltag jedoch deplatziert.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Gesundheits- und Sozialbereich, die im Auftrag des Dienstgebers bzw. im öffentlichen Interesse handeln, sind derzeit Angriffen hilf-, schutz- und machtlos ausgeliefert. Der Träger GESPAG (Oberösterreichische Gesundheitsholding GmbH; mit einem Marktanteil von rund 29 % Oberösterreichs größter Krankenhausträger; betreibt 6 Spitäler an 8 Standorten) reagierte auf die zunehmende Gewalt indem zahlreiche gewalt- und aggressionsausösende, aber auch deeskalierende Faktoren herausgearbeitet und vielseitige Maßnahmen zur Zielerreichung gesetzt wurden, wobei alle Arten von Gewalt berücksichtigt worden sind. In einer übergeordneten Betriebsvereinbarung wurden Maßnahmen wie Schulungen, Trainer- und Trainerinnenausbildungen sowie das Vorgehen im Krisenfall verschriftlicht.
Nach Jahren, wenn nicht einem Jahrzehnt, des tiefen Schlafens ist nunmehr auch der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) aus seinem Dornröschenschlaf erwacht: auf Vorstandsebene wird nun ein Projekt ins Leben gerufen, das zum Ziel hat, ein umfassendes Sicherheitskonzept für den Wiener KAV bzw. dann „Wiener Kliniken und Pflegewohnhäuser“ zu erarbeiten. Als Grundlage soll das Modell der „sicheren Institution“ nach David Leadbetter dienen: das Dach dieses „Hauses der Sicherheit“ bilden dabei Sicherheit, Klarheit und Orientierung im Denken, Fühlen und Handeln für Personal, Patient/inn/en und Besucher/innen und das Fundament Vertrauen, offene Kommunikation, Unterstützungs- und Entwicklungswille, Zuversicht sowie Kontinuität. Nach Bildung der Arbeitskreise, bei denen Vertreter/innen der jeweiligen Dienststellen von zentraler Bedeutung sind und in denen sich auch Expert/inn/en für Deeskalations- und Sicherheitsmanagement, Arbeitsplatzsicherheit etc. einbringen, sollen ganzheitliche Lösungen herausgearbeitet werden, die auf hausspezifische Gegebenheiten Rücksicht nehmen und laufende Projekte integrieren. Die Kooperation mit der Polizei muss ebenso eine wichtige Rolle spielen, (wie derzeit im KFJ) wie auch andere derzeit bereits umgesetzte Maßnahmen anderer Dienststellen.
Sicherheit darf nicht länger ein Lippenbekenntnis der Anstalt öffentlichen Rechts sein, sagt Martin, Stellvertretender Vorsitzender der Hauptgruppe II, ÖGB – younion, Die Daseinsgewerkschaft – Ihr Team Gesundheit mit Kämpferherz, in seinem Artikel „Sicherheit im Wiener Krankenhaus“ (vgl. Martin, Edgar: Sicherheit im Wiener Krankenhaus, Von Polizei über Kameras bis zu Deeskalationsmanagement, In: gesund & sozial, ÖGB/ARGE-FGV für Gesundheits- und Sozialberufe, 70. Jahrgang, Heft 4, 2018).
Literatur: ebd., Zeitschrift der ÖGB/ARGE-FACHGRUPPENVEREINIGUNG für Gesundheits- und Sozialberufe.
An dieser Stelle kann ich es mir nicht verkneifen anzumerken, liebe FSG, lieber ÖGB Arge FGV, lieber GÖD, liebe younion Landesgruppe Wien, lieber Edgar, dass die allseits in Medizin und Pflege bekannte Gewaltproblematik seit mittlerweile beinahe einem Jahrzehnt unter den Teppich gekehrt, beschwichtigt, bagatellisiert, vertuscht wurde und Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen dazu angehalten waren zu kompensieren und – vor allem – zum Schweigen verurteilt waren!
Schön, dass auch ihr – womöglich aufgrund des stetig steigenden medialen und politischen Drucks? – endlich aus eurem Dornröschenschlaf zu erwachen scheint. Wünschenswert wäre auch, dass ihr damit beginnt, eure klingenden (Homepage-)Slogans, wie „Wir sind da wo Sie uns brauchen“, wahrzumachen – es wäre tatsächlich allerhöchste Eisenbahn!
Klinik- und Krankenhausüberwachung https://www.upcam.de/media/image/12/b6/fa/Krankenhaus1_800x800.jpg